und ich hab das, was mir insonderheit erfahrens- wert geschienen, gar zu lesen angefangen. Auf das Zurechtstellen und Ordnen der Bücher hab ich ver- gessen.
Was sagt mein Herr eines Tages zu mir? -- "Bursche, für das Auswendige der Bücher bist du nicht zu brauchen, du mußt in das Inwendige hinein. Mir dünkt es gut, daß ich dich in einer Lehranstalt unterbringe.
"Ja freilich, ja freilich -- das ist ja mein heimlich Verlangen."
"Es wird gelingen, dich in die dasige Ge- lehrtenschule zu stellen, du wirst rechtschaffen und fleißig sein, wirst Unterstützung finden; es geht rasch aufwärts und kehr die Hand, wird's heißen: Herr Doktor Erdmann!"
Ganz heiß wird mir bei diesen Worten. Nicht gar lange nachher und mir ist noch heißer ge- worden. [Mein] Brotherr hat es durchgesetzt; ich bin in die Gelehrtenschule gekommen und schnurgerade mitten hinein in das Innere der Bücher. Aber in der Schule, da werden Einem trutz die allerlang- weiligsten Bücher in die Hand gegeben; die kurz- weiligen sind allsammt verboten. Dinge, die mich auswendig und einwendig gar nichts angegangen, hab ich müssen in meinen Kopf hineintrichtern. Das ist eine Pein gewesen; denn damalen haben
und ich hab das, was mir inſonderheit erfahrens- wert geſchienen, gar zu leſen angefangen. Auf das Zurechtſtellen und Ordnen der Bücher hab ich ver- geſſen.
Was ſagt mein Herr eines Tages zu mir? — „Burſche, für das Auswendige der Bücher biſt du nicht zu brauchen, du mußt in das Inwendige hinein. Mir dünkt es gut, daß ich dich in einer Lehranſtalt unterbringe.
„Ja freilich, ja freilich — das iſt ja mein heimlich Verlangen.“
„Es wird gelingen, dich in die daſige Ge- lehrtenſchule zu ſtellen, du wirſt rechtſchaffen und fleißig ſein, wirſt Unterſtützung finden; es geht raſch aufwärts und kehr die Hand, wird’s heißen: Herr Doktor Erdmann!“
Ganz heiß wird mir bei dieſen Worten. Nicht gar lange nachher und mir iſt noch heißer ge- worden. [Mein] Brotherr hat es durchgeſetzt; ich bin in die Gelehrtenſchule gekommen und ſchnurgerade mitten hinein in das Innere der Bücher. Aber in der Schule, da werden Einem trutz die allerlang- weiligſten Bücher in die Hand gegeben; die kurz- weiligen ſind allſammt verboten. Dinge, die mich auswendig und einwendig gar nichts angegangen, hab ich müſſen in meinen Kopf hineintrichtern. Das iſt eine Pein geweſen; denn damalen haben
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und ich hab das, was mir inſonderheit erfahrens-
wert geſchienen, gar zu leſen angefangen. Auf das
Zurechtſtellen und Ordnen der Bücher hab ich ver-
geſſen.
Was ſagt mein Herr eines Tages zu mir? —
„Burſche, für das Auswendige der Bücher biſt du
nicht zu brauchen, du mußt in das Inwendige
hinein. Mir dünkt es gut, daß ich dich in einer
Lehranſtalt unterbringe.
„Ja freilich, ja freilich — das iſt ja mein
heimlich Verlangen.“
„Es wird gelingen, dich in die daſige Ge-
lehrtenſchule zu ſtellen, du wirſt rechtſchaffen und
fleißig ſein, wirſt Unterſtützung finden; es geht
raſch aufwärts und kehr die Hand, wird’s heißen:
Herr Doktor Erdmann!“
Ganz heiß wird mir bei dieſen Worten. Nicht
gar lange nachher und mir iſt noch heißer ge-
worden. Mein Brotherr hat es durchgeſetzt; ich bin
in die Gelehrtenſchule gekommen und ſchnurgerade
mitten hinein in das Innere der Bücher. Aber in
der Schule, da werden Einem trutz die allerlang-
weiligſten Bücher in die Hand gegeben; die kurz-
weiligen ſind allſammt verboten. Dinge, die mich
auswendig und einwendig gar nichts angegangen,
hab ich müſſen in meinen Kopf hineintrichtern.
Das iſt eine Pein geweſen; denn damalen haben
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/49>, abgerufen am 23.11.2024.
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