ridicule au sublime il n'y a aussi, qu'un pas! kann als allgemeine ästhetische Regel genommen werden. Aristo¬ phanes ist oft so erhaben, daß jeder Tragöde ihn darum beneiden kann.
Innerhalb des Häßlichen aber wird folgerichtig die Unfreiheit das Princip ausmachen, von welchem die indivi¬ duell ästhetische oder vielmehr unästhetische Charakteristik ausgeht; Unfreiheit auch in dem allgemeinen Sinn genom¬ men, daß nicht blos die Kunst, sondern auch die Natur und das Leben überhaupt hierhergezogen wird. Die Unfrei¬ heit als der Mangel an Selbstbestimmung oder als der Widerspruch der Selbstbestimmung gegen die Nothwendigkeit des Wesens eines Subjectes erzeugt das in sich selbst Häßliche, das dann auch weiterhin als Erscheinung zum Incorrecten und Formlosen wird. Betrachten wir z. B. das Lebendige im Zustande der Krankheit, so ist allerdings die Möglichkeit desselben, krank zu werden, nothwendig, allein es ist deshalb keineswegs nothwendig, daß es wirklich krank werde. Durch die Krankheit wird es in der Freiheit seiner Bewegung und Entwicklung gestört; es wird also durch die Krankheit ge¬ bunden, deren Folgen endlich, nachdem sie sein Inneres durchschlichen, sich auch in seiner äußern Entstaltung und Verhäßlichung offenbaren müssen. -- Oder betrachten wir den Willen, so wird er durch frivole Negation seiner Nothwendig¬ keit positiv unfrei; er wird böse. Das Böse ist das ethisch Häßliche und dies Häßliche wird auch das ästhetisch Häßliche zur Folge haben. Wird doch schon die theoretische Unfreiheit, die Dummheit und Bornirtheit, nicht umhin können, sich in der stupiden und schlaffen Physiognomie zu reflectiren. Wahre Freiheit ist in allewege die Mutter des Schönen, Unfreiheit des Häßlichen. Das Häßliche wird aber, wie das
ridicule au sublime il n'y a aussi, qu'un pas! kann als allgemeine äſthetiſche Regel genommen werden. Ariſto¬ phanes iſt oft ſo erhaben, daß jeder Tragöde ihn darum beneiden kann.
Innerhalb des Häßlichen aber wird folgerichtig die Unfreiheit das Princip ausmachen, von welchem die indivi¬ duell äſthetiſche oder vielmehr unäſthetiſche Charakteriſtik ausgeht; Unfreiheit auch in dem allgemeinen Sinn genom¬ men, daß nicht blos die Kunſt, ſondern auch die Natur und das Leben überhaupt hierhergezogen wird. Die Unfrei¬ heit als der Mangel an Selbſtbeſtimmung oder als der Widerſpruch der Selbſtbeſtimmung gegen die Nothwendigkeit des Weſens eines Subjectes erzeugt das in ſich ſelbſt Häßliche, das dann auch weiterhin als Erſcheinung zum Incorrecten und Formloſen wird. Betrachten wir z. B. das Lebendige im Zuſtande der Krankheit, ſo iſt allerdings die Möglichkeit deſſelben, krank zu werden, nothwendig, allein es iſt deshalb keineswegs nothwendig, daß es wirklich krank werde. Durch die Krankheit wird es in der Freiheit ſeiner Bewegung und Entwicklung geſtört; es wird alſo durch die Krankheit ge¬ bunden, deren Folgen endlich, nachdem ſie ſein Inneres durchſchlichen, ſich auch in ſeiner äußern Entſtaltung und Verhäßlichung offenbaren müſſen. — Oder betrachten wir den Willen, ſo wird er durch frivole Negation ſeiner Nothwendig¬ keit poſitiv unfrei; er wird böſe. Das Böſe iſt das ethiſch Häßliche und dies Häßliche wird auch das äſthetiſch Häßliche zur Folge haben. Wird doch ſchon die theoretiſche Unfreiheit, die Dummheit und Bornirtheit, nicht umhin können, ſich in der ſtupiden und ſchlaffen Phyſiognomie zu reflectiren. Wahre Freiheit iſt in allewege die Mutter des Schönen, Unfreiheit des Häßlichen. Das Häßliche wird aber, wie das
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ridicule au sublime il n'y a aussi, qu'un pas! kann als
allgemeine äſthetiſche Regel genommen werden. Ariſto¬
phanes iſt oft ſo erhaben, daß jeder Tragöde ihn darum
beneiden kann.
Innerhalb des Häßlichen aber wird folgerichtig die
Unfreiheit das Princip ausmachen, von welchem die indivi¬
duell äſthetiſche oder vielmehr unäſthetiſche Charakteriſtik
ausgeht; Unfreiheit auch in dem allgemeinen Sinn genom¬
men, daß nicht blos die Kunſt, ſondern auch die Natur
und das Leben überhaupt hierhergezogen wird. Die Unfrei¬
heit als der Mangel an Selbſtbeſtimmung oder als der
Widerſpruch der Selbſtbeſtimmung gegen die Nothwendigkeit
des Weſens eines Subjectes erzeugt das in ſich ſelbſt Häßliche,
das dann auch weiterhin als Erſcheinung zum Incorrecten
und Formloſen wird. Betrachten wir z. B. das Lebendige
im Zuſtande der Krankheit, ſo iſt allerdings die Möglichkeit
deſſelben, krank zu werden, nothwendig, allein es iſt deshalb
keineswegs nothwendig, daß es wirklich krank werde. Durch
die Krankheit wird es in der Freiheit ſeiner Bewegung und
Entwicklung geſtört; es wird alſo durch die Krankheit ge¬
bunden, deren Folgen endlich, nachdem ſie ſein Inneres
durchſchlichen, ſich auch in ſeiner äußern Entſtaltung und
Verhäßlichung offenbaren müſſen. — Oder betrachten wir den
Willen, ſo wird er durch frivole Negation ſeiner Nothwendig¬
keit poſitiv unfrei; er wird böſe. Das Böſe iſt das ethiſch
Häßliche und dies Häßliche wird auch das äſthetiſch Häßliche
zur Folge haben. Wird doch ſchon die theoretiſche Unfreiheit,
die Dummheit und Bornirtheit, nicht umhin können, ſich
in der ſtupiden und ſchlaffen Phyſiognomie zu reflectiren.
Wahre Freiheit iſt in allewege die Mutter des Schönen,
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/84>, abgerufen am 23.11.2024.
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