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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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macht nun aber nicht sie allein, sondern auch das Gesicht,
dem sie angehört, zur Caricatur, wie Grandville in den
petites miseres de la vie humaine die socialen Verlegen¬
heiten einer solchen Großnase sehr ergötzlich gezeichnet hat. --
Die Uebertreibung wird also zur Disproportion führen müssen.
Allein auch hier ist noch wieder eine Beschränkung erforder¬
lich. Ein bloßes Mißverhältniß nämlich könnte auch nur
eine einfache Häßlichkeit zur Folge haben, die aber noch
keineswegs eine Caricatur zu nennen wäre. Alles Gemeine,
alles Widrige würde dann schon auf diese Benennung An¬
spruch machen dürfen, weil es doch im Allgemeinen eine
Verzerrung des Schönen. Daß im Leben so gesprochen
und auch das einfach Häßliche schon Caricatur gescholten
wird, ist kein Grund, innerhalb der Wissenschaft den Begriff
nicht strenger zu fassen. Hier kann nur diejenige Mißform
Caricatur heißen, die sich in einen bestimmten positiven Ge¬
gensatz reflectirt und seine Formen ins Häßliche verbildet.
Aber nicht eine vereinzelte Anomalie, Regellosigkeit, Mi߬
beziehung reicht dazu hin, vielmehr muß die Uebertreibung,
welche die Gestalt verzerrt, als eine dynamisch wirkende die
Totalität derselben in Mitleidenschaft ziehen. Ihre Desor¬
ganisation muß organisch werden.

Dieser Begriff ist das Geheimniß der Erzeugung der
Caricatur. In ihrer Disharmonie entsteht durch die falsche
Sucht
eines Momentes des Ganzen doch wieder eine ge¬
wisse Harmonie. Die so zu sagen verrückte Tendenz des
einen Punctes durchschleicht auch die übrigen Theile. Es
bildet sich ein falscher Schwerpunct, nach welchem hin Alles
in der Gestalt zu gravitiren beginnt und damit eine mehr
oder weniger durchgreifende Verzerrung des Ganzen hervor¬
bringt. Diese nach Einer verkehrten Richtung hin thätige

macht nun aber nicht ſie allein, ſondern auch das Geſicht,
dem ſie angehört, zur Caricatur, wie Grandville in den
petites misères de la vie humaine die ſocialen Verlegen¬
heiten einer ſolchen Großnaſe ſehr ergötzlich gezeichnet hat. —
Die Uebertreibung wird alſo zur Disproportion führen müſſen.
Allein auch hier iſt noch wieder eine Beſchränkung erforder¬
lich. Ein bloßes Mißverhältniß nämlich könnte auch nur
eine einfache Häßlichkeit zur Folge haben, die aber noch
keineswegs eine Caricatur zu nennen wäre. Alles Gemeine,
alles Widrige würde dann ſchon auf dieſe Benennung An¬
ſpruch machen dürfen, weil es doch im Allgemeinen eine
Verzerrung des Schönen. Daß im Leben ſo geſprochen
und auch das einfach Häßliche ſchon Caricatur geſcholten
wird, iſt kein Grund, innerhalb der Wiſſenſchaft den Begriff
nicht ſtrenger zu faſſen. Hier kann nur diejenige Mißform
Caricatur heißen, die ſich in einen beſtimmten poſitiven Ge¬
genſatz reflectirt und ſeine Formen ins Häßliche verbildet.
Aber nicht eine vereinzelte Anomalie, Regelloſigkeit, Mi߬
beziehung reicht dazu hin, vielmehr muß die Uebertreibung,
welche die Geſtalt verzerrt, als eine dynamiſch wirkende die
Totalität derſelben in Mitleidenſchaft ziehen. Ihre Desor¬
ganiſation muß organiſch werden.

Dieſer Begriff iſt das Geheimniß der Erzeugung der
Caricatur. In ihrer Disharmonie entſteht durch die falſche
Sucht
eines Momentes des Ganzen doch wieder eine ge¬
wiſſe Harmonie. Die ſo zu ſagen verrückte Tendenz des
einen Punctes durchſchleicht auch die übrigen Theile. Es
bildet ſich ein falſcher Schwerpunct, nach welchem hin Alles
in der Geſtalt zu gravitiren beginnt und damit eine mehr
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[390/0412] macht nun aber nicht ſie allein, ſondern auch das Geſicht, dem ſie angehört, zur Caricatur, wie Grandville in den petites misères de la vie humaine die ſocialen Verlegen¬ heiten einer ſolchen Großnaſe ſehr ergötzlich gezeichnet hat. — Die Uebertreibung wird alſo zur Disproportion führen müſſen. Allein auch hier iſt noch wieder eine Beſchränkung erforder¬ lich. Ein bloßes Mißverhältniß nämlich könnte auch nur eine einfache Häßlichkeit zur Folge haben, die aber noch keineswegs eine Caricatur zu nennen wäre. Alles Gemeine, alles Widrige würde dann ſchon auf dieſe Benennung An¬ ſpruch machen dürfen, weil es doch im Allgemeinen eine Verzerrung des Schönen. Daß im Leben ſo geſprochen und auch das einfach Häßliche ſchon Caricatur geſcholten wird, iſt kein Grund, innerhalb der Wiſſenſchaft den Begriff nicht ſtrenger zu faſſen. Hier kann nur diejenige Mißform Caricatur heißen, die ſich in einen beſtimmten poſitiven Ge¬ genſatz reflectirt und ſeine Formen ins Häßliche verbildet. Aber nicht eine vereinzelte Anomalie, Regelloſigkeit, Mi߬ beziehung reicht dazu hin, vielmehr muß die Uebertreibung, welche die Geſtalt verzerrt, als eine dynamiſch wirkende die Totalität derſelben in Mitleidenſchaft ziehen. Ihre Desor¬ ganiſation muß organiſch werden. Dieſer Begriff iſt das Geheimniß der Erzeugung der Caricatur. In ihrer Disharmonie entſteht durch die falſche Sucht eines Momentes des Ganzen doch wieder eine ge¬ wiſſe Harmonie. Die ſo zu ſagen verrückte Tendenz des einen Punctes durchſchleicht auch die übrigen Theile. Es bildet ſich ein falſcher Schwerpunct, nach welchem hin Alles in der Geſtalt zu gravitiren beginnt und damit eine mehr oder weniger durchgreifende Verzerrung des Ganzen hervor¬ bringt. Dieſe nach Einer verkehrten Richtung hin thätige

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/412>, abgerufen am 22.11.2024.