Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
warum uns Gott die Beschaffenh. etc.

Gott hat uns zwar in seinem Worte die Ver-
sicherung gegeben, daß uns nach diesem ge-
genwärtigen Leben eine andere Zukunft bevorstehe;
daß er seine rechtschaffenen Verehrer aus Gnaden
ewig belohnen, und seine Verächter hingegen be-
strafen werde; daß die Glückseeligkeit der Seeligen
eben so wohl als das Elend der Verdammten un-
aussprechlich groß seyn werde: aber die eigentliche
Beschaffenheit dieses künftigen Zustandes wird uns
mehrentheils nur unter Bildern, die von sichtba-
ren Dingen hergenommen sind, vorgestellet. Die-
se unvollkommene Beschreibungen leisten den wenig-
sten Menschen Genüge. Sie möchten mehr wis-
sen; ihr Vorwitz forscht nach tausenderley Dingen,
worüber kein Mensch eine befriedigende Erklärung
geben kan; und manche sind nur gar zu sehr ge-
neigt, sich den Himmel so vorzustellen, wie es ih-
ren Wünschen und Neigungen gemäß ist. Noch
andere halten sich berechtiget, an einem künftigen
Lebenszustande gar zu zweifeln, weil ia doch nie-
mand in der andern Welt gewesen, und gesehen
habe, wie es dort zugehet. Auch gutgesinnte Ge-
müther wünschten bisweilen etwas mehr davon zu
wißen, als uns geoffenbaret ist. Und es möchte
auch in der That scheinen, als ob es von großem
Nutzen seyn würde, wenn wir ein recht lebhaftes
Gemählde von den Freuden des zukünftigen Lebens
entwerfen, und daßelbe uns und unsern Mitchri-
sten recht oft zur Betrachtung aufstellen könnten.
Wenn wir im Stande wären, uns die Glückseelig-
keit des Himmels so vorzustellen, wie wir uns et-
was, das wir mit Augen gesehen haben, vorzu-

stellen
warum uns Gott die Beſchaffenh. ꝛc.

Gott hat uns zwar in ſeinem Worte die Ver-
ſicherung gegeben, daß uns nach dieſem ge-
genwärtigen Leben eine andere Zukunft bevorſtehe;
daß er ſeine rechtſchaffenen Verehrer aus Gnaden
ewig belohnen, und ſeine Verächter hingegen be-
ſtrafen werde; daß die Glückſeeligkeit der Seeligen
eben ſo wohl als das Elend der Verdammten un-
ausſprechlich groß ſeyn werde: aber die eigentliche
Beſchaffenheit dieſes künftigen Zuſtandes wird uns
mehrentheils nur unter Bildern, die von ſichtba-
ren Dingen hergenommen ſind, vorgeſtellet. Die-
ſe unvollkommene Beſchreibungen leiſten den wenig-
ſten Menſchen Genüge. Sie möchten mehr wiſ-
ſen; ihr Vorwitz forſcht nach tauſenderley Dingen,
worüber kein Menſch eine befriedigende Erklärung
geben kan; und manche ſind nur gar zu ſehr ge-
neigt, ſich den Himmel ſo vorzuſtellen, wie es ih-
ren Wünſchen und Neigungen gemäß iſt. Noch
andere halten ſich berechtiget, an einem künftigen
Lebenszuſtande gar zu zweifeln, weil ia doch nie-
mand in der andern Welt geweſen, und geſehen
habe, wie es dort zugehet. Auch gutgeſinnte Ge-
müther wünſchten bisweilen etwas mehr davon zu
wißen, als uns geoffenbaret iſt. Und es möchte
auch in der That ſcheinen, als ob es von großem
Nutzen ſeyn würde, wenn wir ein recht lebhaftes
Gemählde von den Freuden des zukünftigen Lebens
entwerfen, und daßelbe uns und unſern Mitchri-
ſten recht oft zur Betrachtung aufſtellen könnten.
Wenn wir im Stande wären, uns die Glückſeelig-
keit des Himmels ſo vorzuſtellen, wie wir uns et-
was, das wir mit Augen geſehen haben, vorzu-

ſtellen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0267" n="257[255]"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">warum uns Gott die Be&#x017F;chaffenh. &#xA75B;c.</hi> </fw><lb/>
        <p><hi rendition="#in">G</hi>ott hat uns zwar in &#x017F;einem Worte die Ver-<lb/>
&#x017F;icherung gegeben, daß uns nach die&#x017F;em ge-<lb/>
genwärtigen Leben eine andere Zukunft bevor&#x017F;tehe;<lb/>
daß er &#x017F;eine recht&#x017F;chaffenen Verehrer aus Gnaden<lb/>
ewig belohnen, und &#x017F;eine Verächter hingegen be-<lb/>
&#x017F;trafen werde; daß die Glück&#x017F;eeligkeit der Seeligen<lb/>
eben &#x017F;o wohl als das Elend der Verdammten un-<lb/>
aus&#x017F;prechlich groß &#x017F;eyn werde: aber die eigentliche<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit die&#x017F;es künftigen Zu&#x017F;tandes wird uns<lb/>
mehrentheils nur unter Bildern, die von &#x017F;ichtba-<lb/>
ren Dingen hergenommen &#x017F;ind, vorge&#x017F;tellet. Die-<lb/>
&#x017F;e unvollkommene Be&#x017F;chreibungen lei&#x017F;ten den wenig-<lb/>
&#x017F;ten Men&#x017F;chen Genüge. Sie möchten mehr wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; ihr Vorwitz for&#x017F;cht nach tau&#x017F;enderley Dingen,<lb/>
worüber kein Men&#x017F;ch eine befriedigende Erklärung<lb/>
geben kan; und manche &#x017F;ind nur gar zu &#x017F;ehr ge-<lb/>
neigt, &#x017F;ich den Himmel &#x017F;o vorzu&#x017F;tellen, wie es ih-<lb/>
ren Wün&#x017F;chen und Neigungen gemäß i&#x017F;t. Noch<lb/>
andere halten &#x017F;ich berechtiget, an einem künftigen<lb/>
Lebenszu&#x017F;tande gar zu zweifeln, weil ia doch nie-<lb/>
mand in der andern Welt gewe&#x017F;en, und ge&#x017F;ehen<lb/>
habe, wie es dort zugehet. Auch gutge&#x017F;innte Ge-<lb/>
müther wün&#x017F;chten bisweilen etwas mehr davon zu<lb/>
wißen, als uns geoffenbaret i&#x017F;t. Und es möchte<lb/>
auch in der That &#x017F;cheinen, als ob es von großem<lb/>
Nutzen &#x017F;eyn würde, wenn wir ein recht lebhaftes<lb/>
Gemählde von den Freuden des zukünftigen Lebens<lb/>
entwerfen, und daßelbe uns und un&#x017F;ern Mitchri-<lb/>
&#x017F;ten recht oft zur Betrachtung auf&#x017F;tellen könnten.<lb/>
Wenn wir im Stande wären, uns die Glück&#x017F;eelig-<lb/>
keit des Himmels &#x017F;o vorzu&#x017F;tellen, wie wir uns et-<lb/>
was, das wir mit Augen ge&#x017F;ehen haben, vorzu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tellen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257[255]/0267] warum uns Gott die Beſchaffenh. ꝛc. Gott hat uns zwar in ſeinem Worte die Ver- ſicherung gegeben, daß uns nach dieſem ge- genwärtigen Leben eine andere Zukunft bevorſtehe; daß er ſeine rechtſchaffenen Verehrer aus Gnaden ewig belohnen, und ſeine Verächter hingegen be- ſtrafen werde; daß die Glückſeeligkeit der Seeligen eben ſo wohl als das Elend der Verdammten un- ausſprechlich groß ſeyn werde: aber die eigentliche Beſchaffenheit dieſes künftigen Zuſtandes wird uns mehrentheils nur unter Bildern, die von ſichtba- ren Dingen hergenommen ſind, vorgeſtellet. Die- ſe unvollkommene Beſchreibungen leiſten den wenig- ſten Menſchen Genüge. Sie möchten mehr wiſ- ſen; ihr Vorwitz forſcht nach tauſenderley Dingen, worüber kein Menſch eine befriedigende Erklärung geben kan; und manche ſind nur gar zu ſehr ge- neigt, ſich den Himmel ſo vorzuſtellen, wie es ih- ren Wünſchen und Neigungen gemäß iſt. Noch andere halten ſich berechtiget, an einem künftigen Lebenszuſtande gar zu zweifeln, weil ia doch nie- mand in der andern Welt geweſen, und geſehen habe, wie es dort zugehet. Auch gutgeſinnte Ge- müther wünſchten bisweilen etwas mehr davon zu wißen, als uns geoffenbaret iſt. Und es möchte auch in der That ſcheinen, als ob es von großem Nutzen ſeyn würde, wenn wir ein recht lebhaftes Gemählde von den Freuden des zukünftigen Lebens entwerfen, und daßelbe uns und unſern Mitchri- ſten recht oft zur Betrachtung aufſtellen könnten. Wenn wir im Stande wären, uns die Glückſeelig- keit des Himmels ſo vorzuſtellen, wie wir uns et- was, das wir mit Augen geſehen haben, vorzu- ſtellen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/267
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 257[255]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/267>, abgerufen am 04.12.2024.