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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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eine unschädliche Posse, wie sie auch bei einem Falstaff,
einem Münchhausen und ähnlichen Figuren erscheint, wird
sie lächerlich. Benedix hat ein Lustspiel: das Lügen,
sehr glücklich darauf basirt, daß ein sehr wahrheitsliebender
Mann, der seine Braut auf einigen Lügen nach Weiberart
ertappt, endlich aus bloßer Caprice, das Lügen doch auch
einmal zu versuchen, eine höchst gleichgültig scheinende Un¬
wahrheit vorbringt. Aber dies Nichts, nämlich eines Abends
auf einem Schimmel nach einem Wäldchen zugeritten zu sein,
zieht die herbsten Consequenzen nach sich, so daß man ihn
sogar gefänglich einziehen will. Nun versichert er, jenen
Ritt blos erfunden zu haben, um doch zu sehen, ob denn das
Lügen eine solche Kunst sei, allein da man ihn stets als
den strengsten Freund der Wahrheit gekannt hat, so will
man ihm anfänglich schlechterdings nicht glauben, daß er
diesmal wirklich gelogen. Wenn Jemand durch einen leicht¬
sinnigen Hang, ohne Andern schaden zu wollen, lügt, wie
in Schmidts Lustspiel, der leichtsinnige Lügner, so erscheint
die Lüge mehr als ein Naturproduct, denn als ein mora¬
lisches Vergehen. Sie wird zu dem, was wir Temperaments¬
fehler nennen. -- Der Verrath, um komisch zu sein, muß
wie die Lüge behandelt werden, nämlich nur als eine schel¬
mische Verrätherei. Die Intrigue spielt einen Betrug, um
die Schwäche und Eitelkeit, die falsche Selbstgewißheit und
Heuchelei, in ihren eigenen Netzen zu fangen. Wenn
Madame Orgon ihren Gatten unter dem Tisch versteckt und
nun die zudringlichen Erklärungen des gleißnerischen Tar¬
tüffe
mit scheinbarer Empfänglichkeit aufnimmt, ihren Ge¬
mahl von der Schändlichkeit des Scheinfrommen zu über¬
zeugen, so erfreuen wir uns ethisch und ästhetisch an dieser
Entlarvung. Alte Vormünder, die des Vermögens halber

eine unſchädliche Poſſe, wie ſie auch bei einem Falſtaff,
einem Münchhauſen und ähnlichen Figuren erſcheint, wird
ſie lächerlich. Benedix hat ein Luſtſpiel: das Lügen,
ſehr glücklich darauf baſirt, daß ein ſehr wahrheitsliebender
Mann, der ſeine Braut auf einigen Lügen nach Weiberart
ertappt, endlich aus bloßer Caprice, das Lügen doch auch
einmal zu verſuchen, eine höchſt gleichgültig ſcheinende Un¬
wahrheit vorbringt. Aber dies Nichts, nämlich eines Abends
auf einem Schimmel nach einem Wäldchen zugeritten zu ſein,
zieht die herbſten Conſequenzen nach ſich, ſo daß man ihn
ſogar gefänglich einziehen will. Nun verſichert er, jenen
Ritt blos erfunden zu haben, um doch zu ſehen, ob denn das
Lügen eine ſolche Kunſt ſei, allein da man ihn ſtets als
den ſtrengſten Freund der Wahrheit gekannt hat, ſo will
man ihm anfänglich ſchlechterdings nicht glauben, daß er
diesmal wirklich gelogen. Wenn Jemand durch einen leicht¬
ſinnigen Hang, ohne Andern ſchaden zu wollen, lügt, wie
in Schmidts Luſtſpiel, der leichtſinnige Lügner, ſo erſcheint
die Lüge mehr als ein Naturproduct, denn als ein mora¬
liſches Vergehen. Sie wird zu dem, was wir Temperaments¬
fehler nennen. — Der Verrath, um komiſch zu ſein, muß
wie die Lüge behandelt werden, nämlich nur als eine ſchel¬
miſche Verrätherei. Die Intrigue ſpielt einen Betrug, um
die Schwäche und Eitelkeit, die falſche Selbſtgewißheit und
Heuchelei, in ihren eigenen Netzen zu fangen. Wenn
Madame Orgon ihren Gatten unter dem Tiſch verſteckt und
nun die zudringlichen Erklärungen des gleißneriſchen Tar¬
tüffe
mit ſcheinbarer Empfänglichkeit aufnimmt, ihren Ge¬
mahl von der Schändlichkeit des Scheinfrommen zu über¬
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[335/0357] eine unſchädliche Poſſe, wie ſie auch bei einem Falſtaff, einem Münchhauſen und ähnlichen Figuren erſcheint, wird ſie lächerlich. Benedix hat ein Luſtſpiel: das Lügen, ſehr glücklich darauf baſirt, daß ein ſehr wahrheitsliebender Mann, der ſeine Braut auf einigen Lügen nach Weiberart ertappt, endlich aus bloßer Caprice, das Lügen doch auch einmal zu verſuchen, eine höchſt gleichgültig ſcheinende Un¬ wahrheit vorbringt. Aber dies Nichts, nämlich eines Abends auf einem Schimmel nach einem Wäldchen zugeritten zu ſein, zieht die herbſten Conſequenzen nach ſich, ſo daß man ihn ſogar gefänglich einziehen will. Nun verſichert er, jenen Ritt blos erfunden zu haben, um doch zu ſehen, ob denn das Lügen eine ſolche Kunſt ſei, allein da man ihn ſtets als den ſtrengſten Freund der Wahrheit gekannt hat, ſo will man ihm anfänglich ſchlechterdings nicht glauben, daß er diesmal wirklich gelogen. Wenn Jemand durch einen leicht¬ ſinnigen Hang, ohne Andern ſchaden zu wollen, lügt, wie in Schmidts Luſtſpiel, der leichtſinnige Lügner, ſo erſcheint die Lüge mehr als ein Naturproduct, denn als ein mora¬ liſches Vergehen. Sie wird zu dem, was wir Temperaments¬ fehler nennen. — Der Verrath, um komiſch zu ſein, muß wie die Lüge behandelt werden, nämlich nur als eine ſchel¬ miſche Verrätherei. Die Intrigue ſpielt einen Betrug, um die Schwäche und Eitelkeit, die falſche Selbſtgewißheit und Heuchelei, in ihren eigenen Netzen zu fangen. Wenn Madame Orgon ihren Gatten unter dem Tiſch verſteckt und nun die zudringlichen Erklärungen des gleißneriſchen Tar¬ tüffe mit ſcheinbarer Empfänglichkeit aufnimmt, ihren Ge¬ mahl von der Schändlichkeit des Scheinfrommen zu über¬ zeugen, ſo erfreuen wir uns ethiſch und äſthetiſch an dieſer Entlarvung. Alte Vormünder, die des Vermögens halber

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/357>, abgerufen am 23.11.2024.