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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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entschließen, doch so, daß ich dabei ein wenig aufrichtiger, als die Ue¬
brigen, zu Werke ginge. Denn ich sage doch wenigstens die Eine
Wahrheit; ich lüge. Durch dieses freie Geständniß hoffe ich allen
Vorwürfen wegen des Inhalts meiner Geschichte zu entgehen. So er¬
kläre ich denn feierlich: Ich schreibe von Dingen, die ich weder selbst
gesehen, noch erfahren, noch von Andern gehört habe, und die eben
so wenig wirklich, als je möglich sind. Nun glaube sie, wer
Lust hat!"

(31) S. 149. Kant in der Kritik der Urtheilskraft, Analytik
des Schönen, §. 17., vom Ideal, unterscheidet zwischen diesen und
der Normalidee. "Diese ist nicht aus von der Erfahrung herge¬
nommenen Proportionen als bestimmten Regeln abgeleitet, sondern
nach ihr werden allererst Regeln der Beurtheilung möglich. Sie ist
das zwischen allen einzelnen, auf mancherlei Weise verschiedenen, An¬
schauungen der Individuen schwebende Bild für die ganze Gattung,
welches die Natur zum Urbilde ihren Erzeugungen in derselben Species
unterlegte, aber in keinem Einzelnen völlig erreicht zu haben scheint.
Sie ist keineswegs das Urbild der Schönheit in dieser Gattung,
sondern nur die Form, welche die unnachlaßliche Bedingung aller
Schönheit ausmacht, mithin blos die Richtigkeit in Darstellung
der Gattung."

(32) S. 156. Dr. Franz Kugler: Ueber die Polychromie der
Griechischen Architektur und Sculptur und ihre Grenzen Berlin
1835. 4.

(33) S. 161. S. H. Ulrici: Ueber Shakespeare's dra¬
matische Kunst. Halle 1839, S. 146 und 174.

(34) S. 163. S. die Einleitung zu Genthe's Geschichte
der Macaronischen Poesie und Sammlung ihrer vorzüglichsten Denkmale.
Halle
1829.

(35a) S. 168. Weiße: System der Aesthetik, l, S. 177.
S. 178. sagt er: "Dafern die abstracten Bestimmungen, wie Schön¬
heit, Häßlichkeit u. s. w. überhaupt nicht ganz leer bleiben, sondern
etwas bedeuten sollen, so müssen sie auch in diese Stellung des Wider¬
spruchs unter einander gebracht weiden, damit durch jene Abstraction
nicht ihre dialektische Wahrheit und Lebendigkeit verloren gehe."

(35b) S. 172. Ich werde aus dem artiger, als Voß,
übersetzenden Droysen die Stelle beibringen:

-- -- -- es pocht ja schon
Gevatter Stuhlgang brummend an die Hinterthür --
Dies Unterröckchen muß ich nehmen von meiner Frau,
Einfahren schnell in ihre Perserpantöffelchen!

(Steht auf, zieht sich die Weiberkleidung an).

entſchließen, doch ſo, daß ich dabei ein wenig aufrichtiger, als die Ue¬
brigen, zu Werke ginge. Denn ich ſage doch wenigſtens die Eine
Wahrheit; ich lüge. Durch dieſes freie Geſtändniß hoffe ich allen
Vorwürfen wegen des Inhalts meiner Geſchichte zu entgehen. So er¬
kläre ich denn feierlich: Ich ſchreibe von Dingen, die ich weder ſelbſt
geſehen, noch erfahren, noch von Andern gehört habe, und die eben
ſo wenig wirklich, als je möglich ſind. Nun glaube ſie, wer
Luſt hat!“

(31) S. 149. Kant in der Kritik der Urtheilskraft, Analytik
des Schönen, §. 17., vom Ideal, unterſcheidet zwiſchen dieſen und
der Normalidee. „Dieſe iſt nicht aus von der Erfahrung herge¬
nommenen Proportionen als beſtimmten Regeln abgeleitet, ſondern
nach ihr werden allererſt Regeln der Beurtheilung möglich. Sie iſt
das zwiſchen allen einzelnen, auf mancherlei Weiſe verſchiedenen, An¬
ſchauungen der Individuen ſchwebende Bild für die ganze Gattung,
welches die Natur zum Urbilde ihren Erzeugungen in derſelben Species
unterlegte, aber in keinem Einzelnen völlig erreicht zu haben ſcheint.
Sie iſt keineswegs das Urbild der Schönheit in dieſer Gattung,
ſondern nur die Form, welche die unnachlaßliche Bedingung aller
Schönheit ausmacht, mithin blos die Richtigkeit in Darſtellung
der Gattung.“

(32) S. 156. Dr. Franz Kugler: Ueber die Polychromie der
Griechischen Architektur und Sculptur und ihre Grenzen Berlin
1835. 4.

(33) S. 161. S. H. Ulrici: Ueber Shakeſpeare's dra¬
matiſche Kunſt. Halle 1839, S. 146 und 174.

(34) S. 163. S. die Einleitung zu Genthe's Geschichte
der Macaronischen Poesie und Sammlung ihrer vorzüglichsten Denkmale.
Halle
1829.

(35a) S. 168. Weiße: Syſtem der Aeſthetik, l, S. 177.
S. 178. ſagt er: „Dafern die abſtracten Beſtimmungen, wie Schön¬
heit, Häßlichkeit u. ſ. w. überhaupt nicht ganz leer bleiben, ſondern
etwas bedeuten ſollen, ſo müſſen ſie auch in dieſe Stellung des Wider¬
ſpruchs unter einander gebracht weiden, damit durch jene Abſtraction
nicht ihre dialektiſche Wahrheit und Lebendigkeit verloren gehe.“

(35b) S. 172. Ich werde aus dem artiger, als Voß,
überſetzenden Droyſen die Stelle beibringen:

— — — es pocht ja ſchon
Gevatter Stuhlgang brummend an die Hinterthür —
Dies Unterröckchen muß ich nehmen von meiner Frau,
Einfahren ſchnell in ihre Perſerpantöffelchen!

(Steht auf, zieht ſich die Weiberkleidung an).

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[446/0468] entſchließen, doch ſo, daß ich dabei ein wenig aufrichtiger, als die Ue¬ brigen, zu Werke ginge. Denn ich ſage doch wenigſtens die Eine Wahrheit; ich lüge. Durch dieſes freie Geſtändniß hoffe ich allen Vorwürfen wegen des Inhalts meiner Geſchichte zu entgehen. So er¬ kläre ich denn feierlich: Ich ſchreibe von Dingen, die ich weder ſelbſt geſehen, noch erfahren, noch von Andern gehört habe, und die eben ſo wenig wirklich, als je möglich ſind. Nun glaube ſie, wer Luſt hat!“ (31) S. 149. Kant in der Kritik der Urtheilskraft, Analytik des Schönen, §. 17., vom Ideal, unterſcheidet zwiſchen dieſen und der Normalidee. „Dieſe iſt nicht aus von der Erfahrung herge¬ nommenen Proportionen als beſtimmten Regeln abgeleitet, ſondern nach ihr werden allererſt Regeln der Beurtheilung möglich. Sie iſt das zwiſchen allen einzelnen, auf mancherlei Weiſe verſchiedenen, An¬ ſchauungen der Individuen ſchwebende Bild für die ganze Gattung, welches die Natur zum Urbilde ihren Erzeugungen in derſelben Species unterlegte, aber in keinem Einzelnen völlig erreicht zu haben ſcheint. Sie iſt keineswegs das Urbild der Schönheit in dieſer Gattung, ſondern nur die Form, welche die unnachlaßliche Bedingung aller Schönheit ausmacht, mithin blos die Richtigkeit in Darſtellung der Gattung.“ (32) S. 156. Dr. Franz Kugler: Ueber die Polychromie der Griechischen Architektur und Sculptur und ihre Grenzen Berlin 1835. 4. (33) S. 161. S. H. Ulrici: Ueber Shakeſpeare's dra¬ matiſche Kunſt. Halle 1839, S. 146 und 174. (34) S. 163. S. die Einleitung zu Genthe's Geschichte der Macaronischen Poesie und Sammlung ihrer vorzüglichsten Denkmale. Halle 1829. (35a) S. 168. Weiße: Syſtem der Aeſthetik, l, S. 177. S. 178. ſagt er: „Dafern die abſtracten Beſtimmungen, wie Schön¬ heit, Häßlichkeit u. ſ. w. überhaupt nicht ganz leer bleiben, ſondern etwas bedeuten ſollen, ſo müſſen ſie auch in dieſe Stellung des Wider¬ ſpruchs unter einander gebracht weiden, damit durch jene Abſtraction nicht ihre dialektiſche Wahrheit und Lebendigkeit verloren gehe.“ (35b) S. 172. Ich werde aus dem artiger, als Voß, überſetzenden Droyſen die Stelle beibringen: — — — es pocht ja ſchon Gevatter Stuhlgang brummend an die Hinterthür — Dies Unterröckchen muß ich nehmen von meiner Frau, Einfahren ſchnell in ihre Perſerpantöffelchen! (Steht auf, zieht ſich die Weiberkleidung an).

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/468>, abgerufen am 21.11.2024.