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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Eilfte Betr. Von der wahren Liebe
halte dein Gesetz. Ps. 119, 55. Dieses Anden-
ken an Gott wird in trüben Stunden des Leidens
nicht ausgelöscht, sondern nur destomehr gestärkt
und erwecket. Denn wenn uns Krankheiten und
andere Uebel in der Welt außer Stand setzen die
irdischen Wohlthaten Gottes mit Freuden zu ge-
nießen, so freuen wir uns desto mehr der weit grös-
sern Glückseeligkeit, die er uns durch Jesum Chri-
stum seinen Sohn in einem andern Leben bereitet
hat, sehnen uns nach seiner nähern und seeligern Ge-
meinschaft, und danken ihm mit desto größerer Inn-
brunst und Andacht für das unendlich viele Gute,
welches uns in iener Ewigkeit aufbehalten ist.

Aber eben diese aufrichtige Liebe zu Gott, eben
dieses beständige Andenken an ihn, wird uns für
Sünden bewahren, und uns zur standhaften Aus-
übung des Guten bewegen. Denn das ist die Lie-
be zu Gott,
(und damit legen wir am sichersten
an den Tag, daß wir ihn aufrichtig lieben,)
wenn wir seine Gebote halten, und seine Ge-
bote sind nicht schwer.
1 Joh. 5, 3. Wie kan
es auch anders seyn? Einem Wohlthäter sucht
man zu gefallen; man freuet sich, wenn man seine
Dankbarkeit und Liebe durch ein ihm angenehmes
Betragen zu erkennen geben kan, und man sucht
alles zu vermeiden, was ihm etwa mißfällig seyn
möchte. Wenn wir hingegen einen Menschen se-
hen, der kein Bedenken trägt, gerade dasienige zu
thun, was seinem Wohlthäter am meisten miß-
fällt, so nennen wir ihn mit Recht einen undank-
baren, niederträchtigen Menschen, der Abscheu
verdienet. Wie können denn nun so viele Men-

schen

Eilfte Betr. Von der wahren Liebe
halte dein Geſetz. Pſ. 119, 55. Dieſes Anden-
ken an Gott wird in trüben Stunden des Leidens
nicht ausgelöſcht, ſondern nur deſtomehr geſtärkt
und erwecket. Denn wenn uns Krankheiten und
andere Uebel in der Welt außer Stand ſetzen die
irdiſchen Wohlthaten Gottes mit Freuden zu ge-
nießen, ſo freuen wir uns deſto mehr der weit gröſ-
ſern Glückſeeligkeit, die er uns durch Jeſum Chri-
ſtum ſeinen Sohn in einem andern Leben bereitet
hat, ſehnen uns nach ſeiner nähern und ſeeligern Ge-
meinſchaft, und danken ihm mit deſto größerer Inn-
brunſt und Andacht für das unendlich viele Gute,
welches uns in iener Ewigkeit aufbehalten iſt.

Aber eben dieſe aufrichtige Liebe zu Gott, eben
dieſes beſtändige Andenken an ihn, wird uns für
Sünden bewahren, und uns zur ſtandhaften Aus-
übung des Guten bewegen. Denn das iſt die Lie-
be zu Gott,
(und damit legen wir am ſicherſten
an den Tag, daß wir ihn aufrichtig lieben,)
wenn wir ſeine Gebote halten, und ſeine Ge-
bote ſind nicht ſchwer.
1 Joh. 5, 3. Wie kan
es auch anders ſeyn? Einem Wohlthäter ſucht
man zu gefallen; man freuet ſich, wenn man ſeine
Dankbarkeit und Liebe durch ein ihm angenehmes
Betragen zu erkennen geben kan, und man ſucht
alles zu vermeiden, was ihm etwa mißfällig ſeyn
möchte. Wenn wir hingegen einen Menſchen ſe-
hen, der kein Bedenken trägt, gerade dasienige zu
thun, was ſeinem Wohlthäter am meiſten miß-
fällt, ſo nennen wir ihn mit Recht einen undank-
baren, niederträchtigen Menſchen, der Abſcheu
verdienet. Wie können denn nun ſo viele Men-

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[162/0174] Eilfte Betr. Von der wahren Liebe halte dein Geſetz. Pſ. 119, 55. Dieſes Anden- ken an Gott wird in trüben Stunden des Leidens nicht ausgelöſcht, ſondern nur deſtomehr geſtärkt und erwecket. Denn wenn uns Krankheiten und andere Uebel in der Welt außer Stand ſetzen die irdiſchen Wohlthaten Gottes mit Freuden zu ge- nießen, ſo freuen wir uns deſto mehr der weit gröſ- ſern Glückſeeligkeit, die er uns durch Jeſum Chri- ſtum ſeinen Sohn in einem andern Leben bereitet hat, ſehnen uns nach ſeiner nähern und ſeeligern Ge- meinſchaft, und danken ihm mit deſto größerer Inn- brunſt und Andacht für das unendlich viele Gute, welches uns in iener Ewigkeit aufbehalten iſt. Aber eben dieſe aufrichtige Liebe zu Gott, eben dieſes beſtändige Andenken an ihn, wird uns für Sünden bewahren, und uns zur ſtandhaften Aus- übung des Guten bewegen. Denn das iſt die Lie- be zu Gott, (und damit legen wir am ſicherſten an den Tag, daß wir ihn aufrichtig lieben,) wenn wir ſeine Gebote halten, und ſeine Ge- bote ſind nicht ſchwer. 1 Joh. 5, 3. Wie kan es auch anders ſeyn? Einem Wohlthäter ſucht man zu gefallen; man freuet ſich, wenn man ſeine Dankbarkeit und Liebe durch ein ihm angenehmes Betragen zu erkennen geben kan, und man ſucht alles zu vermeiden, was ihm etwa mißfällig ſeyn möchte. Wenn wir hingegen einen Menſchen ſe- hen, der kein Bedenken trägt, gerade dasienige zu thun, was ſeinem Wohlthäter am meiſten miß- fällt, ſo nennen wir ihn mit Recht einen undank- baren, niederträchtigen Menſchen, der Abſcheu verdienet. Wie können denn nun ſo viele Men- ſchen

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/174>, abgerufen am 25.11.2024.