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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Heer schädlicher Insekten zuweilen so unermeßlich groß ist, daß die Ver-
tilgung von Hunderttausenden denselben nur wenig Abbruch thut; und
diese Gefahr ist nirgends größer als im Kiefern-Reviere, da selbst der
Erbfeind der Fichte, der Borkenkäfer, viel seltner als Waldkalamität
auftritt.

In der Ausübung des Forstschutzes, namentlich gegen die schädlichen
Raupen, spielt eine sehr artenreiche Insektenfamilie eine überaus wichtige
Rolle, die Rolle der Bundesgenossenschaft des Forstmannes im Kampfe
gegen die schädlichen Insekten. Dies sind die Schlupfwespen, Ichneu-
moniden
, welche mit den Wespen, Bienen und Ameisen in die Ordnung
der Aderflügler gehören.

Diese wohlthätigen Thiere überstehen ihre drei ersten Entwicklungs-
zustände im Innern anderer lebender Insekten, denen sie dadurch immer
zuletzt den Tod bringen und dadurch bei großen Insektenausbreitungen
im Walde deren vielmehr vertilgen als der Forstmann, der zu diesem
Ende Hunderte von Menschen seine Bestände durchstreifen läßt.

Das Schlupfwespenweibchen legt seine Eier auf oder in die Haut
seines Schlachtopfers und wählt dazu in den allermeisten Fällen den
Larvenzustand, seltner den Eizustand desselben. Eine höchst bemerkens-
werthe Erscheinung ist es dabei, daß der Tod des von Schlupfwespen
bewohnten Insektes spätestens immer im Puppenzustande erfolgt, in dem
erst nur sehr wenige Fälle bekannt sind, daß ein solches Insekt es bis
zum Fliegenzustand brachte, und dann erst von seinem inwendig nagenden
Feinde getödtet wurde. Man kann also die große, nur sehr seltene Aus-
nahmen habende Regel aufstellen, daß ein Insekt vor diesen seinen Erb-
feinden aus seiner eigenen Klasse gesichert ist, sobald es einmal in den
Fliegenzustand eingetreten ist.

Der namentlich bei dem Kiefernspinner und der Nonne mehrmals
vorgekommene Fall, daß man auf dem Höhenpunkte der Verbreitung
die meisten Raupen, Puppen und Eier von Schlupfwespen bewohnt und
daher dem sichern Tode geweiht fand, so daß es den Anschein hatte, daß
diese wirklich die Retter des Waldes im Augenblick der höchsten Gefahr
gewesen seien, hat dennoch unter den Forstgelehrten eine Meinungsver-
schiedenheit aufkommen lassen, welche andererseits das Verdienst der
Schlupfwespen in Zweifel stellt. Man glaubt nämlich von einer Seite

Heer ſchädlicher Inſekten zuweilen ſo unermeßlich groß iſt, daß die Ver-
tilgung von Hunderttauſenden denſelben nur wenig Abbruch thut; und
dieſe Gefahr iſt nirgends größer als im Kiefern-Reviere, da ſelbſt der
Erbfeind der Fichte, der Borkenkäfer, viel ſeltner als Waldkalamität
auftritt.

In der Ausübung des Forſtſchutzes, namentlich gegen die ſchädlichen
Raupen, ſpielt eine ſehr artenreiche Inſektenfamilie eine überaus wichtige
Rolle, die Rolle der Bundesgenoſſenſchaft des Forſtmannes im Kampfe
gegen die ſchädlichen Inſekten. Dies ſind die Schlupfwespen, Ichneu-
moniden
, welche mit den Wespen, Bienen und Ameiſen in die Ordnung
der Aderflügler gehören.

Dieſe wohlthätigen Thiere überſtehen ihre drei erſten Entwicklungs-
zuſtände im Innern anderer lebender Inſekten, denen ſie dadurch immer
zuletzt den Tod bringen und dadurch bei großen Inſektenausbreitungen
im Walde deren vielmehr vertilgen als der Forſtmann, der zu dieſem
Ende Hunderte von Menſchen ſeine Beſtände durchſtreifen läßt.

Das Schlupfwespenweibchen legt ſeine Eier auf oder in die Haut
ſeines Schlachtopfers und wählt dazu in den allermeiſten Fällen den
Larvenzuſtand, ſeltner den Eizuſtand deſſelben. Eine höchſt bemerkens-
werthe Erſcheinung iſt es dabei, daß der Tod des von Schlupfwespen
bewohnten Inſektes ſpäteſtens immer im Puppenzuſtande erfolgt, in dem
erſt nur ſehr wenige Fälle bekannt ſind, daß ein ſolches Inſekt es bis
zum Fliegenzuſtand brachte, und dann erſt von ſeinem inwendig nagenden
Feinde getödtet wurde. Man kann alſo die große, nur ſehr ſeltene Aus-
nahmen habende Regel aufſtellen, daß ein Inſekt vor dieſen ſeinen Erb-
feinden aus ſeiner eigenen Klaſſe geſichert iſt, ſobald es einmal in den
Fliegenzuſtand eingetreten iſt.

Der namentlich bei dem Kiefernſpinner und der Nonne mehrmals
vorgekommene Fall, daß man auf dem Höhenpunkte der Verbreitung
die meiſten Raupen, Puppen und Eier von Schlupfwespen bewohnt und
daher dem ſichern Tode geweiht fand, ſo daß es den Anſchein hatte, daß
dieſe wirklich die Retter des Waldes im Augenblick der höchſten Gefahr
geweſen ſeien, hat dennoch unter den Forſtgelehrten eine Meinungsver-
ſchiedenheit aufkommen laſſen, welche andererſeits das Verdienſt der
Schlupfwespen in Zweifel ſtellt. Man glaubt nämlich von einer Seite

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[271/0297] Heer ſchädlicher Inſekten zuweilen ſo unermeßlich groß iſt, daß die Ver- tilgung von Hunderttauſenden denſelben nur wenig Abbruch thut; und dieſe Gefahr iſt nirgends größer als im Kiefern-Reviere, da ſelbſt der Erbfeind der Fichte, der Borkenkäfer, viel ſeltner als Waldkalamität auftritt. In der Ausübung des Forſtſchutzes, namentlich gegen die ſchädlichen Raupen, ſpielt eine ſehr artenreiche Inſektenfamilie eine überaus wichtige Rolle, die Rolle der Bundesgenoſſenſchaft des Forſtmannes im Kampfe gegen die ſchädlichen Inſekten. Dies ſind die Schlupfwespen, Ichneu- moniden, welche mit den Wespen, Bienen und Ameiſen in die Ordnung der Aderflügler gehören. Dieſe wohlthätigen Thiere überſtehen ihre drei erſten Entwicklungs- zuſtände im Innern anderer lebender Inſekten, denen ſie dadurch immer zuletzt den Tod bringen und dadurch bei großen Inſektenausbreitungen im Walde deren vielmehr vertilgen als der Forſtmann, der zu dieſem Ende Hunderte von Menſchen ſeine Beſtände durchſtreifen läßt. Das Schlupfwespenweibchen legt ſeine Eier auf oder in die Haut ſeines Schlachtopfers und wählt dazu in den allermeiſten Fällen den Larvenzuſtand, ſeltner den Eizuſtand deſſelben. Eine höchſt bemerkens- werthe Erſcheinung iſt es dabei, daß der Tod des von Schlupfwespen bewohnten Inſektes ſpäteſtens immer im Puppenzuſtande erfolgt, in dem erſt nur ſehr wenige Fälle bekannt ſind, daß ein ſolches Inſekt es bis zum Fliegenzuſtand brachte, und dann erſt von ſeinem inwendig nagenden Feinde getödtet wurde. Man kann alſo die große, nur ſehr ſeltene Aus- nahmen habende Regel aufſtellen, daß ein Inſekt vor dieſen ſeinen Erb- feinden aus ſeiner eigenen Klaſſe geſichert iſt, ſobald es einmal in den Fliegenzuſtand eingetreten iſt. Der namentlich bei dem Kiefernſpinner und der Nonne mehrmals vorgekommene Fall, daß man auf dem Höhenpunkte der Verbreitung die meiſten Raupen, Puppen und Eier von Schlupfwespen bewohnt und daher dem ſichern Tode geweiht fand, ſo daß es den Anſchein hatte, daß dieſe wirklich die Retter des Waldes im Augenblick der höchſten Gefahr geweſen ſeien, hat dennoch unter den Forſtgelehrten eine Meinungsver- ſchiedenheit aufkommen laſſen, welche andererſeits das Verdienſt der Schlupfwespen in Zweifel ſtellt. Man glaubt nämlich von einer Seite

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/297>, abgerufen am 23.12.2024.