die ganze Lage dieser Unglücklichen zu einer schlechthin ex¬ ceptionellen machten; welche die Qualen, mit denen der alte Francesco die Seinigen marterte, zu einer Hölle ohne Gleichen umschufen; welche die Entdeckung herbeiführten und welche den Papst vermochten, trotz der Verwendung so vieler angesehener Römer, ja selbst einiger Cardinäle, das Todesurtheil für Beatrice, Lucretia und Giacomo zu bestätigen. Shelley hat sich in diesen Puncten mit Andeu¬ tungen begnügen müssen, die namentlich den dritten Act, der den Entschluß Beatrice's zum Morde ihres Vaters motivirt, zu einem höchst peinlichen machen. Aus diesem nämlichen Grunde darf auch die Malerei uns manche Verbrechen nicht zur Anschauung bringen, die in dem epischen Vortrag noch möglich sind. Die Alten haben den Maler Timomachos gelobt, daß er den Ajax gemalt hat nach der blutigen Ra¬ serei seines Wahnsinns und die Medea vor der Vollbrin¬ gung des Mordes ihrer Kinder, wie auch eines der Her¬ culanischen Gemälde sie uns darstellt. Die Kinder sitzen unter der Aufsicht des Pädagogen Würfel spielend an einem Tisch, während sie finsterblickend, im Kampfe mit sich, seit¬ wärts steht, das verhängnißvolle Schwert in den Händen zuckend. Ist dem Maler vergönnt, eine Folge von Scenen darzustellen, die einander erklären helfen, so wird auch ihm eine gewisse Epik möglich, wie in den Schinkelschen von Cornelius ausgeführten Fresken in der Vorhalle des alten Berliner Museums oder in Hogarths Bilderreihe vom Lebenslauf des idle und des industrious prentice. Diese ist ein genrebildlicher Roman, in welchem wir die einzelnen Momente durch ihren Zusammenhang verstehen können. Hogarth nach seiner Manier, das Charakteristische auf die Spitze zu treiben, hat es auf der Seite des faulen Lehr¬
die ganze Lage dieſer Unglücklichen zu einer ſchlechthin ex¬ ceptionellen machten; welche die Qualen, mit denen der alte Francesco die Seinigen marterte, zu einer Hölle ohne Gleichen umſchufen; welche die Entdeckung herbeiführten und welche den Papſt vermochten, trotz der Verwendung ſo vieler angeſehener Römer, ja ſelbſt einiger Cardinäle, das Todesurtheil für Beatrice, Lucretia und Giacomo zu beſtätigen. Shelley hat ſich in dieſen Puncten mit Andeu¬ tungen begnügen müſſen, die namentlich den dritten Act, der den Entſchluß Beatrice's zum Morde ihres Vaters motivirt, zu einem höchſt peinlichen machen. Aus dieſem nämlichen Grunde darf auch die Malerei uns manche Verbrechen nicht zur Anſchauung bringen, die in dem epiſchen Vortrag noch möglich ſind. Die Alten haben den Maler Timomachos gelobt, daß er den Ajax gemalt hat nach der blutigen Ra¬ ſerei ſeines Wahnſinns und die Medea vor der Vollbrin¬ gung des Mordes ihrer Kinder, wie auch eines der Her¬ culaniſchen Gemälde ſie uns darſtellt. Die Kinder ſitzen unter der Aufſicht des Pädagogen Würfel ſpielend an einem Tiſch, während ſie finſterblickend, im Kampfe mit ſich, ſeit¬ wärts ſteht, das verhängnißvolle Schwert in den Händen zuckend. Iſt dem Maler vergönnt, eine Folge von Scenen darzuſtellen, die einander erklären helfen, ſo wird auch ihm eine gewiſſe Epik möglich, wie in den Schinkelſchen von Cornelius ausgeführten Fresken in der Vorhalle des alten Berliner Muſeums oder in Hogarths Bilderreihe vom Lebenslauf des idle und des industrious prentice. Dieſe iſt ein genrebildlicher Roman, in welchem wir die einzelnen Momente durch ihren Zuſammenhang verſtehen können. Hogarth nach ſeiner Manier, das Charakteriſtiſche auf die Spitze zu treiben, hat es auf der Seite des faulen Lehr¬
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die ganze Lage dieſer Unglücklichen zu einer ſchlechthin ex¬
ceptionellen machten; welche die Qualen, mit denen der alte
Francesco die Seinigen marterte, zu einer Hölle ohne
Gleichen umſchufen; welche die Entdeckung herbeiführten
und welche den Papſt vermochten, trotz der Verwendung
ſo vieler angeſehener Römer, ja ſelbſt einiger Cardinäle,
das Todesurtheil für Beatrice, Lucretia und Giacomo zu
beſtätigen. Shelley hat ſich in dieſen Puncten mit Andeu¬
tungen begnügen müſſen, die namentlich den dritten Act, der
den Entſchluß Beatrice's zum Morde ihres Vaters motivirt,
zu einem höchſt peinlichen machen. Aus dieſem nämlichen
Grunde darf auch die Malerei uns manche Verbrechen nicht
zur Anſchauung bringen, die in dem epiſchen Vortrag noch
möglich ſind. Die Alten haben den Maler Timomachos
gelobt, daß er den Ajax gemalt hat nach der blutigen Ra¬
ſerei ſeines Wahnſinns und die Medea vor der Vollbrin¬
gung des Mordes ihrer Kinder, wie auch eines der Her¬
culaniſchen Gemälde ſie uns darſtellt. Die Kinder ſitzen
unter der Aufſicht des Pädagogen Würfel ſpielend an einem
Tiſch, während ſie finſterblickend, im Kampfe mit ſich, ſeit¬
wärts ſteht, das verhängnißvolle Schwert in den Händen
zuckend. Iſt dem Maler vergönnt, eine Folge von Scenen
darzuſtellen, die einander erklären helfen, ſo wird auch ihm
eine gewiſſe Epik möglich, wie in den Schinkelſchen von
Cornelius ausgeführten Fresken in der Vorhalle des alten
Berliner Muſeums oder in Hogarths Bilderreihe vom
Lebenslauf des idle und des industrious prentice. Dieſe iſt
ein genrebildlicher Roman, in welchem wir die einzelnen
Momente durch ihren Zuſammenhang verſtehen können.
Hogarth nach ſeiner Manier, das Charakteriſtiſche auf die
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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