Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Lehrer des menschlichen Geschlechts.
lesen, worinnen uns der vortrefliche Unterricht un-
sers grösten, erhabensten Lehrers, Jesu Christi,
dem Hauptinnhalte nach schriftlich vorgelegt wird.
Laßt uns dieses Buch lieb gewinnen, und ohne Un-
terlaß darinnen lesen, mit gröster Aufmerksamkeit
und Ehrfurcht darinnen lesen. Was hilft uns
sonst alles Wißen auf Erden, wenn uns die nö-
thigste Wißenschaft fehlt?

Aber was hilft uns auch das bloße Wißen,
wenn wir uns diesen vortreflichen Unterricht nicht zu
Nutze machen? Was nützt es, wenn mir zwar wißen,
wie wir durch Christum zu Gott kommen sollen,
aber nicht kommen wollen? Seeligkeit, ihr Chri-
sten, Seeligkeiten der Engel hat euch Christus be-
reitet, und vielen unter euch ist an allen diesen himm-
lischen Freuden nichts gelegen; viele sind in ihren
Lastern und Sünden so sehr verstrickt, so sehr an
das Zeitliche gefeßelt, daß man tauben Ohren pre-
diget, wenn man ihnen zuruft: Laßet euch doch
versöhnen mit Gott. Euer Heyland will euch zu
Bürgern des Himmels bilden, eine himmlische Ge-
müthsart in euch anrichten, ganz vortrefliche Men-
schen aus euch machen, und viele möchten auch
wollen immer ihre alten Unarten beybehalten, wol-
len Christo angehören, und doch seinen Sinn nicht
annehmen: wollen Christo einst in der Herrlichkeit
ähnlich seyn; und ihm doch nicht hier auf Erden in
seinen Tugenden ähnlich werden. O wie schwer
wird ihre Verantwortung seyn! Ja, doppelt schwer
eure Verantwortung seyn, ihr, die ihr Christi
Nahmen nennt, und doch nicht von der Ungerech-
tigkeit abtrettet; die ihr das Licht sehet, aber die

Fin-
J 4

Lehrer des menſchlichen Geſchlechts.
leſen, worinnen uns der vortrefliche Unterricht un-
ſers gröſten, erhabenſten Lehrers, Jeſu Chriſti,
dem Hauptinnhalte nach ſchriftlich vorgelegt wird.
Laßt uns dieſes Buch lieb gewinnen, und ohne Un-
terlaß darinnen leſen, mit gröſter Aufmerkſamkeit
und Ehrfurcht darinnen leſen. Was hilft uns
ſonſt alles Wißen auf Erden, wenn uns die nö-
thigſte Wißenſchaft fehlt?

Aber was hilft uns auch das bloße Wißen,
wenn wir uns dieſen vortreflichen Unterricht nicht zu
Nutze machen? Was nützt es, wenn mir zwar wißen,
wie wir durch Chriſtum zu Gott kommen ſollen,
aber nicht kommen wollen? Seeligkeit, ihr Chri-
ſten, Seeligkeiten der Engel hat euch Chriſtus be-
reitet, und vielen unter euch iſt an allen dieſen himm-
liſchen Freuden nichts gelegen; viele ſind in ihren
Laſtern und Sünden ſo ſehr verſtrickt, ſo ſehr an
das Zeitliche gefeßelt, daß man tauben Ohren pre-
diget, wenn man ihnen zuruft: Laßet euch doch
verſöhnen mit Gott. Euer Heyland will euch zu
Bürgern des Himmels bilden, eine himmliſche Ge-
müthsart in euch anrichten, ganz vortrefliche Men-
ſchen aus euch machen, und viele möchten auch
wollen immer ihre alten Unarten beybehalten, wol-
len Chriſto angehören, und doch ſeinen Sinn nicht
annehmen: wollen Chriſto einſt in der Herrlichkeit
ähnlich ſeyn; und ihm doch nicht hier auf Erden in
ſeinen Tugenden ähnlich werden. O wie ſchwer
wird ihre Verantwortung ſeyn! Ja, doppelt ſchwer
eure Verantwortung ſeyn, ihr, die ihr Chriſti
Nahmen nennt, und doch nicht von der Ungerech-
tigkeit abtrettet; die ihr das Licht ſehet, aber die

Fin-
J 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0147" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Lehrer des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts.</hi></fw><lb/>
le&#x017F;en, worinnen uns der vortrefliche Unterricht un-<lb/>
&#x017F;ers grö&#x017F;ten, erhaben&#x017F;ten Lehrers, Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti,<lb/>
dem Hauptinnhalte nach &#x017F;chriftlich vorgelegt wird.<lb/>
Laßt uns die&#x017F;es Buch lieb gewinnen, und ohne Un-<lb/>
terlaß darinnen le&#x017F;en, mit grö&#x017F;ter Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/>
und Ehrfurcht darinnen le&#x017F;en. Was hilft uns<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t alles Wißen auf Erden, wenn uns die nö-<lb/>
thig&#x017F;te Wißen&#x017F;chaft fehlt?</p><lb/>
        <p>Aber was hilft uns auch das bloße Wißen,<lb/>
wenn wir uns die&#x017F;en vortreflichen Unterricht nicht zu<lb/>
Nutze machen? Was nützt es, wenn mir zwar wißen,<lb/>
wie wir durch Chri&#x017F;tum zu Gott kommen &#x017F;ollen,<lb/>
aber nicht kommen wollen? <hi rendition="#fr">Seeligkeit,</hi> ihr Chri-<lb/>
&#x017F;ten, Seeligkeiten der Engel hat euch Chri&#x017F;tus be-<lb/>
reitet, und vielen unter euch i&#x017F;t an allen die&#x017F;en himm-<lb/>
li&#x017F;chen Freuden nichts gelegen; viele &#x017F;ind in ihren<lb/>
La&#x017F;tern und Sünden &#x017F;o &#x017F;ehr ver&#x017F;trickt, &#x017F;o &#x017F;ehr an<lb/>
das Zeitliche gefeßelt, daß man tauben Ohren pre-<lb/>
diget, wenn man ihnen zuruft: Laßet euch doch<lb/>
ver&#x017F;öhnen mit Gott. Euer Heyland will euch zu<lb/>
Bürgern des Himmels bilden, eine himmli&#x017F;che Ge-<lb/>
müthsart in euch anrichten, ganz vortrefliche Men-<lb/>
&#x017F;chen aus euch machen, und viele möchten auch<lb/>
wollen immer ihre alten Unarten beybehalten, wol-<lb/>
len Chri&#x017F;to angehören, und doch &#x017F;einen Sinn nicht<lb/>
annehmen: wollen Chri&#x017F;to ein&#x017F;t in der Herrlichkeit<lb/>
ähnlich &#x017F;eyn; und ihm doch nicht hier auf Erden in<lb/>
&#x017F;einen Tugenden ähnlich werden. O wie &#x017F;chwer<lb/>
wird ihre Verantwortung &#x017F;eyn! Ja, doppelt &#x017F;chwer<lb/>
eure Verantwortung &#x017F;eyn, ihr, die ihr Chri&#x017F;ti<lb/>
Nahmen nennt, und doch nicht von der Ungerech-<lb/>
tigkeit abtrettet; die ihr das Licht &#x017F;ehet, aber die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Fin-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0147] Lehrer des menſchlichen Geſchlechts. leſen, worinnen uns der vortrefliche Unterricht un- ſers gröſten, erhabenſten Lehrers, Jeſu Chriſti, dem Hauptinnhalte nach ſchriftlich vorgelegt wird. Laßt uns dieſes Buch lieb gewinnen, und ohne Un- terlaß darinnen leſen, mit gröſter Aufmerkſamkeit und Ehrfurcht darinnen leſen. Was hilft uns ſonſt alles Wißen auf Erden, wenn uns die nö- thigſte Wißenſchaft fehlt? Aber was hilft uns auch das bloße Wißen, wenn wir uns dieſen vortreflichen Unterricht nicht zu Nutze machen? Was nützt es, wenn mir zwar wißen, wie wir durch Chriſtum zu Gott kommen ſollen, aber nicht kommen wollen? Seeligkeit, ihr Chri- ſten, Seeligkeiten der Engel hat euch Chriſtus be- reitet, und vielen unter euch iſt an allen dieſen himm- liſchen Freuden nichts gelegen; viele ſind in ihren Laſtern und Sünden ſo ſehr verſtrickt, ſo ſehr an das Zeitliche gefeßelt, daß man tauben Ohren pre- diget, wenn man ihnen zuruft: Laßet euch doch verſöhnen mit Gott. Euer Heyland will euch zu Bürgern des Himmels bilden, eine himmliſche Ge- müthsart in euch anrichten, ganz vortrefliche Men- ſchen aus euch machen, und viele möchten auch wollen immer ihre alten Unarten beybehalten, wol- len Chriſto angehören, und doch ſeinen Sinn nicht annehmen: wollen Chriſto einſt in der Herrlichkeit ähnlich ſeyn; und ihm doch nicht hier auf Erden in ſeinen Tugenden ähnlich werden. O wie ſchwer wird ihre Verantwortung ſeyn! Ja, doppelt ſchwer eure Verantwortung ſeyn, ihr, die ihr Chriſti Nahmen nennt, und doch nicht von der Ungerech- tigkeit abtrettet; die ihr das Licht ſehet, aber die Fin- J 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/147
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/147>, abgerufen am 21.11.2024.