seine Kraft zuzuwenden. Auf eine Göttergestalt zu sinnen ist unendlich erhebender und genußreicher, als eine teuflische Frazze zu bilden. Allein der Künstler kann das Häßliche nicht immer vermeiden. Oft sogar bedarf er seiner als eines Durchgangspunctes in der Erscheinung der Idee und als einer Folie. Der Künstler vollends, der das Komische pro¬ ducirt, kann dem Häßlichen gar nicht ausweichen.
Von Seiten der Künste können jedoch hier nur die¬ jenigen herangezogen werden, die als freie sich selber Zweck und als theoretische für den Sinn des Auges und des Ohrs thätig sind. Die andern dem Dienst der praktischen Sinne des Gefühls, Geschmacks und Geruchs gewidmeten Künste bleiben hier ausgeschlossen. Herr von Rumohr in seinem Geist der Kochkunst, Anthus, in seinen interessanten Vor¬ lesungen über die Eßkunst, v. Vaerst in seinem geistvollen Werk über die Gastronomie, das vorzüglich in ethnographi¬ scher Hinsicht bleibenden Werth ansprechen darf, haben diese sybaritische Aesthetik auf eine hohe Stufe gehoben. Man kann sich aus diesen Arbeiten überzeugen, daß die allgemeinen Gesetze, die für das Schöne und Häßliche gelten, auch für die Aesthetik der guten Tafel, die Vielen die wichtigste ist, die nämlichen sind. Wir aber können uns hier nicht darauf einlassen. -- Daß eine Wissenschaft, wie die unsrige, den vollen Ernst des Gemüthes verlangt und daß man sie nicht mit Gründlichkeit zu behandeln vermag, wenn man bei ihr die gebrechliche Eleganz der Theetischästhetik zum Maaßstab machen und dem Cynischen und Scheußlichen zimperlich aus¬ weichen wollte, versteht sich von selbst, denn in diesem Fall müßte die Sache selbst unterbleiben. Die Aesthetik des Hä߬ lichen macht die Beschäftigung auch mit solchen Begriffen zur Pflicht, deren Besprechung oder auch nur Erwähnung,
ſeine Kraft zuzuwenden. Auf eine Göttergeſtalt zu ſinnen iſt unendlich erhebender und genußreicher, als eine teufliſche Frazze zu bilden. Allein der Künſtler kann das Häßliche nicht immer vermeiden. Oft ſogar bedarf er ſeiner als eines Durchgangspunctes in der Erſcheinung der Idee und als einer Folie. Der Künſtler vollends, der das Komiſche pro¬ ducirt, kann dem Häßlichen gar nicht ausweichen.
Von Seiten der Künſte können jedoch hier nur die¬ jenigen herangezogen werden, die als freie ſich ſelber Zweck und als theoretiſche für den Sinn des Auges und des Ohrs thätig ſind. Die andern dem Dienſt der praktiſchen Sinne des Gefühls, Geſchmacks und Geruchs gewidmeten Künſte bleiben hier ausgeſchloſſen. Herr von Rumohr in ſeinem Geiſt der Kochkunſt, Anthus, in ſeinen intereſſanten Vor¬ leſungen über die Eßkunſt, v. Vaerſt in ſeinem geiſtvollen Werk über die Gaſtronomie, das vorzüglich in ethnographi¬ ſcher Hinſicht bleibenden Werth anſprechen darf, haben dieſe ſybaritiſche Aeſthetik auf eine hohe Stufe gehoben. Man kann ſich aus dieſen Arbeiten überzeugen, daß die allgemeinen Geſetze, die für das Schöne und Häßliche gelten, auch für die Aeſthetik der guten Tafel, die Vielen die wichtigſte iſt, die nämlichen ſind. Wir aber können uns hier nicht darauf einlaſſen. — Daß eine Wiſſenſchaft, wie die unſrige, den vollen Ernſt des Gemüthes verlangt und daß man ſie nicht mit Gründlichkeit zu behandeln vermag, wenn man bei ihr die gebrechliche Eleganz der Theetiſchäſthetik zum Maaßſtab machen und dem Cyniſchen und Scheußlichen zimperlich aus¬ weichen wollte, verſteht ſich von ſelbſt, denn in dieſem Fall müßte die Sache ſelbſt unterbleiben. Die Aeſthetik des Hä߬ lichen macht die Beſchäftigung auch mit ſolchen Begriffen zur Pflicht, deren Beſprechung oder auch nur Erwähnung,
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ſeine Kraft zuzuwenden. Auf eine Göttergeſtalt zu ſinnen
iſt unendlich erhebender und genußreicher, als eine teufliſche
Frazze zu bilden. Allein der Künſtler kann das Häßliche
nicht immer vermeiden. Oft ſogar bedarf er ſeiner als eines
Durchgangspunctes in der Erſcheinung der Idee und als
einer Folie. Der Künſtler vollends, der das Komiſche pro¬
ducirt, kann dem Häßlichen gar nicht ausweichen.
Von Seiten der Künſte können jedoch hier nur die¬
jenigen herangezogen werden, die als freie ſich ſelber Zweck
und als theoretiſche für den Sinn des Auges und des Ohrs
thätig ſind. Die andern dem Dienſt der praktiſchen Sinne
des Gefühls, Geſchmacks und Geruchs gewidmeten Künſte
bleiben hier ausgeſchloſſen. Herr von Rumohr in ſeinem
Geiſt der Kochkunſt, Anthus, in ſeinen intereſſanten Vor¬
leſungen über die Eßkunſt, v. Vaerſt in ſeinem geiſtvollen
Werk über die Gaſtronomie, das vorzüglich in ethnographi¬
ſcher Hinſicht bleibenden Werth anſprechen darf, haben dieſe
ſybaritiſche Aeſthetik auf eine hohe Stufe gehoben. Man
kann ſich aus dieſen Arbeiten überzeugen, daß die allgemeinen
Geſetze, die für das Schöne und Häßliche gelten, auch für
die Aeſthetik der guten Tafel, die Vielen die wichtigſte iſt,
die nämlichen ſind. Wir aber können uns hier nicht darauf
einlaſſen. — Daß eine Wiſſenſchaft, wie die unſrige, den
vollen Ernſt des Gemüthes verlangt und daß man ſie nicht
mit Gründlichkeit zu behandeln vermag, wenn man bei ihr
die gebrechliche Eleganz der Theetiſchäſthetik zum Maaßſtab
machen und dem Cyniſchen und Scheußlichen zimperlich aus¬
weichen wollte, verſteht ſich von ſelbſt, denn in dieſem Fall
müßte die Sache ſelbſt unterbleiben. Die Aeſthetik des Hä߬
lichen macht die Beſchäftigung auch mit ſolchen Begriffen
zur Pflicht, deren Beſprechung oder auch nur Erwähnung,
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/28>, abgerufen am 23.11.2024.
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