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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Soll aber diese Zufälligkeit des empirisch-ästhetischen Urtheils
aus ihrer Unsicherheit und Unklarheit herausgehoben werden,
so bedarf sie sogleich der Kritik und damit der Vergegenwärti¬
gung der höchsten Principien. Das Gebiet des conventionell
Schönen, der Mode, ist voll von Erscheinungen, die, von
der Idee des Schönen aus beurtheilt, nur häßlich genannt
werden können und welche doch, temporär, für schön gelten,
nicht, weil sie es an und für sich wären, sondern nur,
weil der Geist einer Zeit gerade in diesen Formen den ange¬
messenen Ausdruck seiner Eigenthümlichkeit findet und sich an
sie gewöhnt. In der Mode kommt es dem Geist vor allen
Dingen darauf an, seiner Stimmung zu entsprechen, der auch
das Häßliche als Mittel der adäquaten Darstellung dienen
kann. Vergangene Moden, vornämlich die nächstvergangenen,
werden daher in der Regel als häßlich oder komisch verurtheilt,
weil der Wechsel der Stimmung sich nur in Gegensätzen
entwickeln kann. Die republicanischen Römer, welche die
Welt unterwarfen, rasirten sich. Noch Cäsar und Augustus
trugen keinen Bart und erst seit Hadrian's romantischer
Epoche, als das Reich immer mehr den andringenden Bar¬
baren zu erliegen begann, ward der reichliche Bart Mode,
als hätte man, im Gefühl seiner Schwäche, durch den Bart
sich die Gewißheit der Männlichkeit und Kühnheit geben
wollen. Die ästhetisch denkwürdigsten Metamorphosen der
Mode bietet uns die Geschichte der ersten Französischen Revo¬
lution dar. Sie sind vom Hauff philosophisch zerglie¬
dert worden (3).

Das Schöne ist also am Eingang die eine Grenze des
Häßlichen, das Komische am Ausgang die andere. Das
Schöne schließt das Häßliche von sich aus, das Komische
dagegen fraternisirt mit dem Häßlichen, nimmt ihm aber zu¬

Soll aber dieſe Zufälligkeit des empiriſch-äſthetiſchen Urtheils
aus ihrer Unſicherheit und Unklarheit herausgehoben werden,
ſo bedarf ſie ſogleich der Kritik und damit der Vergegenwärti¬
gung der höchſten Principien. Das Gebiet des conventionell
Schönen, der Mode, iſt voll von Erſcheinungen, die, von
der Idee des Schönen aus beurtheilt, nur häßlich genannt
werden können und welche doch, temporär, für ſchön gelten,
nicht, weil ſie es an und für ſich wären, ſondern nur,
weil der Geiſt einer Zeit gerade in dieſen Formen den ange¬
meſſenen Ausdruck ſeiner Eigenthümlichkeit findet und ſich an
ſie gewöhnt. In der Mode kommt es dem Geiſt vor allen
Dingen darauf an, ſeiner Stimmung zu entſprechen, der auch
das Häßliche als Mittel der adäquaten Darſtellung dienen
kann. Vergangene Moden, vornämlich die nächſtvergangenen,
werden daher in der Regel als häßlich oder komiſch verurtheilt,
weil der Wechſel der Stimmung ſich nur in Gegenſätzen
entwickeln kann. Die republicaniſchen Römer, welche die
Welt unterwarfen, raſirten ſich. Noch Cäſar und Auguſtus
trugen keinen Bart und erſt ſeit Hadrian's romantiſcher
Epoche, als das Reich immer mehr den andringenden Bar¬
baren zu erliegen begann, ward der reichliche Bart Mode,
als hätte man, im Gefühl ſeiner Schwäche, durch den Bart
ſich die Gewißheit der Männlichkeit und Kühnheit geben
wollen. Die äſthetiſch denkwürdigſten Metamorphoſen der
Mode bietet uns die Geſchichte der erſten Franzöſiſchen Revo¬
lution dar. Sie ſind vom Hauff philoſophiſch zerglie¬
dert worden (3).

Das Schöne iſt alſo am Eingang die eine Grenze des
Häßlichen, das Komiſche am Ausgang die andere. Das
Schöne ſchließt das Häßliche von ſich aus, das Komiſche
dagegen fraterniſirt mit dem Häßlichen, nimmt ihm aber zu¬

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[9/0031] Soll aber dieſe Zufälligkeit des empiriſch-äſthetiſchen Urtheils aus ihrer Unſicherheit und Unklarheit herausgehoben werden, ſo bedarf ſie ſogleich der Kritik und damit der Vergegenwärti¬ gung der höchſten Principien. Das Gebiet des conventionell Schönen, der Mode, iſt voll von Erſcheinungen, die, von der Idee des Schönen aus beurtheilt, nur häßlich genannt werden können und welche doch, temporär, für ſchön gelten, nicht, weil ſie es an und für ſich wären, ſondern nur, weil der Geiſt einer Zeit gerade in dieſen Formen den ange¬ meſſenen Ausdruck ſeiner Eigenthümlichkeit findet und ſich an ſie gewöhnt. In der Mode kommt es dem Geiſt vor allen Dingen darauf an, ſeiner Stimmung zu entſprechen, der auch das Häßliche als Mittel der adäquaten Darſtellung dienen kann. Vergangene Moden, vornämlich die nächſtvergangenen, werden daher in der Regel als häßlich oder komiſch verurtheilt, weil der Wechſel der Stimmung ſich nur in Gegenſätzen entwickeln kann. Die republicaniſchen Römer, welche die Welt unterwarfen, raſirten ſich. Noch Cäſar und Auguſtus trugen keinen Bart und erſt ſeit Hadrian's romantiſcher Epoche, als das Reich immer mehr den andringenden Bar¬ baren zu erliegen begann, ward der reichliche Bart Mode, als hätte man, im Gefühl ſeiner Schwäche, durch den Bart ſich die Gewißheit der Männlichkeit und Kühnheit geben wollen. Die äſthetiſch denkwürdigſten Metamorphoſen der Mode bietet uns die Geſchichte der erſten Franzöſiſchen Revo¬ lution dar. Sie ſind vom Hauff philoſophiſch zerglie¬ dert worden (3). Das Schöne iſt alſo am Eingang die eine Grenze des Häßlichen, das Komiſche am Ausgang die andere. Das Schöne ſchließt das Häßliche von ſich aus, das Komiſche dagegen fraterniſirt mit dem Häßlichen, nimmt ihm aber zu¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/31>, abgerufen am 23.11.2024.