der Wurzelspitze aus einem zarten Zellgewebe, welche auf der Wurzelspitze etwa so aufsitzt, wie der Fingerhut auf dem Finger, jedoch so, daß das äußerste Wurzelspitzchen innen im Grunde der Wurzelhaube befestigt ist. Indem nun die feinsten Würzelchen, die Wurzelfasern, Saug- oder Thauwurzeln, Nahrungsflüssigkeit einsaugen, wozu die vielen Pflanzen eigenen Wurzelhaare der Saugwurzeln viel beitragen, verlängern sie sich zugleich -- weiter unten werden wir sehen, woher der Stoff zu diesem Wachsthum kommt -- aber das Wachsen geschieht nicht an der äußersten Spitze des Würzelchens, welche ja die Wurzelhaube bildet, sondern unter derselben, was wir uns am besten so verdeutlichen können, als wenn unsere Fingerspitze unter dem Fingerhute sich verlängerte.
Diese Art des Wachsthums der Würzelchen scheint eine allgemeine zu sein und wir können sie leicht an einigen Meerlinsen (Lemna) in einem Glase Wasser kennen lernen, an deren fadendünnen Wurzeln man auch mit unbewaffnetem Auge die Wurzelhaube leicht sehen kann.
Wir wissen schon, daß die von der jungen Wurzel aufgenommene Bodenfeuchtigkeit nach den Samenlappen geleitet wird, um dort die in diesen aufgespeicherten Nahrungsstoffe aufzulösen, die dann zur Ernährung des ganzen Keimpflänzchens, die Wurzel selbst mit inbegriffen, verwendet wird. Zwischen den sich auseinanderbreitenden Samenlappen, von deren Verbindungsstelle an, schiebt sich nun das beginnende Stämmchen empor, wie sich bei den meisten Baumarten, um jetzt bei diesen zu bleiben, von dieser Stelle an auch abwärts ein Stengelgebilde entwickelt, welches wir besonders ansehnlich bei der Buche finden (Fig. XX., S. 137), und welches man das hypokotyle, d. h. das unterhalb der Kotyledonen stehende Glied nennt. So lange es innerhalb des Samens lag, bildete es das Würzelchen desselben.
An dem aufwärtswachsenden Stämmchen bilden sich nun schnell oder vielmehr fast mit ihm zugleich die ersten echten Blätter, die wir im Bohnensamen sogar bereits vorgebildet fanden (Fig. XIX. 3. S. 135). Man bezeichnet sie als die ersten mit dem Namen Herzblätter oder Primordialblätter. Diese weichen bei manchen Bäumen sehr von den Stammblättern ab, wie wir sie schon bei der Bohne einfach sehen, während doch die späteren Stengelblätter dreizählig oder gedreit sind, wie bei dem Klee. So sind z. B. die Herzblätter der Rüster am Rande
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der Wurzelſpitze aus einem zarten Zellgewebe, welche auf der Wurzelſpitze etwa ſo aufſitzt, wie der Fingerhut auf dem Finger, jedoch ſo, daß das äußerſte Wurzelſpitzchen innen im Grunde der Wurzelhaube befeſtigt iſt. Indem nun die feinſten Würzelchen, die Wurzelfaſern, Saug- oder Thauwurzeln, Nahrungsflüſſigkeit einſaugen, wozu die vielen Pflanzen eigenen Wurzelhaare der Saugwurzeln viel beitragen, verlängern ſie ſich zugleich — weiter unten werden wir ſehen, woher der Stoff zu dieſem Wachsthum kommt — aber das Wachſen geſchieht nicht an der äußerſten Spitze des Würzelchens, welche ja die Wurzelhaube bildet, ſondern unter derſelben, was wir uns am beſten ſo verdeutlichen können, als wenn unſere Fingerſpitze unter dem Fingerhute ſich verlängerte.
Dieſe Art des Wachsthums der Würzelchen ſcheint eine allgemeine zu ſein und wir können ſie leicht an einigen Meerlinſen (Lemna) in einem Glaſe Waſſer kennen lernen, an deren fadendünnen Wurzeln man auch mit unbewaffnetem Auge die Wurzelhaube leicht ſehen kann.
Wir wiſſen ſchon, daß die von der jungen Wurzel aufgenommene Bodenfeuchtigkeit nach den Samenlappen geleitet wird, um dort die in dieſen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe aufzulöſen, die dann zur Ernährung des ganzen Keimpflänzchens, die Wurzel ſelbſt mit inbegriffen, verwendet wird. Zwiſchen den ſich auseinanderbreitenden Samenlappen, von deren Verbindungsſtelle an, ſchiebt ſich nun das beginnende Stämmchen empor, wie ſich bei den meiſten Baumarten, um jetzt bei dieſen zu bleiben, von dieſer Stelle an auch abwärts ein Stengelgebilde entwickelt, welches wir beſonders anſehnlich bei der Buche finden (Fig. XX., S. 137), und welches man das hypokotyle, d. h. das unterhalb der Kotyledonen ſtehende Glied nennt. So lange es innerhalb des Samens lag, bildete es das Würzelchen deſſelben.
An dem aufwärtswachſenden Stämmchen bilden ſich nun ſchnell oder vielmehr faſt mit ihm zugleich die erſten echten Blätter, die wir im Bohnenſamen ſogar bereits vorgebildet fanden (Fig. XIX. 3. S. 135). Man bezeichnet ſie als die erſten mit dem Namen Herzblätter oder Primordialblätter. Dieſe weichen bei manchen Bäumen ſehr von den Stammblättern ab, wie wir ſie ſchon bei der Bohne einfach ſehen, während doch die ſpäteren Stengelblätter dreizählig oder gedreit ſind, wie bei dem Klee. So ſind z. B. die Herzblätter der Rüſter am Rande
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der Wurzelſpitze aus einem zarten Zellgewebe, welche auf der Wurzelſpitze
etwa ſo aufſitzt, wie der Fingerhut auf dem Finger, jedoch ſo, daß das
äußerſte Wurzelſpitzchen innen im Grunde der Wurzelhaube befeſtigt iſt.
Indem nun die feinſten Würzelchen, die Wurzelfaſern, Saug- oder
Thauwurzeln, Nahrungsflüſſigkeit einſaugen, wozu die vielen Pflanzen
eigenen Wurzelhaare der Saugwurzeln viel beitragen, verlängern ſie
ſich zugleich — weiter unten werden wir ſehen, woher der Stoff zu dieſem
Wachsthum kommt — aber das Wachſen geſchieht nicht an der äußerſten
Spitze des Würzelchens, welche ja die Wurzelhaube bildet, ſondern unter
derſelben, was wir uns am beſten ſo verdeutlichen können, als wenn
unſere Fingerſpitze unter dem Fingerhute ſich verlängerte.
Dieſe Art des Wachsthums der Würzelchen ſcheint eine allgemeine
zu ſein und wir können ſie leicht an einigen Meerlinſen (Lemna) in
einem Glaſe Waſſer kennen lernen, an deren fadendünnen Wurzeln man
auch mit unbewaffnetem Auge die Wurzelhaube leicht ſehen kann.
Wir wiſſen ſchon, daß die von der jungen Wurzel aufgenommene
Bodenfeuchtigkeit nach den Samenlappen geleitet wird, um dort die in
dieſen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe aufzulöſen, die dann zur Ernährung
des ganzen Keimpflänzchens, die Wurzel ſelbſt mit inbegriffen, verwendet
wird. Zwiſchen den ſich auseinanderbreitenden Samenlappen, von deren
Verbindungsſtelle an, ſchiebt ſich nun das beginnende Stämmchen empor,
wie ſich bei den meiſten Baumarten, um jetzt bei dieſen zu bleiben, von
dieſer Stelle an auch abwärts ein Stengelgebilde entwickelt, welches wir
beſonders anſehnlich bei der Buche finden (Fig. XX., S. 137), und welches
man das hypokotyle, d. h. das unterhalb der Kotyledonen ſtehende
Glied nennt. So lange es innerhalb des Samens lag, bildete es das
Würzelchen deſſelben.
An dem aufwärtswachſenden Stämmchen bilden ſich nun ſchnell oder
vielmehr faſt mit ihm zugleich die erſten echten Blätter, die wir im
Bohnenſamen ſogar bereits vorgebildet fanden (Fig. XIX. 3. S. 135).
Man bezeichnet ſie als die erſten mit dem Namen Herzblätter oder
Primordialblätter. Dieſe weichen bei manchen Bäumen ſehr von
den Stammblättern ab, wie wir ſie ſchon bei der Bohne einfach ſehen,
während doch die ſpäteren Stengelblätter dreizählig oder gedreit ſind, wie
bei dem Klee. So ſind z. B. die Herzblätter der Rüſter am Rande
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/171>, abgerufen am 22.12.2024.
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