findet, als sei dieselbe eben zwischen Rinde und Holz gewesen. Die Thatsache kennen die Knaben sehr gut, denn sie ziehen mit Leichtigkeit ein längeres Rindenrohr von der Weidenruthe ab, nachdem sie vorher durch Schlagen und Drücken die Rinde gelockert haben. Aber eben diese nöthige Vorbereitung beweist, daß der Saft nicht frei zwischen Rinde und Holz eingeschlossen war, sonst würde jenes Klopfen und Drücken nicht nöthig sein und das Rindenrohr sich auch ohne dieses leicht abziehen lassen. Vielmehr muß der Saft in einem zarthäutigen, locker verbundenen Ge- webe eingeschlossen sein, welches eben durch jene Vorbereitung leicht zer- rissen und von dem Holze abgelöst wird. Von dem Vorhandensein dieses Gewebes kann man sich leicht überzeugen, wenn man mit dem Messer- rücken diesen vermeintlichen etwas schleimigen Saft zusammenstreicht. Man findet nicht einen solchen, sondern vielmehr einen schleimigen Brei, der sich mit der Lupe als aus zarthäutigen Zellen bestehend erweist, wenn man ihn in klarem Wasser sich ausbreiten läßt. Wir haben hier also einen bereits fertigen Theil der neuen Holzlage.
Wenn nun also dieser nur dem oberflächlichen Anschein nach freie Saft schon nicht mehr der Bildungssaft ist, sondern daraus bereits ge- staltetes zartes Gewebe, so müssen wir ihn anderswo suchen.
Wir wissen schon, daß diejenigen Grundorgane, welche die Saft- leitung besorgen, lang gestreckt sein müssen, während die sogenannten kurzen, d. h. nach keiner Richtung vorwaltend ausgedehnten Zellen mehr der Verarbeitung des Saftes (Assimilation) dienen.
Sowohl im Holze, wie in der Rinde finden sich gestreckte Zellen, in ersterem außerdem noch die besonders langen feinen Gefäßröhren. Da aber in dem Holze der aufwärts gerichtete Strom des rohen Nahrungs- saftes stattfindet, so ist schon deshalb nicht anzunehmen, daß der abwärts strömende Bildungssaft denselben Weg nehmen werde, wie anderseits dieses auch durch unmittelbare Beobachtungen widerlegt ist. Es bleibt also nur das Rindengewebe als die Bahn für den Bildungssaft übrig und zwar sind es in diesem die sehr langgestreckten Bast- zellen, in denen der Bildungssaft abwärts geleitet wird.
Da aber nicht alle Bäume in der Rinde solche eigentliche, d. h. lang- gestreckte beiderseits spitz endende Bastzellen haben (S. 113), und diese, wo sie da sind, meist außerordentlich dickwandig und daher wenig geeignet
findet, als ſei dieſelbe eben zwiſchen Rinde und Holz geweſen. Die Thatſache kennen die Knaben ſehr gut, denn ſie ziehen mit Leichtigkeit ein längeres Rindenrohr von der Weidenruthe ab, nachdem ſie vorher durch Schlagen und Drücken die Rinde gelockert haben. Aber eben dieſe nöthige Vorbereitung beweiſt, daß der Saft nicht frei zwiſchen Rinde und Holz eingeſchloſſen war, ſonſt würde jenes Klopfen und Drücken nicht nöthig ſein und das Rindenrohr ſich auch ohne dieſes leicht abziehen laſſen. Vielmehr muß der Saft in einem zarthäutigen, locker verbundenen Ge- webe eingeſchloſſen ſein, welches eben durch jene Vorbereitung leicht zer- riſſen und von dem Holze abgelöſt wird. Von dem Vorhandenſein dieſes Gewebes kann man ſich leicht überzeugen, wenn man mit dem Meſſer- rücken dieſen vermeintlichen etwas ſchleimigen Saft zuſammenſtreicht. Man findet nicht einen ſolchen, ſondern vielmehr einen ſchleimigen Brei, der ſich mit der Lupe als aus zarthäutigen Zellen beſtehend erweiſt, wenn man ihn in klarem Waſſer ſich ausbreiten läßt. Wir haben hier alſo einen bereits fertigen Theil der neuen Holzlage.
Wenn nun alſo dieſer nur dem oberflächlichen Anſchein nach freie Saft ſchon nicht mehr der Bildungsſaft iſt, ſondern daraus bereits ge- ſtaltetes zartes Gewebe, ſo müſſen wir ihn anderswo ſuchen.
Wir wiſſen ſchon, daß diejenigen Grundorgane, welche die Saft- leitung beſorgen, lang geſtreckt ſein müſſen, während die ſogenannten kurzen, d. h. nach keiner Richtung vorwaltend ausgedehnten Zellen mehr der Verarbeitung des Saftes (Aſſimilation) dienen.
Sowohl im Holze, wie in der Rinde finden ſich geſtreckte Zellen, in erſterem außerdem noch die beſonders langen feinen Gefäßröhren. Da aber in dem Holze der aufwärts gerichtete Strom des rohen Nahrungs- ſaftes ſtattfindet, ſo iſt ſchon deshalb nicht anzunehmen, daß der abwärts ſtrömende Bildungsſaft denſelben Weg nehmen werde, wie anderſeits dieſes auch durch unmittelbare Beobachtungen widerlegt iſt. Es bleibt alſo nur das Rindengewebe als die Bahn für den Bildungsſaft übrig und zwar ſind es in dieſem die ſehr langgeſtreckten Baſt- zellen, in denen der Bildungsſaft abwärts geleitet wird.
Da aber nicht alle Bäume in der Rinde ſolche eigentliche, d. h. lang- geſtreckte beiderſeits ſpitz endende Baſtzellen haben (S. 113), und dieſe, wo ſie da ſind, meiſt außerordentlich dickwandig und daher wenig geeignet
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findet, als ſei dieſelbe eben zwiſchen Rinde und Holz geweſen. Die
Thatſache kennen die Knaben ſehr gut, denn ſie ziehen mit Leichtigkeit
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durch Schlagen und Drücken die Rinde gelockert haben. Aber eben dieſe
nöthige Vorbereitung beweiſt, daß der Saft nicht frei zwiſchen Rinde und
Holz eingeſchloſſen war, ſonſt würde jenes Klopfen und Drücken nicht
nöthig ſein und das Rindenrohr ſich auch ohne dieſes leicht abziehen laſſen.
Vielmehr muß der Saft in einem zarthäutigen, locker verbundenen Ge-
webe eingeſchloſſen ſein, welches eben durch jene Vorbereitung leicht zer-
riſſen und von dem Holze abgelöſt wird. Von dem Vorhandenſein dieſes
Gewebes kann man ſich leicht überzeugen, wenn man mit dem Meſſer-
rücken dieſen vermeintlichen etwas ſchleimigen Saft zuſammenſtreicht. Man
findet nicht einen ſolchen, ſondern vielmehr einen ſchleimigen Brei, der
ſich mit der Lupe als aus zarthäutigen Zellen beſtehend erweiſt, wenn
man ihn in klarem Waſſer ſich ausbreiten läßt. Wir haben hier alſo
einen bereits fertigen Theil der neuen Holzlage.
Wenn nun alſo dieſer nur dem oberflächlichen Anſchein nach freie
Saft ſchon nicht mehr der Bildungsſaft iſt, ſondern daraus bereits ge-
ſtaltetes zartes Gewebe, ſo müſſen wir ihn anderswo ſuchen.
Wir wiſſen ſchon, daß diejenigen Grundorgane, welche die Saft-
leitung beſorgen, lang geſtreckt ſein müſſen, während die ſogenannten
kurzen, d. h. nach keiner Richtung vorwaltend ausgedehnten Zellen mehr
der Verarbeitung des Saftes (Aſſimilation) dienen.
Sowohl im Holze, wie in der Rinde finden ſich geſtreckte Zellen, in
erſterem außerdem noch die beſonders langen feinen Gefäßröhren. Da
aber in dem Holze der aufwärts gerichtete Strom des rohen Nahrungs-
ſaftes ſtattfindet, ſo iſt ſchon deshalb nicht anzunehmen, daß der abwärts
ſtrömende Bildungsſaft denſelben Weg nehmen werde, wie anderſeits
dieſes auch durch unmittelbare Beobachtungen widerlegt iſt. Es bleibt
alſo nur das Rindengewebe als die Bahn für den Bildungsſaft übrig
und zwar ſind es in dieſem die ſehr langgeſtreckten Baſt-
zellen, in denen der Bildungsſaft abwärts geleitet wird.
Da aber nicht alle Bäume in der Rinde ſolche eigentliche, d. h. lang-
geſtreckte beiderſeits ſpitz endende Baſtzellen haben (S. 113), und dieſe,
wo ſie da ſind, meiſt außerordentlich dickwandig und daher wenig geeignet
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/195>, abgerufen am 22.12.2024.
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