Viele nicht als einen Beweis ansehen, weil diese Erstarrung auch erst nach dem Zerspalten des Stammes stattgefunden haben könne, wie ja bekanntlich tief unter den Gefrierpunkt erkaltetes Wasser, so lange es in vollkommener Ruhe sich befindet, flüssig bleibt, aber in dem Augenblicke, wo es erschüttert wird, sofort zu Eis erstarrt.
Daß hohe Kältegrade einen Einfluß auf die Bäume ausüben, beweisen die Frostrisse, deren im Namen ausgedrückter Ursprung jetzt wohl nicht mehr bezweifelt werden kann. Die Stämme springen dann in einem oft viele Ellen langen Risse auf, welche meist später wieder vernarben. Diese Frostrisse entstehen plötzlich und Viele wollen den damit verbundenen Knall gehört haben. Jedoch sind die erwähnten Vernarbungen früherer Risse wohl in vielen Fällen die Ausheilungen von Blitzschlägen, von welchen die Bäume oft getroffen werden.
Der nöthige Temperaturgrad des Bodens und der Luft, an welchen der Beginn der Saftbewegung im Baume gebunden ist, zeigt sich für die verschiedenen Holzarten verschieden, was sich schon äußerlich durch die verschiedene Ausschlagszeit ausspricht, wenn schon natürlich lange vor der Entfaltung der Knospen die Wurzel ihr Geschäft der Nahrungsaufnahme beginnt.
Das Erwachen des Baumlebens im Saftsteigen ist schon von Alters her als der Markstein des Frühlingseintrittes angesehen worden und eine Menge alter Volkssprüche beziehen sich auf denselben. Es ist dabei der Baum nicht als Ganzes thätig, indem zu seiner Zeit auch am Abhiebe der Wurzelstöcke, die in der vorausgegangenen Winterszeit abgehauen wurden, der Saft in Masse hervorquillt, also hier die allein im Boden zurückgebliebene Wurzel die Nahrungsaufnahme vollzieht, als wenn sie ihren Stamm noch trüge. Diese Erscheinung ist sehr geeignet, die Zeit des Eintretens des Saftstromes zu bestimmen, vorausgesetzt daß sie in solchen Wurzelstöcken dieselbe wie in stehenden Bäumen und nicht vielmehr durch den gewaltsamen Lebenseingriff des Fällens gestört worden ist.
Hier muß noch einer auffallenden Erscheinung ähnlicher Natur gedacht werden, woraus ebenfalls eine partielle Bewegung des Saftes hervorzu- gehen scheint; man beobachtete nämlich, daß ein einzelner Zweig, welchen man während des Winters durch eine Oeffnung am Fenster in ein
Viele nicht als einen Beweis anſehen, weil dieſe Erſtarrung auch erſt nach dem Zerſpalten des Stammes ſtattgefunden haben könne, wie ja bekanntlich tief unter den Gefrierpunkt erkaltetes Waſſer, ſo lange es in vollkommener Ruhe ſich befindet, flüſſig bleibt, aber in dem Augenblicke, wo es erſchüttert wird, ſofort zu Eis erſtarrt.
Daß hohe Kältegrade einen Einfluß auf die Bäume ausüben, beweiſen die Froſtriſſe, deren im Namen ausgedrückter Urſprung jetzt wohl nicht mehr bezweifelt werden kann. Die Stämme ſpringen dann in einem oft viele Ellen langen Riſſe auf, welche meiſt ſpäter wieder vernarben. Dieſe Froſtriſſe entſtehen plötzlich und Viele wollen den damit verbundenen Knall gehört haben. Jedoch ſind die erwähnten Vernarbungen früherer Riſſe wohl in vielen Fällen die Ausheilungen von Blitzſchlägen, von welchen die Bäume oft getroffen werden.
Der nöthige Temperaturgrad des Bodens und der Luft, an welchen der Beginn der Saftbewegung im Baume gebunden iſt, zeigt ſich für die verſchiedenen Holzarten verſchieden, was ſich ſchon äußerlich durch die verſchiedene Ausſchlagszeit ausſpricht, wenn ſchon natürlich lange vor der Entfaltung der Knospen die Wurzel ihr Geſchäft der Nahrungsaufnahme beginnt.
Das Erwachen des Baumlebens im Saftſteigen iſt ſchon von Alters her als der Markſtein des Frühlingseintrittes angeſehen worden und eine Menge alter Volksſprüche beziehen ſich auf denſelben. Es iſt dabei der Baum nicht als Ganzes thätig, indem zu ſeiner Zeit auch am Abhiebe der Wurzelſtöcke, die in der vorausgegangenen Winterszeit abgehauen wurden, der Saft in Maſſe hervorquillt, alſo hier die allein im Boden zurückgebliebene Wurzel die Nahrungsaufnahme vollzieht, als wenn ſie ihren Stamm noch trüge. Dieſe Erſcheinung iſt ſehr geeignet, die Zeit des Eintretens des Saftſtromes zu beſtimmen, vorausgeſetzt daß ſie in ſolchen Wurzelſtöcken dieſelbe wie in ſtehenden Bäumen und nicht vielmehr durch den gewaltſamen Lebenseingriff des Fällens geſtört worden iſt.
Hier muß noch einer auffallenden Erſcheinung ähnlicher Natur gedacht werden, woraus ebenfalls eine partielle Bewegung des Saftes hervorzu- gehen ſcheint; man beobachtete nämlich, daß ein einzelner Zweig, welchen man während des Winters durch eine Oeffnung am Fenſter in ein
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Viele nicht als einen Beweis anſehen, weil dieſe Erſtarrung auch erſt
nach dem Zerſpalten des Stammes ſtattgefunden haben könne, wie ja
bekanntlich tief unter den Gefrierpunkt erkaltetes Waſſer, ſo lange es in
vollkommener Ruhe ſich befindet, flüſſig bleibt, aber in dem Augenblicke,
wo es erſchüttert wird, ſofort zu Eis erſtarrt.
Daß hohe Kältegrade einen Einfluß auf die Bäume ausüben, beweiſen
die Froſtriſſe, deren im Namen ausgedrückter Urſprung jetzt wohl nicht
mehr bezweifelt werden kann. Die Stämme ſpringen dann in einem oft
viele Ellen langen Riſſe auf, welche meiſt ſpäter wieder vernarben. Dieſe
Froſtriſſe entſtehen plötzlich und Viele wollen den damit verbundenen
Knall gehört haben. Jedoch ſind die erwähnten Vernarbungen früherer
Riſſe wohl in vielen Fällen die Ausheilungen von Blitzſchlägen, von
welchen die Bäume oft getroffen werden.
Der nöthige Temperaturgrad des Bodens und der Luft, an welchen
der Beginn der Saftbewegung im Baume gebunden iſt, zeigt ſich für die
verſchiedenen Holzarten verſchieden, was ſich ſchon äußerlich durch die
verſchiedene Ausſchlagszeit ausſpricht, wenn ſchon natürlich lange vor der
Entfaltung der Knospen die Wurzel ihr Geſchäft der Nahrungsaufnahme
beginnt.
Das Erwachen des Baumlebens im Saftſteigen iſt ſchon von Alters
her als der Markſtein des Frühlingseintrittes angeſehen worden und eine
Menge alter Volksſprüche beziehen ſich auf denſelben. Es iſt dabei der
Baum nicht als Ganzes thätig, indem zu ſeiner Zeit auch am Abhiebe
der Wurzelſtöcke, die in der vorausgegangenen Winterszeit abgehauen
wurden, der Saft in Maſſe hervorquillt, alſo hier die allein im Boden
zurückgebliebene Wurzel die Nahrungsaufnahme vollzieht, als wenn ſie
ihren Stamm noch trüge. Dieſe Erſcheinung iſt ſehr geeignet, die Zeit
des Eintretens des Saftſtromes zu beſtimmen, vorausgeſetzt daß ſie
in ſolchen Wurzelſtöcken dieſelbe wie in ſtehenden Bäumen und nicht
vielmehr durch den gewaltſamen Lebenseingriff des Fällens geſtört
worden iſt.
Hier muß noch einer auffallenden Erſcheinung ähnlicher Natur gedacht
werden, woraus ebenfalls eine partielle Bewegung des Saftes hervorzu-
gehen ſcheint; man beobachtete nämlich, daß ein einzelner Zweig, welchen
man während des Winters durch eine Oeffnung am Fenſter in ein
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/183>, abgerufen am 22.12.2024.
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