Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

schaft, welcher derselbe überwiesen werden könnte, und
es ist also richtig, von der Aesthetik des Häßlichen zu
sprechen. Niemand wundert sich, wenn in der Biologie
auch vom Begriff der Krankheit oder wenn in der
Ethik vom Begriff des Bösen, in der Rechtswissenschaft
vom Begriff des Unrechts, in der Religionswissenschaft
vom Begriff der Sünde gehandelt wird. Theorie des
Häßlichen zu sagen, würde die wissenschaftliche Genea¬
logie des Begriffs nicht so bestimmt ausdrücken. Die
Ausführung der Sache selbst hat übrigens den Namen
zu rechtfertigen.

Ich habe mich bemühet, den Begriff des Häßlichen
als die Mitte zwischen dem des Schönen und dem des
Komischen von seinen ersten Anfängen bis zu derjenigen
Vollendung zu entwickeln, die er sich in der Gestalt
des Satanischen gibt. Ich rolle gleichsam den Kosmos
des Häßlichen auf von seinen ersten chaotischen Nebel¬
flecken, von der Amorphie und Asymmetrie an, bis
zu seinen intensivsten Formationen in der unendlichen
Mannigfaltigkeit der Desorganisation des Schönen durch
die Caricatur. Die Formlosigkeit, die Incorrectheit
und die Deformität der Verbildung machen die ver¬
schiedenen Stufen dieser in sich consequenten Reihe von

ſchaft, welcher derſelbe überwieſen werden könnte, und
es iſt alſo richtig, von der Aeſthetik des Häßlichen zu
ſprechen. Niemand wundert ſich, wenn in der Biologie
auch vom Begriff der Krankheit oder wenn in der
Ethik vom Begriff des Böſen, in der Rechtswiſſenſchaft
vom Begriff des Unrechts, in der Religionswiſſenſchaft
vom Begriff der Sünde gehandelt wird. Theorie des
Häßlichen zu ſagen, würde die wiſſenſchaftliche Genea¬
logie des Begriffs nicht ſo beſtimmt ausdrücken. Die
Ausführung der Sache ſelbſt hat übrigens den Namen
zu rechtfertigen.

Ich habe mich bemühet, den Begriff des Häßlichen
als die Mitte zwiſchen dem des Schönen und dem des
Komiſchen von ſeinen erſten Anfängen bis zu derjenigen
Vollendung zu entwickeln, die er ſich in der Geſtalt
des Sataniſchen gibt. Ich rolle gleichſam den Kosmos
des Häßlichen auf von ſeinen erſten chaotiſchen Nebel¬
flecken, von der Amorphie und Aſymmetrie an, bis
zu ſeinen intenſivſten Formationen in der unendlichen
Mannigfaltigkeit der Desorganiſation des Schönen durch
die Caricatur. Die Formloſigkeit, die Incorrectheit
und die Deformität der Verbildung machen die ver¬
ſchiedenen Stufen dieſer in ſich conſequenten Reihe von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="IV"/>
&#x017F;chaft, welcher der&#x017F;elbe überwie&#x017F;en werden könnte, und<lb/>
es i&#x017F;t al&#x017F;o richtig, von der Ae&#x017F;thetik des Häßlichen zu<lb/>
&#x017F;prechen. Niemand wundert &#x017F;ich, wenn in der Biologie<lb/>
auch vom Begriff der Krankheit oder wenn in der<lb/>
Ethik vom Begriff des Bö&#x017F;en, in der Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
vom Begriff des Unrechts, in der Religionswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
vom Begriff der Sünde gehandelt wird. Theorie des<lb/>
Häßlichen zu &#x017F;agen, würde die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Genea¬<lb/>
logie des Begriffs nicht &#x017F;o be&#x017F;timmt ausdrücken. Die<lb/>
Ausführung der Sache &#x017F;elb&#x017F;t hat übrigens den Namen<lb/>
zu rechtfertigen.</p><lb/>
        <p>Ich habe mich bemühet, den Begriff des Häßlichen<lb/>
als die Mitte zwi&#x017F;chen dem des Schönen und dem des<lb/>
Komi&#x017F;chen von &#x017F;einen er&#x017F;ten Anfängen bis zu derjenigen<lb/>
Vollendung zu entwickeln, die er &#x017F;ich in der Ge&#x017F;talt<lb/>
des Satani&#x017F;chen gibt. Ich rolle gleich&#x017F;am den Kosmos<lb/>
des Häßlichen auf von &#x017F;einen er&#x017F;ten chaoti&#x017F;chen Nebel¬<lb/>
flecken, von der Amorphie und A&#x017F;ymmetrie an, bis<lb/>
zu &#x017F;einen inten&#x017F;iv&#x017F;ten Formationen in der unendlichen<lb/>
Mannigfaltigkeit der Desorgani&#x017F;ation des Schönen durch<lb/>
die Caricatur. Die Formlo&#x017F;igkeit, die Incorrectheit<lb/>
und die Deformität der Verbildung machen die ver¬<lb/>
&#x017F;chiedenen Stufen die&#x017F;er in &#x017F;ich con&#x017F;equenten Reihe von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[IV/0012] ſchaft, welcher derſelbe überwieſen werden könnte, und es iſt alſo richtig, von der Aeſthetik des Häßlichen zu ſprechen. Niemand wundert ſich, wenn in der Biologie auch vom Begriff der Krankheit oder wenn in der Ethik vom Begriff des Böſen, in der Rechtswiſſenſchaft vom Begriff des Unrechts, in der Religionswiſſenſchaft vom Begriff der Sünde gehandelt wird. Theorie des Häßlichen zu ſagen, würde die wiſſenſchaftliche Genea¬ logie des Begriffs nicht ſo beſtimmt ausdrücken. Die Ausführung der Sache ſelbſt hat übrigens den Namen zu rechtfertigen. Ich habe mich bemühet, den Begriff des Häßlichen als die Mitte zwiſchen dem des Schönen und dem des Komiſchen von ſeinen erſten Anfängen bis zu derjenigen Vollendung zu entwickeln, die er ſich in der Geſtalt des Sataniſchen gibt. Ich rolle gleichſam den Kosmos des Häßlichen auf von ſeinen erſten chaotiſchen Nebel¬ flecken, von der Amorphie und Aſymmetrie an, bis zu ſeinen intenſivſten Formationen in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Desorganiſation des Schönen durch die Caricatur. Die Formloſigkeit, die Incorrectheit und die Deformität der Verbildung machen die ver¬ ſchiedenen Stufen dieſer in ſich conſequenten Reihe von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/12
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/12>, abgerufen am 21.11.2024.