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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb.
bührend schätzen, und nehmen eine gewiße edle
Gleichgültigkeit gegen dasienige an, woran viel-
leicht unser Herz bisher zu sehr hieng. Gunst und
Freundschaft der Menschen, Ehrenstellen, Beyfall
der Welt, Glücksgüter sind uns das nicht
mehr, was sie uns ehedem waren, da wir die Un-
beständigkeit und Unvollkommenheit dieser Dinge
noch nicht aus eigener Erfahrung erkannt hatten.
Wir nehmen zwar als unverdiente Wohlthat an,
was Gott nach seiner Weisheit und Güte uns von
solchen Vortheilen etwan zuwirft. Aber unsere Zu-
friedenheit suchen wir darinnen nicht. Wir kön-
nen es leiden, ohne uns darüber vielen Kummer
zu machen, wenn uns auch einer von diesen Vor-
theilen, oder wenn sie uns auch alle entgehen. Es
ist uns dann, als ob uns eben das gesagt würde,
was der Herr dem geplagten Paulo zu seiner Beru-
igung sagte! Laß dir an meiner Gnade genü-
gen
2 Kor. 12, 9. und wir können mit der gan-
zen Zustimmung unsers Herzens uns den Ausspruch
eines frommen Davids zu eigen machen: Herr,
wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts
nach Himmel und Erde.
Wenn wir aber ein-
mahl diesen edlen christlichen Sinn haben,
so wird uns die Ausübung aller andern Tugenden
angenehm und leicht. Unser Eifer im Gebet, unsere
Demuth, Gedult, Gelaßenheit, Hofnung und
Vertrauen auf Gott wird immer stärker und vester.
Wir wißen, daß Trübsal Gedult bringet, Ge-
dult bringet Erfahrung, Erfahrung bringet
Hofnung, Hofnung aber läßet nicht zu Schan-
den werden
Röm. 5, 4. Wann würde ich fertig

wer-

Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb.
bührend ſchätzen, und nehmen eine gewiße edle
Gleichgültigkeit gegen dasienige an, woran viel-
leicht unſer Herz bisher zu ſehr hieng. Gunſt und
Freundſchaft der Menſchen, Ehrenſtellen, Beyfall
der Welt, Glücksgüter ſind uns das nicht
mehr, was ſie uns ehedem waren, da wir die Un-
beſtändigkeit und Unvollkommenheit dieſer Dinge
noch nicht aus eigener Erfahrung erkannt hatten.
Wir nehmen zwar als unverdiente Wohlthat an,
was Gott nach ſeiner Weisheit und Güte uns von
ſolchen Vortheilen etwan zuwirft. Aber unſere Zu-
friedenheit ſuchen wir darinnen nicht. Wir kön-
nen es leiden, ohne uns darüber vielen Kummer
zu machen, wenn uns auch einer von dieſen Vor-
theilen, oder wenn ſie uns auch alle entgehen. Es
iſt uns dann, als ob uns eben das geſagt würde,
was der Herr dem geplagten Paulo zu ſeiner Beru-
igung ſagte! Laß dir an meiner Gnade genü-
gen
2 Kor. 12, 9. und wir können mit der gan-
zen Zuſtimmung unſers Herzens uns den Ausſpruch
eines frommen Davids zu eigen machen: Herr,
wenn ich nur dich habe, ſo frage ich nichts
nach Himmel und Erde.
Wenn wir aber ein-
mahl dieſen edlen chriſtlichen Sinn haben,
ſo wird uns die Ausübung aller andern Tugenden
angenehm und leicht. Unſer Eifer im Gebet, unſere
Demuth, Gedult, Gelaßenheit, Hofnung und
Vertrauen auf Gott wird immer ſtärker und veſter.
Wir wißen, daß Trübſal Gedult bringet, Ge-
dult bringet Erfahrung, Erfahrung bringet
Hofnung, Hofnung aber läßet nicht zu Schan-
den werden
Röm. 5, 4. Wann würde ich fertig

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[184/0196] Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb. bührend ſchätzen, und nehmen eine gewiße edle Gleichgültigkeit gegen dasienige an, woran viel- leicht unſer Herz bisher zu ſehr hieng. Gunſt und Freundſchaft der Menſchen, Ehrenſtellen, Beyfall der Welt, Glücksgüter ſind uns das nicht mehr, was ſie uns ehedem waren, da wir die Un- beſtändigkeit und Unvollkommenheit dieſer Dinge noch nicht aus eigener Erfahrung erkannt hatten. Wir nehmen zwar als unverdiente Wohlthat an, was Gott nach ſeiner Weisheit und Güte uns von ſolchen Vortheilen etwan zuwirft. Aber unſere Zu- friedenheit ſuchen wir darinnen nicht. Wir kön- nen es leiden, ohne uns darüber vielen Kummer zu machen, wenn uns auch einer von dieſen Vor- theilen, oder wenn ſie uns auch alle entgehen. Es iſt uns dann, als ob uns eben das geſagt würde, was der Herr dem geplagten Paulo zu ſeiner Beru- igung ſagte! Laß dir an meiner Gnade genü- gen 2 Kor. 12, 9. und wir können mit der gan- zen Zuſtimmung unſers Herzens uns den Ausſpruch eines frommen Davids zu eigen machen: Herr, wenn ich nur dich habe, ſo frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn wir aber ein- mahl dieſen edlen chriſtlichen Sinn haben, ſo wird uns die Ausübung aller andern Tugenden angenehm und leicht. Unſer Eifer im Gebet, unſere Demuth, Gedult, Gelaßenheit, Hofnung und Vertrauen auf Gott wird immer ſtärker und veſter. Wir wißen, daß Trübſal Gedult bringet, Ge- dult bringet Erfahrung, Erfahrung bringet Hofnung, Hofnung aber läßet nicht zu Schan- den werden Röm. 5, 4. Wann würde ich fertig wer-

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/196>, abgerufen am 27.11.2024.