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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Plagiat, ärgert uns und wir rufen ihr mit dem Rabbi Akhiba
in Gutzkows Uriel Acosta verdrießlich zu: Alles schon da¬
gewesen! Wir können die erlaubte Identität der Motive
von der nichtseinsollenden Gleichheit der Behandlung dadurch
unterscheiden, daß wir die Letztere als den Gemeinplatz be¬
zeichnen. Alle Künste haben ihre Gemeinplätze; alle Epochen
haben die ihrigen. Der Gemeinplatz ist die schon als solche
bekannte, erkannte und gestempelte Trivialität. Das Ge¬
meinplätzliche ist einst auch neu und interessant gewesen; aber
in der Häufigkeit der Wiederholung ist es verbraucht, entgeistet.
Es wird daher, sobald es mit der Prätension der Neuheit
auftritt, lächerlich. In der Poesie muß man es jedoch nicht
zum Gemeinplatz rechnen, wenn zum Stoff ihrer Bilder
immer wieder die großen Naturgegenstände, Sonne, Meer,
Berg, Wald, Blume u. s. w. oder die Griechischen Mythen
genommen werden. Beide sind einmal ewige Symbole ge¬
worden, in denen die gebildete Menschheit sich allverständlich
ausdrückt. Wie die Natur und die Götter immer wieder
schön und unergründlich sind, so auch kann jener Bilderstoff
immer wieder anders gewendet und verjüngt werden. Haben
nicht Schiller und Hölderlin die Griechische Mythe mit
universellem Geiste fortgedichtet und romantisch beseelt?

Wenn Lessing dem Gewöhnlichan das Ungewöhnliche
entgegengesetzt hat, so kann man dagegen zunächst nichts er¬
innern, denn diese Unterscheidung ist nur erst ein limitatives
Urtheil. Wenn er nun aber das Gewöhnliche für das Natür¬
liche erklärt, so würde folgen, daß das Ungewöhnliche nicht
natürlich sein dürfte. "Wenn der Dichter nichts auf das
Theater bringt, als was er in der einfachen Natur findet,
so wird er seinen Zuschauern nichts zu sehen und zu hören
geben, als was man alle Tage sieht und hört. Wer besucht

Plagiat, ärgert uns und wir rufen ihr mit dem Rabbi Akhiba
in Gutzkows Uriel Acoſta verdrießlich zu: Alles ſchon da¬
geweſen! Wir können die erlaubte Identität der Motive
von der nichtſeinſollenden Gleichheit der Behandlung dadurch
unterſcheiden, daß wir die Letztere als den Gemeinplatz be¬
zeichnen. Alle Künſte haben ihre Gemeinplätze; alle Epochen
haben die ihrigen. Der Gemeinplatz iſt die ſchon als ſolche
bekannte, erkannte und geſtempelte Trivialität. Das Ge¬
meinplätzliche iſt einſt auch neu und intereſſant geweſen; aber
in der Häufigkeit der Wiederholung iſt es verbraucht, entgeiſtet.
Es wird daher, ſobald es mit der Prätenſion der Neuheit
auftritt, lächerlich. In der Poeſie muß man es jedoch nicht
zum Gemeinplatz rechnen, wenn zum Stoff ihrer Bilder
immer wieder die großen Naturgegenſtände, Sonne, Meer,
Berg, Wald, Blume u. ſ. w. oder die Griechiſchen Mythen
genommen werden. Beide ſind einmal ewige Symbole ge¬
worden, in denen die gebildete Menſchheit ſich allverſtändlich
ausdrückt. Wie die Natur und die Götter immer wieder
ſchön und unergründlich ſind, ſo auch kann jener Bilderſtoff
immer wieder anders gewendet und verjüngt werden. Haben
nicht Schiller und Hölderlin die Griechiſche Mythe mit
univerſellem Geiſte fortgedichtet und romantiſch beſeelt?

Wenn Leſſing dem Gewöhnlichan das Ungewöhnliche
entgegengeſetzt hat, ſo kann man dagegen zunächſt nichts er¬
innern, denn dieſe Unterſcheidung iſt nur erſt ein limitatives
Urtheil. Wenn er nun aber das Gewöhnliche für das Natür¬
liche erklärt, ſo würde folgen, daß das Ungewöhnliche nicht
natürlich ſein dürfte. „Wenn der Dichter nichts auf das
Theater bringt, als was er in der einfachen Natur findet,
ſo wird er ſeinen Zuſchauern nichts zu ſehen und zu hören
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[204/0226] Plagiat, ärgert uns und wir rufen ihr mit dem Rabbi Akhiba in Gutzkows Uriel Acoſta verdrießlich zu: Alles ſchon da¬ geweſen! Wir können die erlaubte Identität der Motive von der nichtſeinſollenden Gleichheit der Behandlung dadurch unterſcheiden, daß wir die Letztere als den Gemeinplatz be¬ zeichnen. Alle Künſte haben ihre Gemeinplätze; alle Epochen haben die ihrigen. Der Gemeinplatz iſt die ſchon als ſolche bekannte, erkannte und geſtempelte Trivialität. Das Ge¬ meinplätzliche iſt einſt auch neu und intereſſant geweſen; aber in der Häufigkeit der Wiederholung iſt es verbraucht, entgeiſtet. Es wird daher, ſobald es mit der Prätenſion der Neuheit auftritt, lächerlich. In der Poeſie muß man es jedoch nicht zum Gemeinplatz rechnen, wenn zum Stoff ihrer Bilder immer wieder die großen Naturgegenſtände, Sonne, Meer, Berg, Wald, Blume u. ſ. w. oder die Griechiſchen Mythen genommen werden. Beide ſind einmal ewige Symbole ge¬ worden, in denen die gebildete Menſchheit ſich allverſtändlich ausdrückt. Wie die Natur und die Götter immer wieder ſchön und unergründlich ſind, ſo auch kann jener Bilderſtoff immer wieder anders gewendet und verjüngt werden. Haben nicht Schiller und Hölderlin die Griechiſche Mythe mit univerſellem Geiſte fortgedichtet und romantiſch beſeelt? Wenn Leſſing dem Gewöhnlichan das Ungewöhnliche entgegengeſetzt hat, ſo kann man dagegen zunächſt nichts er¬ innern, denn dieſe Unterſcheidung iſt nur erſt ein limitatives Urtheil. Wenn er nun aber das Gewöhnliche für das Natür¬ liche erklärt, ſo würde folgen, daß das Ungewöhnliche nicht natürlich ſein dürfte. „Wenn der Dichter nichts auf das Theater bringt, als was er in der einfachen Natur findet, ſo wird er ſeinen Zuſchauern nichts zu ſehen und zu hören geben, als was man alle Tage ſieht und hört. Wer beſucht

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/226>, abgerufen am 25.11.2024.