Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Allwißenheit Gottes. ten und christlichen That: Dein Vater, der indas Verborgene siehet, wird dirs vergelten öf- fentlich. Wir sind nur gar zu sehr geneigt, so oft wir etwas Gutes thun wollen, vorher zu fra- gen: Was wird mir dafür? Unser Eifer erkaltet, wenn wir keine unmittelbaren Vortheile zu erwar- ten haben, oder wenn uns vielleicht auch nicht ein- mal die Hoffnung bleibt, uns zeigen zu können und uns das Lob und die Bewunderung der Menschen zu erwerben. Aber sollte uns der Beyfall des gros- sen Gottes nicht unendlich mehr werth seyn? Ge- setzt diese menschenfreundliche, wohlthätige Hand- lung würde von keinem Menschen bemerkt, so sieht sie doch der Allwißende, und er sieht sie mit desto größern Wohlgefallen, ie uneigennütziger sie war, ie mehr du in Verrichtung derselben ihm ähnlich warst -- und dein Vater, der in das Verbor- gene siehet, der wird dirs vergelten öffentlich. Zum Dritten: Wenn du dir eines rechtschaffenen Herzens bewust bist, so laß dich unverschuldeten Tadel, Verdrehung deiner guten Absichten, Läste- rung und Verleumdung nicht zu sehr in deinem Ge- müthe beunruhigen. An sich ist es freylich sehr schmerzhaft und kränkend, wenn wir unschuldig verleumdet und gelästert werden. Vielleicht haben wir noch so viele Macht über uns selbst, daß wir es gelaßen ertragen können, wenn unsere guten Absichten und Bemühungen vor der Welt unbe- merkt bleiben -- aber wenn unsere Redlichkeit und Unschuld verlästert wird, wenn man uns solcher Thaten und Absichten beschuldigt, wovon uns un- ser Gewißen frey spricht, dann wird es uns ge- mei P 4
Allwißenheit Gottes. ten und chriſtlichen That: Dein Vater, der indas Verborgene ſiehet, wird dirs vergelten öf- fentlich. Wir ſind nur gar zu ſehr geneigt, ſo oft wir etwas Gutes thun wollen, vorher zu fra- gen: Was wird mir dafür? Unſer Eifer erkaltet, wenn wir keine unmittelbaren Vortheile zu erwar- ten haben, oder wenn uns vielleicht auch nicht ein- mal die Hoffnung bleibt, uns zeigen zu können und uns das Lob und die Bewunderung der Menſchen zu erwerben. Aber ſollte uns der Beyfall des groſ- ſen Gottes nicht unendlich mehr werth ſeyn? Ge- ſetzt dieſe menſchenfreundliche, wohlthätige Hand- lung würde von keinem Menſchen bemerkt, ſo ſieht ſie doch der Allwißende, und er ſieht ſie mit deſto größern Wohlgefallen, ie uneigennütziger ſie war, ie mehr du in Verrichtung derſelben ihm ähnlich warſt — und dein Vater, der in das Verbor- gene ſiehet, der wird dirs vergelten öffentlich. Zum Dritten: Wenn du dir eines rechtſchaffenen Herzens bewuſt biſt, ſo laß dich unverſchuldeten Tadel, Verdrehung deiner guten Abſichten, Läſte- rung und Verleumdung nicht zu ſehr in deinem Ge- müthe beunruhigen. An ſich iſt es freylich ſehr ſchmerzhaft und kränkend, wenn wir unſchuldig verleumdet und geläſtert werden. Vielleicht haben wir noch ſo viele Macht über uns ſelbſt, daß wir es gelaßen ertragen können, wenn unſere guten Abſichten und Bemühungen vor der Welt unbe- merkt bleiben — aber wenn unſere Redlichkeit und Unſchuld verläſtert wird, wenn man uns ſolcher Thaten und Abſichten beſchuldigt, wovon uns un- ſer Gewißen frey ſpricht, dann wird es uns ge- mei P 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="231"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allwißenheit Gottes.</hi></fw><lb/> ten und chriſtlichen That: <hi rendition="#fr">Dein Vater, der in<lb/> das Verborgene ſiehet, wird dirs vergelten öf-<lb/> fentlich.</hi> Wir ſind nur gar zu ſehr geneigt, ſo<lb/> oft wir etwas Gutes thun wollen, vorher zu fra-<lb/> gen: Was wird mir dafür? Unſer Eifer erkaltet,<lb/> wenn wir keine unmittelbaren Vortheile zu erwar-<lb/> ten haben, oder wenn uns vielleicht auch nicht ein-<lb/> mal die Hoffnung bleibt, uns zeigen zu können und<lb/> uns das Lob und die Bewunderung der Menſchen<lb/> zu erwerben. Aber ſollte uns der Beyfall des groſ-<lb/> ſen Gottes nicht unendlich mehr werth ſeyn? Ge-<lb/> ſetzt dieſe menſchenfreundliche, wohlthätige Hand-<lb/> lung würde von keinem Menſchen bemerkt, ſo ſieht<lb/> ſie doch der Allwißende, und er ſieht ſie mit deſto<lb/> größern Wohlgefallen, ie uneigennütziger ſie war,<lb/> ie mehr du in Verrichtung derſelben ihm ähnlich<lb/> warſt — <hi rendition="#fr">und dein Vater,</hi> der in das Verbor-<lb/> gene ſiehet, <hi rendition="#fr">der wird dirs vergelten öffentlich.<lb/> Zum Dritten:</hi> Wenn du dir eines rechtſchaffenen<lb/> Herzens bewuſt biſt, ſo laß dich unverſchuldeten<lb/> Tadel, Verdrehung deiner guten Abſichten, Läſte-<lb/> rung und Verleumdung nicht zu ſehr in deinem Ge-<lb/> müthe beunruhigen. An ſich iſt es freylich ſehr<lb/> ſchmerzhaft und kränkend, wenn wir unſchuldig<lb/> verleumdet und geläſtert werden. Vielleicht haben<lb/> wir noch ſo viele Macht über uns ſelbſt, daß wir<lb/> es gelaßen ertragen können, wenn unſere guten<lb/> Abſichten und Bemühungen vor der Welt unbe-<lb/> merkt bleiben — aber wenn unſere Redlichkeit und<lb/> Unſchuld verläſtert wird, wenn man uns ſolcher<lb/> Thaten und Abſichten beſchuldigt, wovon uns un-<lb/> ſer Gewißen frey ſpricht, dann wird es uns ge-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">P 4</fw><fw place="bottom" type="catch">mei</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [231/0243]
Allwißenheit Gottes.
ten und chriſtlichen That: Dein Vater, der in
das Verborgene ſiehet, wird dirs vergelten öf-
fentlich. Wir ſind nur gar zu ſehr geneigt, ſo
oft wir etwas Gutes thun wollen, vorher zu fra-
gen: Was wird mir dafür? Unſer Eifer erkaltet,
wenn wir keine unmittelbaren Vortheile zu erwar-
ten haben, oder wenn uns vielleicht auch nicht ein-
mal die Hoffnung bleibt, uns zeigen zu können und
uns das Lob und die Bewunderung der Menſchen
zu erwerben. Aber ſollte uns der Beyfall des groſ-
ſen Gottes nicht unendlich mehr werth ſeyn? Ge-
ſetzt dieſe menſchenfreundliche, wohlthätige Hand-
lung würde von keinem Menſchen bemerkt, ſo ſieht
ſie doch der Allwißende, und er ſieht ſie mit deſto
größern Wohlgefallen, ie uneigennütziger ſie war,
ie mehr du in Verrichtung derſelben ihm ähnlich
warſt — und dein Vater, der in das Verbor-
gene ſiehet, der wird dirs vergelten öffentlich.
Zum Dritten: Wenn du dir eines rechtſchaffenen
Herzens bewuſt biſt, ſo laß dich unverſchuldeten
Tadel, Verdrehung deiner guten Abſichten, Läſte-
rung und Verleumdung nicht zu ſehr in deinem Ge-
müthe beunruhigen. An ſich iſt es freylich ſehr
ſchmerzhaft und kränkend, wenn wir unſchuldig
verleumdet und geläſtert werden. Vielleicht haben
wir noch ſo viele Macht über uns ſelbſt, daß wir
es gelaßen ertragen können, wenn unſere guten
Abſichten und Bemühungen vor der Welt unbe-
merkt bleiben — aber wenn unſere Redlichkeit und
Unſchuld verläſtert wird, wenn man uns ſolcher
Thaten und Abſichten beſchuldigt, wovon uns un-
ſer Gewißen frey ſpricht, dann wird es uns ge-
mei
P 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |