zwischen sich eine Knospe bildeten, aus welcher sich im folgenden Jahre wieder ein winziger Kurztrieb mit 2 Blättern entwickelte. Diese Kurztriebe haben also seit 7 Jahren am Wachsthum des Baumes Theil genommen und haben es in dieser langen Zeit noch nicht auf 1 Zoll Länge gebracht. Wir haben jetzt der Kürze wegen diese beiden gekrümmten Aestchen an Fig. IV. 8. Kurztriebe genannt, sie sind aber vielmehr zwei Zweige von je 7 an einander gegliederten Kurztrieben. Während diese Zweige jährlich höchstens um 1 Linie zunahmen, hat der Hauptzweig, an dem sie seitlich ansitzen, vielleicht jedes Jahr einen 2 Fuß langen Trieb gemacht. Vor 6 Jahren waren diese aus Kurztrieben zusammengesetzten kleinen Seiten- zweige noch so kurz, daß man sie leicht übersehen und meinen konnte, ihre 2 Blätter ständen unmittelbar am Langtriebe. Dies ist der Irrthum, in den man leicht verfallen kann.
Namentlich an diesem Birkenreis können wir den glatten, schlanken Langtrieb von den buckligen und runzligen Kurztrieben leicht unterscheiden, und ebenso erkennen wir in IV. 5. und 7. zwei Kurztriebe von der Espe, und zwar den einen (7.) genau wie den der Birke an einem Stück eines Langtriebes.
Wenn wir nun eine wissenschaftlich bestimmte Unterscheidung zwischen Lang- und Kurztrieben aufstellen wollen, so müssen wir sagen, Langtriebe sind solche Triebe, welche erstens eine bedeutende Längenausdehnung und zahlreiche, weit auseinanderstehende Blätter haben, welche wenigstens theilweise entwicklungsfähige Knospen hinterlassen, während gerade die Endknospe bei ihnen oft fehlschlägt. Viele Weidenarten machen fast nur Langtriebe (deshalb vorzugsweise Ruthen, Gerten genannt); Kurztriebe dagegen sind solche, welche bei einer sehr unbedeutenden Längenausdehnung nur wenige, dicht beisammen an der Spitze stehende Blätter haben, welche in der Regel entwicklungsunfähige Knospen hinterlassen, mit Ausnahme der stets entwicklungsfähigen Endknospe und reiner Blüthenknospen, welche erstere oft auch die einzige Knospe des Kurztriebes ist.
Von letzteren beiden Gegensätzen bieten der Eschenzweig (III. 4.) und die Birken- und Espenzweige (IV. 8. 5. 7.) deutliche Beispiele, indem ersterer beiderlei Knospen hat, von denen jedoch nur die Endknospe entwicklungsfähig war, letztere überhaupt blos eine Endknospe. Kurztriebe letzterer Art haben bei Bäumen, deren Blüthenknospen am vorjährigen
zwiſchen ſich eine Knospe bildeten, aus welcher ſich im folgenden Jahre wieder ein winziger Kurztrieb mit 2 Blättern entwickelte. Dieſe Kurztriebe haben alſo ſeit 7 Jahren am Wachsthum des Baumes Theil genommen und haben es in dieſer langen Zeit noch nicht auf 1 Zoll Länge gebracht. Wir haben jetzt der Kürze wegen dieſe beiden gekrümmten Aeſtchen an Fig. IV. 8. Kurztriebe genannt, ſie ſind aber vielmehr zwei Zweige von je 7 an einander gegliederten Kurztrieben. Während dieſe Zweige jährlich höchſtens um 1 Linie zunahmen, hat der Hauptzweig, an dem ſie ſeitlich anſitzen, vielleicht jedes Jahr einen 2 Fuß langen Trieb gemacht. Vor 6 Jahren waren dieſe aus Kurztrieben zuſammengeſetzten kleinen Seiten- zweige noch ſo kurz, daß man ſie leicht überſehen und meinen konnte, ihre 2 Blätter ſtänden unmittelbar am Langtriebe. Dies iſt der Irrthum, in den man leicht verfallen kann.
Namentlich an dieſem Birkenreis können wir den glatten, ſchlanken Langtrieb von den buckligen und runzligen Kurztrieben leicht unterſcheiden, und ebenſo erkennen wir in IV. 5. und 7. zwei Kurztriebe von der Espe, und zwar den einen (7.) genau wie den der Birke an einem Stück eines Langtriebes.
Wenn wir nun eine wiſſenſchaftlich beſtimmte Unterſcheidung zwiſchen Lang- und Kurztrieben aufſtellen wollen, ſo müſſen wir ſagen, Langtriebe ſind ſolche Triebe, welche erſtens eine bedeutende Längenausdehnung und zahlreiche, weit auseinanderſtehende Blätter haben, welche wenigſtens theilweiſe entwicklungsfähige Knospen hinterlaſſen, während gerade die Endknospe bei ihnen oft fehlſchlägt. Viele Weidenarten machen faſt nur Langtriebe (deshalb vorzugsweiſe Ruthen, Gerten genannt); Kurztriebe dagegen ſind ſolche, welche bei einer ſehr unbedeutenden Längenausdehnung nur wenige, dicht beiſammen an der Spitze ſtehende Blätter haben, welche in der Regel entwicklungsunfähige Knospen hinterlaſſen, mit Ausnahme der ſtets entwicklungsfähigen Endknospe und reiner Blüthenknospen, welche erſtere oft auch die einzige Knospe des Kurztriebes iſt.
Von letzteren beiden Gegenſätzen bieten der Eſchenzweig (III. 4.) und die Birken- und Espenzweige (IV. 8. 5. 7.) deutliche Beiſpiele, indem erſterer beiderlei Knospen hat, von denen jedoch nur die Endknospe entwicklungsfähig war, letztere überhaupt blos eine Endknospe. Kurztriebe letzterer Art haben bei Bäumen, deren Blüthenknospen am vorjährigen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0101"n="77"/>
zwiſchen ſich eine Knospe bildeten, aus welcher ſich im folgenden Jahre<lb/>
wieder ein winziger Kurztrieb mit 2 Blättern entwickelte. Dieſe Kurztriebe<lb/>
haben alſo ſeit 7 Jahren am Wachsthum des Baumes Theil genommen<lb/>
und haben es in dieſer langen Zeit noch nicht auf 1 Zoll Länge gebracht.<lb/>
Wir haben jetzt der Kürze wegen dieſe beiden gekrümmten Aeſtchen an<lb/>
Fig. <hirendition="#aq">IV.</hi> 8. Kurztriebe genannt, ſie ſind aber vielmehr zwei Zweige von<lb/>
je 7 an einander gegliederten Kurztrieben. Während dieſe Zweige jährlich<lb/>
höchſtens um 1 Linie zunahmen, hat der Hauptzweig, an dem ſie ſeitlich<lb/>
anſitzen, vielleicht jedes Jahr einen 2 Fuß langen Trieb gemacht. Vor<lb/>
6 Jahren waren dieſe aus Kurztrieben zuſammengeſetzten kleinen Seiten-<lb/>
zweige noch ſo kurz, daß man ſie leicht überſehen und meinen konnte, ihre<lb/>
2 Blätter ſtänden unmittelbar am Langtriebe. Dies iſt der Irrthum, in<lb/>
den man leicht verfallen kann.</p><lb/><p>Namentlich an dieſem Birkenreis können wir den glatten, ſchlanken<lb/>
Langtrieb von den buckligen und runzligen Kurztrieben leicht unterſcheiden,<lb/>
und ebenſo erkennen wir in <hirendition="#aq">IV.</hi> 5. und 7. zwei Kurztriebe von der Espe,<lb/>
und zwar den einen (7.) genau wie den der Birke an einem Stück<lb/>
eines Langtriebes.</p><lb/><p>Wenn wir nun eine wiſſenſchaftlich beſtimmte Unterſcheidung zwiſchen<lb/>
Lang- und Kurztrieben aufſtellen wollen, ſo müſſen wir ſagen, <hirendition="#g">Langtriebe</hi><lb/>ſind ſolche Triebe, welche erſtens eine bedeutende Längenausdehnung und<lb/>
zahlreiche, weit auseinanderſtehende Blätter haben, welche wenigſtens<lb/>
theilweiſe entwicklungsfähige Knospen hinterlaſſen, während gerade die<lb/>
Endknospe bei ihnen oft fehlſchlägt. Viele Weidenarten machen faſt nur<lb/>
Langtriebe (deshalb vorzugsweiſe Ruthen, Gerten genannt); <hirendition="#g">Kurztriebe</hi><lb/>
dagegen ſind ſolche, welche bei einer ſehr unbedeutenden Längenausdehnung<lb/>
nur wenige, dicht beiſammen an der Spitze ſtehende Blätter haben, welche<lb/>
in der Regel entwicklungsunfähige Knospen hinterlaſſen, mit Ausnahme<lb/>
der ſtets entwicklungsfähigen Endknospe und reiner Blüthenknospen, welche<lb/>
erſtere oft auch die einzige Knospe des Kurztriebes iſt.</p><lb/><p>Von letzteren beiden Gegenſätzen bieten der Eſchenzweig (<hirendition="#aq">III.</hi> 4.) und<lb/>
die Birken- und Espenzweige (<hirendition="#aq">IV.</hi> 8. 5. 7.) deutliche Beiſpiele, indem<lb/>
erſterer beiderlei Knospen hat, von denen jedoch nur die Endknospe<lb/>
entwicklungsfähig war, letztere überhaupt blos eine Endknospe. Kurztriebe<lb/>
letzterer Art haben bei Bäumen, deren Blüthenknospen am vorjährigen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[77/0101]
zwiſchen ſich eine Knospe bildeten, aus welcher ſich im folgenden Jahre
wieder ein winziger Kurztrieb mit 2 Blättern entwickelte. Dieſe Kurztriebe
haben alſo ſeit 7 Jahren am Wachsthum des Baumes Theil genommen
und haben es in dieſer langen Zeit noch nicht auf 1 Zoll Länge gebracht.
Wir haben jetzt der Kürze wegen dieſe beiden gekrümmten Aeſtchen an
Fig. IV. 8. Kurztriebe genannt, ſie ſind aber vielmehr zwei Zweige von
je 7 an einander gegliederten Kurztrieben. Während dieſe Zweige jährlich
höchſtens um 1 Linie zunahmen, hat der Hauptzweig, an dem ſie ſeitlich
anſitzen, vielleicht jedes Jahr einen 2 Fuß langen Trieb gemacht. Vor
6 Jahren waren dieſe aus Kurztrieben zuſammengeſetzten kleinen Seiten-
zweige noch ſo kurz, daß man ſie leicht überſehen und meinen konnte, ihre
2 Blätter ſtänden unmittelbar am Langtriebe. Dies iſt der Irrthum, in
den man leicht verfallen kann.
Namentlich an dieſem Birkenreis können wir den glatten, ſchlanken
Langtrieb von den buckligen und runzligen Kurztrieben leicht unterſcheiden,
und ebenſo erkennen wir in IV. 5. und 7. zwei Kurztriebe von der Espe,
und zwar den einen (7.) genau wie den der Birke an einem Stück
eines Langtriebes.
Wenn wir nun eine wiſſenſchaftlich beſtimmte Unterſcheidung zwiſchen
Lang- und Kurztrieben aufſtellen wollen, ſo müſſen wir ſagen, Langtriebe
ſind ſolche Triebe, welche erſtens eine bedeutende Längenausdehnung und
zahlreiche, weit auseinanderſtehende Blätter haben, welche wenigſtens
theilweiſe entwicklungsfähige Knospen hinterlaſſen, während gerade die
Endknospe bei ihnen oft fehlſchlägt. Viele Weidenarten machen faſt nur
Langtriebe (deshalb vorzugsweiſe Ruthen, Gerten genannt); Kurztriebe
dagegen ſind ſolche, welche bei einer ſehr unbedeutenden Längenausdehnung
nur wenige, dicht beiſammen an der Spitze ſtehende Blätter haben, welche
in der Regel entwicklungsunfähige Knospen hinterlaſſen, mit Ausnahme
der ſtets entwicklungsfähigen Endknospe und reiner Blüthenknospen, welche
erſtere oft auch die einzige Knospe des Kurztriebes iſt.
Von letzteren beiden Gegenſätzen bieten der Eſchenzweig (III. 4.) und
die Birken- und Espenzweige (IV. 8. 5. 7.) deutliche Beiſpiele, indem
erſterer beiderlei Knospen hat, von denen jedoch nur die Endknospe
entwicklungsfähig war, letztere überhaupt blos eine Endknospe. Kurztriebe
letzterer Art haben bei Bäumen, deren Blüthenknospen am vorjährigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/101>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.