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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Demgemäß besteht die Correctheit im Allgemeinen
darin, daß in Darstellung der nothwendigen Naturform keine
Fehler gemacht werden. Das Schöne kann dieser Richtigkeit
nicht entbehren. Verstößt also eine Gestalt gegen die Gesetz¬
mäßigkeit der Natur, so erzeugt sich aus solchem Widerspruch
unfehlbar Häßlichkeit. Die Natur selber wird unschön, wenn
sie durch irgendwelche Verirrung von ihrem Gesetz abfällt.
Die Kunst aber wird es noch mehr, weil bei ihr die Ent¬
schuldigung fortfällt, welche der Natur zu Gute kommt, dem
einmal vorhandenen Zusammenhang nicht haben ausweichen zu
können, durch welchen Monstrositäten, Kakerlaken, Wasser¬
köpfe u. s. w. entstehen. Stellen wir uns z. B. vor, daß
die Sculptur eine Elephantin mit einem säugenden Jun¬
gen, als ein Gegenstück zu jener säugenden Kuh Myrons,
bilden wollte, so würden in der Unordnung der Gruppe
die abstracten Maaßverhältnisse zur Anwendung kommen
müssen, das Moment der natürlichen Correctheit aber
würde darin liegen, daß das Junge in der That auch
so gesäugt wird, als es der Elephantin nach der Natur
möglich ist. Der weibliche Elephant trägt nämlich die
Euter zwischen den Vorderfüßen, eine Tendenz zum
menschlichen Busen, und das Junge saugt nicht mit
dem Rüssel, mit welchem der Elephant doch auch das
Wasser aufschlürft, es sich in den Schlund zu spritzen,
sondern es saugt mit den Lippen des Unterkiefers. Würde
dies nun nicht beobachtet, so würde eine Incorrectheit
und mit ihr eine Häßlichkeit entstehen, denn alle Ver¬
hältnisse der Gestalt des Elephanten sind auf diese Art des
Saugens berechnet. Es versteht sich, daß auch ein äußer¬
liches sogenanntes Verschönen der Natur, das ihre ideale
Wahrheit alterirt, unter den Begriff der Incorrectheit fällt,

Demgemäß beſteht die Correctheit im Allgemeinen
darin, daß in Darſtellung der nothwendigen Naturform keine
Fehler gemacht werden. Das Schöne kann dieſer Richtigkeit
nicht entbehren. Verſtößt alſo eine Geſtalt gegen die Geſetz¬
mäßigkeit der Natur, ſo erzeugt ſich aus ſolchem Widerſpruch
unfehlbar Häßlichkeit. Die Natur ſelber wird unſchön, wenn
ſie durch irgendwelche Verirrung von ihrem Geſetz abfällt.
Die Kunſt aber wird es noch mehr, weil bei ihr die Ent¬
ſchuldigung fortfällt, welche der Natur zu Gute kommt, dem
einmal vorhandenen Zuſammenhang nicht haben ausweichen zu
können, durch welchen Monſtroſitäten, Kakerlaken, Waſſer¬
köpfe u. ſ. w. entſtehen. Stellen wir uns z. B. vor, daß
die Sculptur eine Elephantin mit einem ſäugenden Jun¬
gen, als ein Gegenſtück zu jener ſäugenden Kuh Myrons,
bilden wollte, ſo würden in der Unordnung der Gruppe
die abſtracten Maaßverhältniſſe zur Anwendung kommen
müſſen, das Moment der natürlichen Correctheit aber
würde darin liegen, daß das Junge in der That auch
ſo geſäugt wird, als es der Elephantin nach der Natur
möglich iſt. Der weibliche Elephant trägt nämlich die
Euter zwiſchen den Vorderfüßen, eine Tendenz zum
menſchlichen Buſen, und das Junge ſaugt nicht mit
dem Rüſſel, mit welchem der Elephant doch auch das
Waſſer aufſchlürft, es ſich in den Schlund zu ſpritzen,
ſondern es ſaugt mit den Lippen des Unterkiefers. Würde
dies nun nicht beobachtet, ſo würde eine Incorrectheit
und mit ihr eine Häßlichkeit entſtehen, denn alle Ver¬
hältniſſe der Geſtalt des Elephanten ſind auf dieſe Art des
Saugens berechnet. Es verſteht ſich, daß auch ein äußer¬
liches ſogenanntes Verſchönen der Natur, das ihre ideale
Wahrheit alterirt, unter den Begriff der Incorrectheit fällt,

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[57/0079] Demgemäß beſteht die Correctheit im Allgemeinen darin, daß in Darſtellung der nothwendigen Naturform keine Fehler gemacht werden. Das Schöne kann dieſer Richtigkeit nicht entbehren. Verſtößt alſo eine Geſtalt gegen die Geſetz¬ mäßigkeit der Natur, ſo erzeugt ſich aus ſolchem Widerſpruch unfehlbar Häßlichkeit. Die Natur ſelber wird unſchön, wenn ſie durch irgendwelche Verirrung von ihrem Geſetz abfällt. Die Kunſt aber wird es noch mehr, weil bei ihr die Ent¬ ſchuldigung fortfällt, welche der Natur zu Gute kommt, dem einmal vorhandenen Zuſammenhang nicht haben ausweichen zu können, durch welchen Monſtroſitäten, Kakerlaken, Waſſer¬ köpfe u. ſ. w. entſtehen. Stellen wir uns z. B. vor, daß die Sculptur eine Elephantin mit einem ſäugenden Jun¬ gen, als ein Gegenſtück zu jener ſäugenden Kuh Myrons, bilden wollte, ſo würden in der Unordnung der Gruppe die abſtracten Maaßverhältniſſe zur Anwendung kommen müſſen, das Moment der natürlichen Correctheit aber würde darin liegen, daß das Junge in der That auch ſo geſäugt wird, als es der Elephantin nach der Natur möglich iſt. Der weibliche Elephant trägt nämlich die Euter zwiſchen den Vorderfüßen, eine Tendenz zum menſchlichen Buſen, und das Junge ſaugt nicht mit dem Rüſſel, mit welchem der Elephant doch auch das Waſſer aufſchlürft, es ſich in den Schlund zu ſpritzen, ſondern es ſaugt mit den Lippen des Unterkiefers. Würde dies nun nicht beobachtet, ſo würde eine Incorrectheit und mit ihr eine Häßlichkeit entſtehen, denn alle Ver¬ hältniſſe der Geſtalt des Elephanten ſind auf dieſe Art des Saugens berechnet. Es verſteht ſich, daß auch ein äußer¬ liches ſogenanntes Verſchönen der Natur, das ihre ideale Wahrheit alterirt, unter den Begriff der Incorrectheit fällt,

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/79>, abgerufen am 23.11.2024.