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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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behaarte Raupe (5.) ist von vielen ähnlichen sehr leicht zu unterscheiden
durch zwei stahlblaue Flecken, welche sie im Nacken zwischen dem ersten
und zweiten und zweiten und dritten Leibesringel hat und welche nament-
lich beim Herabbiegen des Kopfes hervortreten (5**.). Sie bestehen aus
platten Borstchen, welche bei der Bereitung des schmutzig braungrauen
Gespinnstes äußerlich immer mit verwendet werden und daher auch dieses
leicht kennbar machen (4.).

Die Gefräßigkeit der "großen Kiefernraupe" ist außerordentlich groß
und wenn man ihr bei warmen Sonnenschein zusieht, so scheint sie in
großen Bissen die Kiefernnadel gleichsam ins Maul hineinzuschieben und
das sehr unvollkommene Verdauungsvermögen der Raupen, welches nur
die flüssigen Theile der gefressenen Pflanzennahrung oberflächlich auszieht,
erklärt hinlänglich deren großes Nahrungsbedürfniß.

Der braun und grau gezeichnete Schmetterling (1. 2.) fliegt um
die Mitte des Juli träg in den erwachsenen 60--80jährigen Kiefern-
beständen und legt am liebsten in Brusthöhe seine 100 bis 250 hirsekorn-
großen anfangs hellgrünen und später silbergrauen Eier in Klumpen von
40 -- 50 an die Stämme ab, aus denen je nach der Witterung nach
2 -- 4 Wochen die anfangs sehr kleinen Räupchen auskriechen. Diese
fressen in den Wipfeln bis zum Eintritt des Winters, verlassen dann
kaum halbwüchsig die Bäume, um sich in der Bodendecke gekrümmt zur
Winterruhe zu begeben. Mit Eintritt der ersten Frühjahrswärme ver-
lassen sie ihr Winterlager, kehren in die Wipfel zurück und sind im Juni
ausgewachsen. Das dichte, an dem Kopfende mit einem Seidengewirr
verschlossene, pflaumenförmige Gespinnst (4.) findet man meist zwischen
den Nadeln an den Trieben. Nach kurzer Puppenruhe kommt aus diesem
der Schmetterling hervor. Bei großen Ausbreitungen, welche meist sich
bis in das dritte Jahr steigern, findet man zur Sommerszeit meist
Raupen von allen Größen, so daß also auch hierin der regelmäßige
Lebensverlauf des Thieres gestört erscheint.

Da die Raupe des Kiefernspinners die ganzen Nadeln bis auf die
Scheide frißt, wodurch das kleine auf S. 260 uns bekannt gewordene
Knöspchen mit verletzt wird, so schlagen die entnadelten Triebe nicht
wieder aus und völlig entnadelte Bäume sterben sehr schnell und es

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behaarte Raupe (5.) iſt von vielen ähnlichen ſehr leicht zu unterſcheiden
durch zwei ſtahlblaue Flecken, welche ſie im Nacken zwiſchen dem erſten
und zweiten und zweiten und dritten Leibesringel hat und welche nament-
lich beim Herabbiegen des Kopfes hervortreten (5**.). Sie beſtehen aus
platten Borſtchen, welche bei der Bereitung des ſchmutzig braungrauen
Geſpinnſtes äußerlich immer mit verwendet werden und daher auch dieſes
leicht kennbar machen (4.).

Die Gefräßigkeit der „großen Kiefernraupe“ iſt außerordentlich groß
und wenn man ihr bei warmen Sonnenſchein zuſieht, ſo ſcheint ſie in
großen Biſſen die Kiefernnadel gleichſam ins Maul hineinzuſchieben und
das ſehr unvollkommene Verdauungsvermögen der Raupen, welches nur
die flüſſigen Theile der gefreſſenen Pflanzennahrung oberflächlich auszieht,
erklärt hinlänglich deren großes Nahrungsbedürfniß.

Der braun und grau gezeichnete Schmetterling (1. 2.) fliegt um
die Mitte des Juli träg in den erwachſenen 60—80jährigen Kiefern-
beſtänden und legt am liebſten in Bruſthöhe ſeine 100 bis 250 hirſekorn-
großen anfangs hellgrünen und ſpäter ſilbergrauen Eier in Klumpen von
40 — 50 an die Stämme ab, aus denen je nach der Witterung nach
2 — 4 Wochen die anfangs ſehr kleinen Räupchen auskriechen. Dieſe
freſſen in den Wipfeln bis zum Eintritt des Winters, verlaſſen dann
kaum halbwüchſig die Bäume, um ſich in der Bodendecke gekrümmt zur
Winterruhe zu begeben. Mit Eintritt der erſten Frühjahrswärme ver-
laſſen ſie ihr Winterlager, kehren in die Wipfel zurück und ſind im Juni
ausgewachſen. Das dichte, an dem Kopfende mit einem Seidengewirr
verſchloſſene, pflaumenförmige Geſpinnſt (4.) findet man meiſt zwiſchen
den Nadeln an den Trieben. Nach kurzer Puppenruhe kommt aus dieſem
der Schmetterling hervor. Bei großen Ausbreitungen, welche meiſt ſich
bis in das dritte Jahr ſteigern, findet man zur Sommerszeit meiſt
Raupen von allen Größen, ſo daß alſo auch hierin der regelmäßige
Lebensverlauf des Thieres geſtört erſcheint.

Da die Raupe des Kiefernſpinners die ganzen Nadeln bis auf die
Scheide frißt, wodurch das kleine auf S. 260 uns bekannt gewordene
Knöspchen mit verletzt wird, ſo ſchlagen die entnadelten Triebe nicht
wieder aus und völlig entnadelte Bäume ſterben ſehr ſchnell und es

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[275/0301] behaarte Raupe (5.) iſt von vielen ähnlichen ſehr leicht zu unterſcheiden durch zwei ſtahlblaue Flecken, welche ſie im Nacken zwiſchen dem erſten und zweiten und zweiten und dritten Leibesringel hat und welche nament- lich beim Herabbiegen des Kopfes hervortreten (5**.). Sie beſtehen aus platten Borſtchen, welche bei der Bereitung des ſchmutzig braungrauen Geſpinnſtes äußerlich immer mit verwendet werden und daher auch dieſes leicht kennbar machen (4.). Die Gefräßigkeit der „großen Kiefernraupe“ iſt außerordentlich groß und wenn man ihr bei warmen Sonnenſchein zuſieht, ſo ſcheint ſie in großen Biſſen die Kiefernnadel gleichſam ins Maul hineinzuſchieben und das ſehr unvollkommene Verdauungsvermögen der Raupen, welches nur die flüſſigen Theile der gefreſſenen Pflanzennahrung oberflächlich auszieht, erklärt hinlänglich deren großes Nahrungsbedürfniß. Der braun und grau gezeichnete Schmetterling (1. 2.) fliegt um die Mitte des Juli träg in den erwachſenen 60—80jährigen Kiefern- beſtänden und legt am liebſten in Bruſthöhe ſeine 100 bis 250 hirſekorn- großen anfangs hellgrünen und ſpäter ſilbergrauen Eier in Klumpen von 40 — 50 an die Stämme ab, aus denen je nach der Witterung nach 2 — 4 Wochen die anfangs ſehr kleinen Räupchen auskriechen. Dieſe freſſen in den Wipfeln bis zum Eintritt des Winters, verlaſſen dann kaum halbwüchſig die Bäume, um ſich in der Bodendecke gekrümmt zur Winterruhe zu begeben. Mit Eintritt der erſten Frühjahrswärme ver- laſſen ſie ihr Winterlager, kehren in die Wipfel zurück und ſind im Juni ausgewachſen. Das dichte, an dem Kopfende mit einem Seidengewirr verſchloſſene, pflaumenförmige Geſpinnſt (4.) findet man meiſt zwiſchen den Nadeln an den Trieben. Nach kurzer Puppenruhe kommt aus dieſem der Schmetterling hervor. Bei großen Ausbreitungen, welche meiſt ſich bis in das dritte Jahr ſteigern, findet man zur Sommerszeit meiſt Raupen von allen Größen, ſo daß alſo auch hierin der regelmäßige Lebensverlauf des Thieres geſtört erſcheint. Da die Raupe des Kiefernſpinners die ganzen Nadeln bis auf die Scheide frißt, wodurch das kleine auf S. 260 uns bekannt gewordene Knöspchen mit verletzt wird, ſo ſchlagen die entnadelten Triebe nicht wieder aus und völlig entnadelte Bäume ſterben ſehr ſchnell und es 18*

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/301>, abgerufen am 23.12.2024.