chen, sondern "die blaue Blume" überhaupt ist. Je ab¬ stracter, desto räthselhafter. Shelley's Frau hat denn doch wirklich tiefere Phantasieen. Wie groß tritt bei ihr die Vor¬ stellung in Frankenstein auf, durch die neue von ihm ins Dasein gerufene Race in dem menschlichen Geschlecht auf immer eine unaustilgliche Entzweiung zu begründen, nämlich zwischen dem gottgeschaffenen Naturmenschen und dem vom Calcul gemachten Kunstmenschen. Wie tief ist nicht die Nothwendigkeit motivirt, dem häßlichen Manne folgerichtig auch das häßliche Weib zuzueignen und mithin das Häßliche als Norm, als Ideal der Gattung zu setzen!
Wie leicht das Spukhafte in's Komische gewendet werden könne, ist auszuführen überflüssig, da die Satire auf die Gespensterseherei sich oft genug mit dieser Persiflage beschäftigt hat (78). Aber auch außerhalb der Satire hat die Kunst das Gespenstische und Spukige oft genug zur Be¬ reitung der lächerlichsten Verwicklungen benutzt, unter welchen der Schlußgesang von Byron's Dun Juan wohl die ele¬ ganteste, scenisch und psychologisch am Folgerechtesten durchge¬ führte Darstellung enthällt. Don Juan ist entschlossen, den Mönch zu sehen, der im Schlosse spuken soll. Ein alter¬ thümlich meublirtes, Gothisches Zimmer, Mondschein; zwei Pistolen auf dem Tisch; Mitternacht; sonderbares Rauschen auf dem Corridor; es nahet sich; er ist es, der Mönch! Zwei Feueraugen schauen aus einer verhüllten Kapuze. Don Juan springt auf; der Mönch weicht auf den dunklern Cor¬ ridor zurück; der Ritter folgt, ergreift das Phantom, ringt mit ihm -- und
Der Geist, -- so's einer war, -- schien süße Seele,
Süß wie sie je sich barg im Muschelhut, Mit Grübchenkinn und Schwanenhals, als stöhle
chen, ſondern „die blaue Blume“ überhaupt iſt. Je ab¬ ſtracter, deſto räthſelhafter. Shelley's Frau hat denn doch wirklich tiefere Phantaſieen. Wie groß tritt bei ihr die Vor¬ ſtellung in Frankenſtein auf, durch die neue von ihm ins Daſein gerufene Raçe in dem menſchlichen Geſchlecht auf immer eine unaustilgliche Entzweiung zu begründen, nämlich zwiſchen dem gottgeſchaffenen Naturmenſchen und dem vom Calcul gemachten Kunſtmenſchen. Wie tief iſt nicht die Nothwendigkeit motivirt, dem häßlichen Manne folgerichtig auch das häßliche Weib zuzueignen und mithin das Häßliche als Norm, als Ideal der Gattung zu ſetzen!
Wie leicht das Spukhafte in's Komiſche gewendet werden könne, iſt auszuführen überflüſſig, da die Satire auf die Geſpenſterſeherei ſich oft genug mit dieſer Perſiflage beſchäftigt hat (78). Aber auch außerhalb der Satire hat die Kunſt das Geſpenſtiſche und Spukige oft genug zur Be¬ reitung der lächerlichſten Verwicklungen benutzt, unter welchen der Schlußgeſang von Byron's Dun Juan wohl die ele¬ ganteſte, ſceniſch und pſychologiſch am Folgerechteſten durchge¬ führte Darſtellung enthällt. Don Juan iſt entſchloſſen, den Mönch zu ſehen, der im Schloſſe ſpuken ſoll. Ein alter¬ thümlich meublirtes, Gothiſches Zimmer, Mondſchein; zwei Piſtolen auf dem Tiſch; Mitternacht; ſonderbares Rauſchen auf dem Corridor; es nahet ſich; er iſt es, der Mönch! Zwei Feueraugen ſchauen aus einer verhüllten Kapuze. Don Juan ſpringt auf; der Mönch weicht auf den dunklern Cor¬ ridor zurück; der Ritter folgt, ergreift das Phantom, ringt mit ihm — und
Der Geiſt, — ſo's einer war, — ſchien ſüße Seele,
Süß wie ſie je ſich barg im Muſchelhut, Mit Grübchenkinn und Schwanenhals, als ſtöhle
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chen, ſondern „die blaue Blume“ überhaupt iſt. Je ab¬
ſtracter, deſto räthſelhafter. Shelley's Frau hat denn doch
wirklich tiefere Phantaſieen. Wie groß tritt bei ihr die Vor¬
ſtellung in Frankenſtein auf, durch die neue von ihm ins
Daſein gerufene Raçe in dem menſchlichen Geſchlecht auf
immer eine unaustilgliche Entzweiung zu begründen, nämlich
zwiſchen dem gottgeſchaffenen Naturmenſchen und dem vom
Calcul gemachten Kunſtmenſchen. Wie tief iſt nicht die
Nothwendigkeit motivirt, dem häßlichen Manne folgerichtig
auch das häßliche Weib zuzueignen und mithin das Häßliche
als Norm, als Ideal der Gattung zu ſetzen!
Wie leicht das Spukhafte in's Komiſche gewendet
werden könne, iſt auszuführen überflüſſig, da die Satire
auf die Geſpenſterſeherei ſich oft genug mit dieſer Perſiflage
beſchäftigt hat (78). Aber auch außerhalb der Satire hat
die Kunſt das Geſpenſtiſche und Spukige oft genug zur Be¬
reitung der lächerlichſten Verwicklungen benutzt, unter welchen
der Schlußgeſang von Byron's Dun Juan wohl die ele¬
ganteſte, ſceniſch und pſychologiſch am Folgerechteſten durchge¬
führte Darſtellung enthällt. Don Juan iſt entſchloſſen, den
Mönch zu ſehen, der im Schloſſe ſpuken ſoll. Ein alter¬
thümlich meublirtes, Gothiſches Zimmer, Mondſchein; zwei
Piſtolen auf dem Tiſch; Mitternacht; ſonderbares Rauſchen
auf dem Corridor; es nahet ſich; er iſt es, der Mönch!
Zwei Feueraugen ſchauen aus einer verhüllten Kapuze. Don
Juan ſpringt auf; der Mönch weicht auf den dunklern Cor¬
ridor zurück; der Ritter folgt, ergreift das Phantom, ringt
mit ihm — und
Der Geiſt, — ſo's einer war, — ſchien ſüße Seele,
Süß wie ſie je ſich barg im Muſchelhut,
Mit Grübchenkinn und Schwanenhals, als ſtöhle
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/374>, abgerufen am 24.11.2024.
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