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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Qualität des Quantums an, weil zwischen der Qualität und
Quantität ein inneres Verhältniß besteht. Die Qualität ist
selber die Grenze der Quantität. Wir finden es daher lächer¬
lich, wenn eine Qualität in ihrer Einfachheit einen Compa¬
ratio haben soll. Relativ kann sie allerdings Grade in sich
schließen, allein absolut kann sie nur Eine sein. Gold als
solches kann nicht goldener, Marmor nicht marmorner, die
Allwissenheit nicht allwissender, ein Dreieck nicht noch drei¬
eckiger sein u. s. w. Jener Sonntagsjäger kommt zu einem
Krämer, Schrot zu kaufen. Dieser bietet ihm mehrere
Sorten an; eine viel theurer, aber auch vorzüglicher. Dieser
graduelle Unterschied ist hier möglich. Empfiehlt der Krämer
nun aber eine Sorte besonders aus dem Grunde, weil sie
todter schieße, so ist dieser Comparativ lächerlich, denn
todter als todt kann nichts Todtes sein. Es kommt aber
sogleich auf die nähern Umstände an, diesen hier lächerlichen
Comparativ auch in ganz anderm Lichte erscheinen zu lassen.
Wenn bei den Russen, weil bei ihnen die Todesstrafe abge¬
schafft ist, ein Mensch zu einigen tausend Hieben verurtheilt
wird und die Soldaten endlich nur noch auf einen Leichnam
schlagen, der auf einem Armensünderkarren durch ihre Reihen
gezogen wird, so ist dies zu Tode prügeln eines Todten,
nur um die Strafe vollständig zu vollstrecken, gewiß nicht
lächerlich. Die Uebertreibung als Vergrößerung und Ver¬
stärkung, als Verkleinerung und Verschwächung überhaupt,
ist daher noch keine Carikirung. Die athletische Steigerung
der Körperkraft ist so wenig eine Verzerrung, als die hin¬
schwindende Kraft eines Siechen. Ein Vermögen von Roth¬
schildeschem Umfang ist so wenig eine Caricatnr, als eine
große Schuldenlast. Swifts Riesenmenschen von Brobdignac
und seine Zwergmenschen von Liliput sind phantastische Ge¬

Qualität des Quantums an, weil zwiſchen der Qualität und
Quantität ein inneres Verhältniß beſteht. Die Qualität iſt
ſelber die Grenze der Quantität. Wir finden es daher lächer¬
lich, wenn eine Qualität in ihrer Einfachheit einen Compa¬
ratio haben ſoll. Relativ kann ſie allerdings Grade in ſich
ſchließen, allein abſolut kann ſie nur Eine ſein. Gold als
ſolches kann nicht goldener, Marmor nicht marmorner, die
Allwiſſenheit nicht allwiſſender, ein Dreieck nicht noch drei¬
eckiger ſein u. ſ. w. Jener Sonntagsjäger kommt zu einem
Krämer, Schrot zu kaufen. Dieſer bietet ihm mehrere
Sorten an; eine viel theurer, aber auch vorzüglicher. Dieſer
graduelle Unterſchied iſt hier möglich. Empfiehlt der Krämer
nun aber eine Sorte beſonders aus dem Grunde, weil ſie
todter ſchieße, ſo iſt dieſer Comparativ lächerlich, denn
todter als todt kann nichts Todtes ſein. Es kommt aber
ſogleich auf die nähern Umſtände an, dieſen hier lächerlichen
Comparativ auch in ganz anderm Lichte erſcheinen zu laſſen.
Wenn bei den Ruſſen, weil bei ihnen die Todesſtrafe abge¬
ſchafft iſt, ein Menſch zu einigen tauſend Hieben verurtheilt
wird und die Soldaten endlich nur noch auf einen Leichnam
ſchlagen, der auf einem Armenſünderkarren durch ihre Reihen
gezogen wird, ſo iſt dies zu Tode prügeln eines Todten,
nur um die Strafe vollſtändig zu vollſtrecken, gewiß nicht
lächerlich. Die Uebertreibung als Vergrößerung und Ver¬
ſtärkung, als Verkleinerung und Verſchwächung überhaupt,
iſt daher noch keine Carikirung. Die athletiſche Steigerung
der Körperkraft iſt ſo wenig eine Verzerrung, als die hin¬
ſchwindende Kraft eines Siechen. Ein Vermögen von Roth¬
ſchildeſchem Umfang iſt ſo wenig eine Caricatnr, als eine
große Schuldenlaſt. Swifts Rieſenmenſchen von Brobdignac
und ſeine Zwergmenſchen von Liliput ſind phantaſtiſche Ge¬

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[388/0410] Qualität des Quantums an, weil zwiſchen der Qualität und Quantität ein inneres Verhältniß beſteht. Die Qualität iſt ſelber die Grenze der Quantität. Wir finden es daher lächer¬ lich, wenn eine Qualität in ihrer Einfachheit einen Compa¬ ratio haben ſoll. Relativ kann ſie allerdings Grade in ſich ſchließen, allein abſolut kann ſie nur Eine ſein. Gold als ſolches kann nicht goldener, Marmor nicht marmorner, die Allwiſſenheit nicht allwiſſender, ein Dreieck nicht noch drei¬ eckiger ſein u. ſ. w. Jener Sonntagsjäger kommt zu einem Krämer, Schrot zu kaufen. Dieſer bietet ihm mehrere Sorten an; eine viel theurer, aber auch vorzüglicher. Dieſer graduelle Unterſchied iſt hier möglich. Empfiehlt der Krämer nun aber eine Sorte beſonders aus dem Grunde, weil ſie todter ſchieße, ſo iſt dieſer Comparativ lächerlich, denn todter als todt kann nichts Todtes ſein. Es kommt aber ſogleich auf die nähern Umſtände an, dieſen hier lächerlichen Comparativ auch in ganz anderm Lichte erſcheinen zu laſſen. Wenn bei den Ruſſen, weil bei ihnen die Todesſtrafe abge¬ ſchafft iſt, ein Menſch zu einigen tauſend Hieben verurtheilt wird und die Soldaten endlich nur noch auf einen Leichnam ſchlagen, der auf einem Armenſünderkarren durch ihre Reihen gezogen wird, ſo iſt dies zu Tode prügeln eines Todten, nur um die Strafe vollſtändig zu vollſtrecken, gewiß nicht lächerlich. Die Uebertreibung als Vergrößerung und Ver¬ ſtärkung, als Verkleinerung und Verſchwächung überhaupt, iſt daher noch keine Carikirung. Die athletiſche Steigerung der Körperkraft iſt ſo wenig eine Verzerrung, als die hin¬ ſchwindende Kraft eines Siechen. Ein Vermögen von Roth¬ ſchildeſchem Umfang iſt ſo wenig eine Caricatnr, als eine große Schuldenlaſt. Swifts Rieſenmenſchen von Brobdignac und ſeine Zwergmenſchen von Liliput ſind phantaſtiſche Ge¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/410>, abgerufen am 21.11.2024.