Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb. leicht iemand urtheilen. Wenn ein Vater einenverstockten, ungerathenen Sohn hat, der sich we- der durch Güte noch Strafen ziehen läßt, folgt denn daraus, daß auch iener, sein vielleicht darü- ber äußerst bekümmerter Vater, die Absicht nicht habe, ihn zu ziehen, und sein Glück zu befördern? Es folgt also aus dem erstgedachten Einwurf weiter nichts als dieses, daß es äußerst leichtsinnige, bos- hafte und verstockte Menschen in der Welt giebt, die weder durch Wohlthaten noch Strafen sich bes- sern laßen, Menschen die durch ihr eigenes Betra- gen das Urtheil über sich selbst sprechen, daß ihre Verdammnis ganz recht ist. Da aber ein Mensch gewiß nicht unglücklicher weiter
Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb. leicht iemand urtheilen. Wenn ein Vater einenverſtockten, ungerathenen Sohn hat, der ſich we- der durch Güte noch Strafen ziehen läßt, folgt denn daraus, daß auch iener, ſein vielleicht darü- ber äußerſt bekümmerter Vater, die Abſicht nicht habe, ihn zu ziehen, und ſein Glück zu befördern? Es folgt alſo aus dem erſtgedachten Einwurf weiter nichts als dieſes, daß es äußerſt leichtſinnige, bos- hafte und verſtockte Menſchen in der Welt giebt, die weder durch Wohlthaten noch Strafen ſich beſ- ſern laßen, Menſchen die durch ihr eigenes Betra- gen das Urtheil über ſich ſelbſt ſprechen, daß ihre Verdammnis ganz recht iſt. Da aber ein Menſch gewiß nicht unglücklicher weiter
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Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb.
leicht iemand urtheilen. Wenn ein Vater einen
verſtockten, ungerathenen Sohn hat, der ſich we-
der durch Güte noch Strafen ziehen läßt, folgt
denn daraus, daß auch iener, ſein vielleicht darü-
ber äußerſt bekümmerter Vater, die Abſicht nicht
habe, ihn zu ziehen, und ſein Glück zu befördern?
Es folgt alſo aus dem erſtgedachten Einwurf weiter
nichts als dieſes, daß es äußerſt leichtſinnige, bos-
hafte und verſtockte Menſchen in der Welt giebt,
die weder durch Wohlthaten noch Strafen ſich beſ-
ſern laßen, Menſchen die durch ihr eigenes Betra-
gen das Urtheil über ſich ſelbſt ſprechen, daß ihre
Verdammnis ganz recht iſt.
Da aber ein Menſch gewiß nicht unglücklicher
ſeyn könnte, als wenn es einmahl ſo weit mit ihm
gekommen iſt, daß weder Belehrungen, noch
Drohungen und Strafen ſein Herz erweichen, und
ſein Leben beßern können, ſo prüfe dich vor dem
Richterſtuhl deines Gewißens, mein lieber Chriſt,
ob, und in wie ferne der Herr durch Züchtigungen
ſeine heilſame und väterliche Abſicht an dir errei-
chet hat. Es iſt dir ohne Zweifel manches Unan-
genehme in deinem Leben begegnet, und vielleicht
hat dir Gott eben ietzt ein Leiden zugeſchickt, wo-
durch er dich beßern, oder prüfen, oder im Guten
noch mehr beveſtigen will. Ueberlegeſt du auch,
was für wohlthätige Abſichten Gott dabey hat,
daß er dich in ſolche Umſtände gerathen läßt? Was
hat dir dieſes Leiden genutzt, und wie viel hat es
zu deiner geiſtlichen Beßerung beygetragen? Um
wie vieles biſt du ſeit dem, da dich Gott auf die-
ſe und iene Weiſe geprüft; in deinem Chriſtenthum
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