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Roßmäßler, Emil Adolf: Das Süßwasser-Aquarium. Leipzig, 1857.

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Die Thiere des Aquariums.
46. 5.) Von besonderem Interesse ist es aber, den Akt zu belauschen,
wenn sich an einem über dem Wasserspiegel emporragenden Stengel das
häßliche Wasserthier in die schlanke buntfarbige Libelle verwandelt, eine
Gelegenheit, die nicht leicht von einem andern Insekt so bequem geboten
wird. Man sieht, wie die neugeborne Libelle ihre bisherige Gestalt als
leeres Futteral zurückläßt und mit Staunen nimmt man wahr, daß die
vier großen Flügel bisher in den kleinen Scheiden Platz hatten, welche
nur einen kleinen Theil des platten Rückens der Libellenpuppe bedecken.
(Fig. 46. 4 und 5.)

2. Wenn auch die Larven der Köcherjungfern oder Phryganeen manch-
mal ziemlich arge Verwüstungen an den Wasserpflanzen des Aquariums
anrichten, so verdienen sie doch aus dem Aquarium nicht gänzlich ausge-
schlossen zu bleiben, denn sie sind kleine Baumeister von ebenso großer
Geschicklichkeit als eigensinniger Launenhaftigkeit in der Wahl ihrer Bau-
materialien. Aus den verschiedensten Stoffen, wobei jede Art immer densel-
ben Baustoff verwendet, errichten sie sich ein Gehäuse in Form einer Röhre,
indem ihnen Seidenstoff als Mörtel dient, welches sie ebenso fortwährend
mit sich schleppen, wie die Schnecken ihr Haus, nur daß sie in demselben
nicht festgewachsen sind wie diese. Auf dem Grunde der Teiche, Sümpfe
und größeren Gräben findet man fast überall verschiedene Arten der
Phryganeenlarven umherkriechen, indem sie blos den Vorderleib mit den
sechs Beinen aus dem Gehäuse hervorstrecken und dasselbe nachschleppen.
Es besteht bald aus kleinen Kieselsteinchen oder zierlich zusammengekitteten
Glimmerblättchen oder Sandkörnern, bald aus Pflanzensamen, bald aus
kleinen leeren Schneckengehäusen oder aus Stückchen faulen Holzes, bald
auch ist es aus zurechtgeschnittenen Blattstückchen, die spiralig an einan-
der gefügt sind, erbaut. Vor der Verpuppung wird das Gehäuse ganz
geschlossen und nachdem die Puppenruhe vorüber ist, durchbricht das voll-
kommene Insekt in einigermaßen schmetterlingsähnlicher Form, aber düster
und unscheinbar an Färbung, seinen Kerker, um sein Luftleben zu begin-
nen. Figur 47 stellt einige Köcherjungfern mit ihren Larven dar.

Die Thiere des Aquariums.
46. 5.) Von beſonderem Intereſſe iſt es aber, den Akt zu belauſchen,
wenn ſich an einem über dem Waſſerſpiegel emporragenden Stengel das
häßliche Waſſerthier in die ſchlanke buntfarbige Libelle verwandelt, eine
Gelegenheit, die nicht leicht von einem andern Inſekt ſo bequem geboten
wird. Man ſieht, wie die neugeborne Libelle ihre bisherige Geſtalt als
leeres Futteral zurückläßt und mit Staunen nimmt man wahr, daß die
vier großen Flügel bisher in den kleinen Scheiden Platz hatten, welche
nur einen kleinen Theil des platten Rückens der Libellenpuppe bedecken.
(Fig. 46. 4 und 5.)

2. Wenn auch die Larven der Köcherjungfern oder Phryganeen manch-
mal ziemlich arge Verwüſtungen an den Waſſerpflanzen des Aquariums
anrichten, ſo verdienen ſie doch aus dem Aquarium nicht gänzlich ausge-
ſchloſſen zu bleiben, denn ſie ſind kleine Baumeiſter von ebenſo großer
Geſchicklichkeit als eigenſinniger Launenhaftigkeit in der Wahl ihrer Bau-
materialien. Aus den verſchiedenſten Stoffen, wobei jede Art immer denſel-
ben Bauſtoff verwendet, errichten ſie ſich ein Gehäuſe in Form einer Röhre,
indem ihnen Seidenſtoff als Mörtel dient, welches ſie ebenſo fortwährend
mit ſich ſchleppen, wie die Schnecken ihr Haus, nur daß ſie in demſelben
nicht feſtgewachſen ſind wie dieſe. Auf dem Grunde der Teiche, Sümpfe
und größeren Gräben findet man faſt überall verſchiedene Arten der
Phryganeenlarven umherkriechen, indem ſie blos den Vorderleib mit den
ſechs Beinen aus dem Gehäuſe hervorſtrecken und daſſelbe nachſchleppen.
Es beſteht bald aus kleinen Kieſelſteinchen oder zierlich zuſammengekitteten
Glimmerblättchen oder Sandkörnern, bald aus Pflanzenſamen, bald aus
kleinen leeren Schneckengehäuſen oder aus Stückchen faulen Holzes, bald
auch iſt es aus zurechtgeſchnittenen Blattſtückchen, die ſpiralig an einan-
der gefügt ſind, erbaut. Vor der Verpuppung wird das Gehäuſe ganz
geſchloſſen und nachdem die Puppenruhe vorüber iſt, durchbricht das voll-
kommene Inſekt in einigermaßen ſchmetterlingsähnlicher Form, aber düſter
und unſcheinbar an Färbung, ſeinen Kerker, um ſein Luftleben zu begin-
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[58/0074] Die Thiere des Aquariums. 46. 5.) Von beſonderem Intereſſe iſt es aber, den Akt zu belauſchen, wenn ſich an einem über dem Waſſerſpiegel emporragenden Stengel das häßliche Waſſerthier in die ſchlanke buntfarbige Libelle verwandelt, eine Gelegenheit, die nicht leicht von einem andern Inſekt ſo bequem geboten wird. Man ſieht, wie die neugeborne Libelle ihre bisherige Geſtalt als leeres Futteral zurückläßt und mit Staunen nimmt man wahr, daß die vier großen Flügel bisher in den kleinen Scheiden Platz hatten, welche nur einen kleinen Theil des platten Rückens der Libellenpuppe bedecken. (Fig. 46. 4 und 5.) 2. Wenn auch die Larven der Köcherjungfern oder Phryganeen manch- mal ziemlich arge Verwüſtungen an den Waſſerpflanzen des Aquariums anrichten, ſo verdienen ſie doch aus dem Aquarium nicht gänzlich ausge- ſchloſſen zu bleiben, denn ſie ſind kleine Baumeiſter von ebenſo großer Geſchicklichkeit als eigenſinniger Launenhaftigkeit in der Wahl ihrer Bau- materialien. Aus den verſchiedenſten Stoffen, wobei jede Art immer denſel- ben Bauſtoff verwendet, errichten ſie ſich ein Gehäuſe in Form einer Röhre, indem ihnen Seidenſtoff als Mörtel dient, welches ſie ebenſo fortwährend mit ſich ſchleppen, wie die Schnecken ihr Haus, nur daß ſie in demſelben nicht feſtgewachſen ſind wie dieſe. Auf dem Grunde der Teiche, Sümpfe und größeren Gräben findet man faſt überall verſchiedene Arten der Phryganeenlarven umherkriechen, indem ſie blos den Vorderleib mit den ſechs Beinen aus dem Gehäuſe hervorſtrecken und daſſelbe nachſchleppen. Es beſteht bald aus kleinen Kieſelſteinchen oder zierlich zuſammengekitteten Glimmerblättchen oder Sandkörnern, bald aus Pflanzenſamen, bald aus kleinen leeren Schneckengehäuſen oder aus Stückchen faulen Holzes, bald auch iſt es aus zurechtgeſchnittenen Blattſtückchen, die ſpiralig an einan- der gefügt ſind, erbaut. Vor der Verpuppung wird das Gehäuſe ganz geſchloſſen und nachdem die Puppenruhe vorüber iſt, durchbricht das voll- kommene Inſekt in einigermaßen ſchmetterlingsähnlicher Form, aber düſter und unſcheinbar an Färbung, ſeinen Kerker, um ſein Luftleben zu begin- nen. Figur 47 ſtellt einige Köcherjungfern mit ihren Larven dar.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Das Süßwasser-Aquarium. Leipzig, 1857, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_suesswasseraquarium_1857/74>, abgerufen am 24.11.2024.