und Thaten nicht solche von der Idee affirmativ getragene Einzigkeit aus, so sind sie auch nicht majestätisch; eine Einzigkeit, welche durch ihre Negativität sich auszeichnet, kann auf das Prädicat des Majestätischen keinen Anspruch machen; sie wird im Gegentheil ins Häßliche fallen. Ein Commodus, ein Heliogabalus, Herrn der Welt, sind mo¬ ralische Abnormitäten, welche die Majestät, je mehr sie die¬ selbe mit ihrem knabenhaften Wahnsinn in launischer Tyrannei geltend machen wollten, nur um so mehr verzerrten; sie sind einzig in dieser Verzerrung, aber diese Einzigkeit ist die traurige der colossalen Ausschweifung verrückten Eigendünkels. Herostrat, als er die Fackel in den Tempel der Ephesinischen Artemis warf, hat seinen Zweck erreicht, aber diese nichts¬ würdige Handlung ist in ihrer frivolen Einzigkeit das Ge¬ gentheil aller Majestät. Die wahrhafte Majestät wird natürlich ihrem Afterbilde gegenüber um so einziger erscheinen, wie Christus, dem elend neugierigen König Herodes gegen¬ über, die Unendlichkeit seiner Majestät in vernichtendes Schweigen hüllte. Herodes, ein König, fragt einen ge¬ fangenen, verurtheilten Juden -- und dieser würdigt ihn keiner Antwort; dem entsittlichten Schattenkönige öffnen diese sonst so freundlichen, liebeathmenden Lippen sich nicht; dies Schweigen -- welch eine furchtbare Majestät!
Das Gewöhnliche ist, wie gesagt, keineswegs auch schon das Häßliche. Niemand kann in seinem Begriff diese Nothwendigkeit nachweisen und es kann sogar, wenn auch nicht schön, doch hübsch sein. Allein als das, was in vielen Exemplaren vorhanden ist, was nach keiner Seite hin her¬ vorsticht, erscheint es ästhetisch bedeutungslos. Es fehlt ihm an charakteristischer Individualisirung. Das Schöne soll uns allerdings die allgemeine Wahrheit der Dinge darstellen,
und Thaten nicht ſolche von der Idee affirmativ getragene Einzigkeit aus, ſo ſind ſie auch nicht majeſtätiſch; eine Einzigkeit, welche durch ihre Negativität ſich auszeichnet, kann auf das Prädicat des Majeſtätiſchen keinen Anſpruch machen; ſie wird im Gegentheil ins Häßliche fallen. Ein Commodus, ein Heliogabalus, Herrn der Welt, ſind mo¬ raliſche Abnormitäten, welche die Majeſtät, je mehr ſie die¬ ſelbe mit ihrem knabenhaften Wahnſinn in launiſcher Tyrannei geltend machen wollten, nur um ſo mehr verzerrten; ſie ſind einzig in dieſer Verzerrung, aber dieſe Einzigkeit iſt die traurige der coloſſalen Ausſchweifung verrückten Eigendünkels. Heroſtrat, als er die Fackel in den Tempel der Epheſiniſchen Artemis warf, hat ſeinen Zweck erreicht, aber dieſe nichts¬ würdige Handlung iſt in ihrer frivolen Einzigkeit das Ge¬ gentheil aller Majeſtät. Die wahrhafte Majeſtät wird natürlich ihrem Afterbilde gegenüber um ſo einziger erſcheinen, wie Chriſtus, dem elend neugierigen König Herodes gegen¬ über, die Unendlichkeit ſeiner Majeſtät in vernichtendes Schweigen hüllte. Herodes, ein König, fragt einen ge¬ fangenen, verurtheilten Juden — und dieſer würdigt ihn keiner Antwort; dem entſittlichten Schattenkönige öffnen dieſe ſonſt ſo freundlichen, liebeathmenden Lippen ſich nicht; dies Schweigen — welch eine furchtbare Majeſtät!
Das Gewöhnliche iſt, wie geſagt, keineswegs auch ſchon das Häßliche. Niemand kann in ſeinem Begriff dieſe Nothwendigkeit nachweiſen und es kann ſogar, wenn auch nicht ſchön, doch hübſch ſein. Allein als das, was in vielen Exemplaren vorhanden iſt, was nach keiner Seite hin her¬ vorſticht, erſcheint es äſthetiſch bedeutungslos. Es fehlt ihm an charakteriſtiſcher Individualiſirung. Das Schöne ſoll uns allerdings die allgemeine Wahrheit der Dinge darſtellen,
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und Thaten nicht ſolche von der Idee affirmativ getragene
Einzigkeit aus, ſo ſind ſie auch nicht majeſtätiſch; eine
Einzigkeit, welche durch ihre Negativität ſich auszeichnet,
kann auf das Prädicat des Majeſtätiſchen keinen Anſpruch
machen; ſie wird im Gegentheil ins Häßliche fallen. Ein
Commodus, ein Heliogabalus, Herrn der Welt, ſind mo¬
raliſche Abnormitäten, welche die Majeſtät, je mehr ſie die¬
ſelbe mit ihrem knabenhaften Wahnſinn in launiſcher Tyrannei
geltend machen wollten, nur um ſo mehr verzerrten; ſie ſind
einzig in dieſer Verzerrung, aber dieſe Einzigkeit iſt die
traurige der coloſſalen Ausſchweifung verrückten Eigendünkels.
Heroſtrat, als er die Fackel in den Tempel der Epheſiniſchen
Artemis warf, hat ſeinen Zweck erreicht, aber dieſe nichts¬
würdige Handlung iſt in ihrer frivolen Einzigkeit das Ge¬
gentheil aller Majeſtät. Die wahrhafte Majeſtät wird
natürlich ihrem Afterbilde gegenüber um ſo einziger erſcheinen,
wie Chriſtus, dem elend neugierigen König Herodes gegen¬
über, die Unendlichkeit ſeiner Majeſtät in vernichtendes
Schweigen hüllte. Herodes, ein König, fragt einen ge¬
fangenen, verurtheilten Juden — und dieſer würdigt ihn
keiner Antwort; dem entſittlichten Schattenkönige öffnen dieſe
ſonſt ſo freundlichen, liebeathmenden Lippen ſich nicht; dies
Schweigen — welch eine furchtbare Majeſtät!
Das Gewöhnliche iſt, wie geſagt, keineswegs auch
ſchon das Häßliche. Niemand kann in ſeinem Begriff dieſe
Nothwendigkeit nachweiſen und es kann ſogar, wenn auch
nicht ſchön, doch hübſch ſein. Allein als das, was in vielen
Exemplaren vorhanden iſt, was nach keiner Seite hin her¬
vorſticht, erſcheint es äſthetiſch bedeutungslos. Es fehlt ihm
an charakteriſtiſcher Individualiſirung. Das Schöne ſoll
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/223>, abgerufen am 24.11.2024.
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