Die weiblichen Blüthenzäpfchen stehen nur selten an der Spitze des Triebes, und zwar oft zu zwei und drei hintereinander senk- recht aufgerichtet in der Längserstreckung horizontaler kräftiger Triebe des Wipfels. Sie sind meist von gelbgrüner Farbe und von den Fichten- blüthenzäpfchen dadurch sehr leicht zu unterscheiden, daß die Deckschuppen als lange Spitzen über die Blüthenschuppen hervorragen und auswärts gebogen sind, während dieselben bei der Fichte gar nicht sichtbar sind (Fig. 2., 3. und 4.). Nach der Bestäubung, welche zu derselben Zeit wie bei der Fichte im Monat Mai stattfindet, bleiben die weiblichen Blüthen- zäpfchen aufrecht gerichtet und die schnell nachwachsenden Blüthenschuppen bleiben dennoch bedeutend kürzer als die immer sichtbar bleibenden spitzen Deckschuppen. Wenn die jungen Zapfen ungefähr die Länge eines Fingers erlangt haben, so fallen sie in einem reichen Samenjahre sehr in das Auge. Der 3 bis 5 Zoll lange reife Zapfen ist fast von walzenförmiger Gestalt, oben abgestumpft und zuletzt in eine kleine stumpfe Spitze sich erhebend (XLVIII. 1.). Der sichtbare Theil der Zapfen- schuppen ist viel breiter als hoch und seine obere Begrenzungslinie bildet einen flachen Bogen. Die Farbe des reifen Zapfens ist ein düsteres Chocolatbraun, er ist völlig glanzlos und fast immer hängen verhärtete Harztropfen daran. Wie bei allen ächten Nadelhölzern, liegen unter jeder Schuppe zwei geflügelte Samen, welche nebst einer anderen Eigen- thümlichkeit des Zapfens einen sehr wesentlichen Unterschied von der Fichte begründen. Der Umschlag des Flügels, welcher den Samen in der für ihn bestimmten Aushöhlung des Flügels festhält, ist bei der Tanne so breit, daß er fast das ganze Samenkorn bedeckt (XLVIII. 5. +). Der Same ist größer und unregelmäßiger gestaltet als der Fichtensame, düster dunkelbraun und namentlich durch einige unregelmäßige Buckel unterschieden, welche die Stellen sind, wo unter der Samenschale Drüsen liegen, welche mit einem wohlriechenden ätherischen Oel gefüllt sind, welches dem Fichtensamen gänzlich fehlt. Ein sehr auffallendes Merkmal besitzt der Tannenzapfen darin, daß er nicht die Samen allein abfliegen läßt und erst später entleert vom Baume abfällt, sondern daß er sich nach der Samenreife, oder vielmehr beim Abfliegen des Samens im April des folgenden Jahres ganz auflöst, so daß blos die spindelähnliche aufrecht stehende Achse am Triebe stehen bleibt und also die Zapfen-
Die weiblichen Blüthenzäpfchen ſtehen nur ſelten an der Spitze des Triebes, und zwar oft zu zwei und drei hintereinander ſenk- recht aufgerichtet in der Längserſtreckung horizontaler kräftiger Triebe des Wipfels. Sie ſind meiſt von gelbgrüner Farbe und von den Fichten- blüthenzäpfchen dadurch ſehr leicht zu unterſcheiden, daß die Deckſchuppen als lange Spitzen über die Blüthenſchuppen hervorragen und auswärts gebogen ſind, während dieſelben bei der Fichte gar nicht ſichtbar ſind (Fig. 2., 3. und 4.). Nach der Beſtäubung, welche zu derſelben Zeit wie bei der Fichte im Monat Mai ſtattfindet, bleiben die weiblichen Blüthen- zäpfchen aufrecht gerichtet und die ſchnell nachwachſenden Blüthenſchuppen bleiben dennoch bedeutend kürzer als die immer ſichtbar bleibenden ſpitzen Deckſchuppen. Wenn die jungen Zapfen ungefähr die Länge eines Fingers erlangt haben, ſo fallen ſie in einem reichen Samenjahre ſehr in das Auge. Der 3 bis 5 Zoll lange reife Zapfen iſt faſt von walzenförmiger Geſtalt, oben abgeſtumpft und zuletzt in eine kleine ſtumpfe Spitze ſich erhebend (XLVIII. 1.). Der ſichtbare Theil der Zapfen- ſchuppen iſt viel breiter als hoch und ſeine obere Begrenzungslinie bildet einen flachen Bogen. Die Farbe des reifen Zapfens iſt ein düſteres Chocolatbraun, er iſt völlig glanzlos und faſt immer hängen verhärtete Harztropfen daran. Wie bei allen ächten Nadelhölzern, liegen unter jeder Schuppe zwei geflügelte Samen, welche nebſt einer anderen Eigen- thümlichkeit des Zapfens einen ſehr weſentlichen Unterſchied von der Fichte begründen. Der Umſchlag des Flügels, welcher den Samen in der für ihn beſtimmten Aushöhlung des Flügels feſthält, iſt bei der Tanne ſo breit, daß er faſt das ganze Samenkorn bedeckt (XLVIII. 5. †). Der Same iſt größer und unregelmäßiger geſtaltet als der Fichtenſame, düſter dunkelbraun und namentlich durch einige unregelmäßige Buckel unterſchieden, welche die Stellen ſind, wo unter der Samenſchale Drüſen liegen, welche mit einem wohlriechenden ätheriſchen Oel gefüllt ſind, welches dem Fichtenſamen gänzlich fehlt. Ein ſehr auffallendes Merkmal beſitzt der Tannenzapfen darin, daß er nicht die Samen allein abfliegen läßt und erſt ſpäter entleert vom Baume abfällt, ſondern daß er ſich nach der Samenreife, oder vielmehr beim Abfliegen des Samens im April des folgenden Jahres ganz auflöſt, ſo daß blos die ſpindelähnliche aufrecht ſtehende Achſe am Triebe ſtehen bleibt und alſo die Zapfen-
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Die weiblichen Blüthenzäpfchen ſtehen nur ſelten an der
Spitze des Triebes, und zwar oft zu zwei und drei hintereinander ſenk-
recht aufgerichtet in der Längserſtreckung horizontaler kräftiger Triebe des
Wipfels. Sie ſind meiſt von gelbgrüner Farbe und von den Fichten-
blüthenzäpfchen dadurch ſehr leicht zu unterſcheiden, daß die Deckſchuppen
als lange Spitzen über die Blüthenſchuppen hervorragen und auswärts
gebogen ſind, während dieſelben bei der Fichte gar nicht ſichtbar ſind
(Fig. 2., 3. und 4.). Nach der Beſtäubung, welche zu derſelben Zeit wie
bei der Fichte im Monat Mai ſtattfindet, bleiben die weiblichen Blüthen-
zäpfchen aufrecht gerichtet und die ſchnell nachwachſenden Blüthenſchuppen
bleiben dennoch bedeutend kürzer als die immer ſichtbar bleibenden ſpitzen
Deckſchuppen. Wenn die jungen Zapfen ungefähr die Länge eines
Fingers erlangt haben, ſo fallen ſie in einem reichen Samenjahre ſehr
in das Auge. Der 3 bis 5 Zoll lange reife Zapfen iſt faſt von
walzenförmiger Geſtalt, oben abgeſtumpft und zuletzt in eine kleine
ſtumpfe Spitze ſich erhebend (XLVIII. 1.). Der ſichtbare Theil der Zapfen-
ſchuppen iſt viel breiter als hoch und ſeine obere Begrenzungslinie bildet
einen flachen Bogen. Die Farbe des reifen Zapfens iſt ein düſteres
Chocolatbraun, er iſt völlig glanzlos und faſt immer hängen verhärtete
Harztropfen daran. Wie bei allen ächten Nadelhölzern, liegen unter
jeder Schuppe zwei geflügelte Samen, welche nebſt einer anderen Eigen-
thümlichkeit des Zapfens einen ſehr weſentlichen Unterſchied von der
Fichte begründen. Der Umſchlag des Flügels, welcher den Samen in
der für ihn beſtimmten Aushöhlung des Flügels feſthält, iſt bei der
Tanne ſo breit, daß er faſt das ganze Samenkorn bedeckt (XLVIII. 5. †).
Der Same iſt größer und unregelmäßiger geſtaltet als der Fichtenſame,
düſter dunkelbraun und namentlich durch einige unregelmäßige Buckel
unterſchieden, welche die Stellen ſind, wo unter der Samenſchale Drüſen
liegen, welche mit einem wohlriechenden ätheriſchen Oel gefüllt ſind,
welches dem Fichtenſamen gänzlich fehlt. Ein ſehr auffallendes Merkmal
beſitzt der Tannenzapfen darin, daß er nicht die Samen allein abfliegen
läßt und erſt ſpäter entleert vom Baume abfällt, ſondern daß er ſich
nach der Samenreife, oder vielmehr beim Abfliegen des Samens im
April des folgenden Jahres ganz auflöſt, ſo daß blos die ſpindelähnliche
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/356>, abgerufen am 23.12.2024.
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