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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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verrathen und ein Durcheinander verschiedenartiger Baustyle
aus verschiedenen Jahrhunderten wird nicht sowohl einen
häßlichen, als einen phantastisch imposanten Eindruck machen.

Auch die Sculptur beschränkt das Häßliche durch die
Sprödigkeit und Kostbarkeit ihres Materials außerordentlich.
Es versteht sich von selbst, daß, wie ja die schreiendsten That¬
sachen bekunden, auch die jämmerlichsten Statuen gemeißelt
und gegossen werden können, allein die Kostspieligkeit des
Stoffs und die Mühsamkeit der Arbeit werden immerhin den
productiven Leichtsinn zügeln. Ein Carrarischer Marmorblock
oder altes Kanonengut zu einer Statue ist nicht so wohl¬
feil zu haben. Nur sehr langsam weicht der Block den
tausenden von Hammerschlägen; nur in sehr verwickelter oft
Jahre in Anspruch nehmender Procedur wird das Erz der
Form eingegossen und dann noch Monate auf Monate cise¬
lirt. Daher ist auch in keiner Kunst die Tradition so
mächtig, als in der Sculptur. Das Neue wagt sich seltener
hervor, weil beim Mißlingen zu viel auf dem Spiele steht.
Ein in Stein ausgehauener, ein in Bronze ausgegossener
Fehler sind in ihrer plastischen Realität viel auffallender, als
wenn sie nur gezeichnet oder gemalt wären. Dazu kommt,
daß keine Kunst vermöge der Idealität, zu welcher das
Beharren ihrer Formen drängt, eine so geringe Neiglichkeit
hat, das Negative in Krankheit, Schmerz und Bosheit
darzustellen.

Die Malerei dagegen ist unter den bildenden Künsten
dem Verfall in's Häßliche am meisten preisgegeben, weil sie
die individuelle Lebendigkeit und den Schein der Perspektive
vorzutäuschen hat. Die Bildhauerei kann in der Gestalt,
Stellung und Drapperie einzelne kleinere, selbst größere Feh¬
ler bei einer Statue machen und doch noch ganz Achtungs¬

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 4

verrathen und ein Durcheinander verſchiedenartiger Bauſtyle
aus verſchiedenen Jahrhunderten wird nicht ſowohl einen
häßlichen, als einen phantaſtiſch impoſanten Eindruck machen.

Auch die Sculptur beſchränkt das Häßliche durch die
Sprödigkeit und Koſtbarkeit ihres Materials außerordentlich.
Es verſteht ſich von ſelbſt, daß, wie ja die ſchreiendſten That¬
ſachen bekunden, auch die jämmerlichſten Statuen gemeißelt
und gegoſſen werden können, allein die Koſtſpieligkeit des
Stoffs und die Mühſamkeit der Arbeit werden immerhin den
productiven Leichtſinn zügeln. Ein Carrariſcher Marmorblock
oder altes Kanonengut zu einer Statue iſt nicht ſo wohl¬
feil zu haben. Nur ſehr langſam weicht der Block den
tauſenden von Hammerſchlägen; nur in ſehr verwickelter oft
Jahre in Anſpruch nehmender Procedur wird das Erz der
Form eingegoſſen und dann noch Monate auf Monate ciſe¬
lirt. Daher iſt auch in keiner Kunſt die Tradition ſo
mächtig, als in der Sculptur. Das Neue wagt ſich ſeltener
hervor, weil beim Mißlingen zu viel auf dem Spiele ſteht.
Ein in Stein ausgehauener, ein in Bronze ausgegoſſener
Fehler ſind in ihrer plaſtiſchen Realität viel auffallender, als
wenn ſie nur gezeichnet oder gemalt wären. Dazu kommt,
daß keine Kunſt vermöge der Idealität, zu welcher das
Beharren ihrer Formen drängt, eine ſo geringe Neiglichkeit
hat, das Negative in Krankheit, Schmerz und Bosheit
darzuſtellen.

Die Malerei dagegen iſt unter den bildenden Künſten
dem Verfall in's Häßliche am meiſten preisgegeben, weil ſie
die individuelle Lebendigkeit und den Schein der Perſpektive
vorzutäuſchen hat. Die Bildhauerei kann in der Geſtalt,
Stellung und Drapperie einzelne kleinere, ſelbſt größere Feh¬
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[49/0071] verrathen und ein Durcheinander verſchiedenartiger Bauſtyle aus verſchiedenen Jahrhunderten wird nicht ſowohl einen häßlichen, als einen phantaſtiſch impoſanten Eindruck machen. Auch die Sculptur beſchränkt das Häßliche durch die Sprödigkeit und Koſtbarkeit ihres Materials außerordentlich. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß, wie ja die ſchreiendſten That¬ ſachen bekunden, auch die jämmerlichſten Statuen gemeißelt und gegoſſen werden können, allein die Koſtſpieligkeit des Stoffs und die Mühſamkeit der Arbeit werden immerhin den productiven Leichtſinn zügeln. Ein Carrariſcher Marmorblock oder altes Kanonengut zu einer Statue iſt nicht ſo wohl¬ feil zu haben. Nur ſehr langſam weicht der Block den tauſenden von Hammerſchlägen; nur in ſehr verwickelter oft Jahre in Anſpruch nehmender Procedur wird das Erz der Form eingegoſſen und dann noch Monate auf Monate ciſe¬ lirt. Daher iſt auch in keiner Kunſt die Tradition ſo mächtig, als in der Sculptur. Das Neue wagt ſich ſeltener hervor, weil beim Mißlingen zu viel auf dem Spiele ſteht. Ein in Stein ausgehauener, ein in Bronze ausgegoſſener Fehler ſind in ihrer plaſtiſchen Realität viel auffallender, als wenn ſie nur gezeichnet oder gemalt wären. Dazu kommt, daß keine Kunſt vermöge der Idealität, zu welcher das Beharren ihrer Formen drängt, eine ſo geringe Neiglichkeit hat, das Negative in Krankheit, Schmerz und Bosheit darzuſtellen. Die Malerei dagegen iſt unter den bildenden Künſten dem Verfall in's Häßliche am meiſten preisgegeben, weil ſie die individuelle Lebendigkeit und den Schein der Perſpektive vorzutäuſchen hat. Die Bildhauerei kann in der Geſtalt, Stellung und Drapperie einzelne kleinere, ſelbſt größere Feh¬ ler bei einer Statue machen und doch noch ganz Achtungs¬ Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 4

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/71>, abgerufen am 23.11.2024.