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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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bedeutend heimgesucht werden, obgleich von letzteren nicht wenige Arten und
unter diesen auch einige Borkenkäfer auf ihnen Wohnung und Nahrung finden.
Deshalb gelangt die Tanne unter günstigen Umständen auch zu einem noch
höheren Alter als dem bei der Fichte angegebenen und auf manchen Revieren
findet man einzelne alte Tannen von sehr hohem Alter, welche man über-
hält und ihrer abenteuerlichen Schönheit wegen gewissermaßen als Wahr-
zeichen des Reviers betrachtet und bewahrt *).

Schon von frühem Alter an reinigt sich die Tanne bis hoch hinauf
von den Aesten, welche glatt am Stamme abbrechen, so daß die Wunden
vollständig überwachsen und so die Tanne mehr als ein anderes Nadelholz
ein reines, astfreies Holz liefert. Daher zeigen freistehende Tannen ge-
wöhnlich einen astlosen Schaft, wie z. B. auf Olbernhauer Reviere im
Königreich Sachsen eine Tanne steht mit einem 90 bis 95 Fuß hoch ast-
freiem Schafte.

Was die Bedeutung und forstliche Behandlung der Tanne
betrifft, so ist die erstere trotz mancher Vorzüge ihres Holzes dennoch ge-
ringer als die der Fichte und in der Behandlung ist insofern ein Unter-
schied, daß die Tanne noch weniger als die Fichte in reinen Beständen
erzogen wird, sondern immer in der Vermischung mit "Schutzholz",
welches später, wenn die Tanne zu ihrem vollkommenen Wuchse gekommen
ist, herausgehauen und so zuletzt doch ein reiner Tannenbestand hergestellt
wird. Die Tanne zu erziehen gilt aus demselben Grunde wie bei der
Buche als die schwierigste Aufgabe des Waldbaues, weil aus dem schon
oben angegebenen Grunde die Saatpflänzchen mehr als die anderer Bäume
durch Trockne und Sonnenbrand leiden. Man muß daher die aufge-
gangenen jungen Tannen zum Schutz dagegen mit Laub, Nadeln und
Moos umstreuen. Die Verpflanzung in Saatkämpen erzogener Tannen-
pflanzen gilt für schwierig und muß mit besonderer Sorgfalt bewerkstelligt

*) Es verdient dankbare Anerkennung und muß allen öffentlichen und privaten
Waldbesitzern zur Nachahnung empfohlen werden, daß seit 1847 die königlich sächsische
Staatsregierung angeordnet hat, daß auf den Staatsrevieren einzelne besonders schöne
Bäume erhalten werden. Unter diesen sind nach dem Jahrbuche der Tharandter
Akademie auch sieben Tannen, von denen eine auf ein Alter von 450--500 Jahren
geschätzt wird.

bedeutend heimgeſucht werden, obgleich von letzteren nicht wenige Arten und
unter dieſen auch einige Borkenkäfer auf ihnen Wohnung und Nahrung finden.
Deshalb gelangt die Tanne unter günſtigen Umſtänden auch zu einem noch
höheren Alter als dem bei der Fichte angegebenen und auf manchen Revieren
findet man einzelne alte Tannen von ſehr hohem Alter, welche man über-
hält und ihrer abenteuerlichen Schönheit wegen gewiſſermaßen als Wahr-
zeichen des Reviers betrachtet und bewahrt *).

Schon von frühem Alter an reinigt ſich die Tanne bis hoch hinauf
von den Aeſten, welche glatt am Stamme abbrechen, ſo daß die Wunden
vollſtändig überwachſen und ſo die Tanne mehr als ein anderes Nadelholz
ein reines, aſtfreies Holz liefert. Daher zeigen freiſtehende Tannen ge-
wöhnlich einen aſtloſen Schaft, wie z. B. auf Olbernhauer Reviere im
Königreich Sachſen eine Tanne ſteht mit einem 90 bis 95 Fuß hoch aſt-
freiem Schafte.

Was die Bedeutung und forſtliche Behandlung der Tanne
betrifft, ſo iſt die erſtere trotz mancher Vorzüge ihres Holzes dennoch ge-
ringer als die der Fichte und in der Behandlung iſt inſofern ein Unter-
ſchied, daß die Tanne noch weniger als die Fichte in reinen Beſtänden
erzogen wird, ſondern immer in der Vermiſchung mit „Schutzholz“,
welches ſpäter, wenn die Tanne zu ihrem vollkommenen Wuchſe gekommen
iſt, herausgehauen und ſo zuletzt doch ein reiner Tannenbeſtand hergeſtellt
wird. Die Tanne zu erziehen gilt aus demſelben Grunde wie bei der
Buche als die ſchwierigſte Aufgabe des Waldbaues, weil aus dem ſchon
oben angegebenen Grunde die Saatpflänzchen mehr als die anderer Bäume
durch Trockne und Sonnenbrand leiden. Man muß daher die aufge-
gangenen jungen Tannen zum Schutz dagegen mit Laub, Nadeln und
Moos umſtreuen. Die Verpflanzung in Saatkämpen erzogener Tannen-
pflanzen gilt für ſchwierig und muß mit beſonderer Sorgfalt bewerkſtelligt

*) Es verdient dankbare Anerkennung und muß allen öffentlichen und privaten
Waldbeſitzern zur Nachahnung empfohlen werden, daß ſeit 1847 die königlich ſächſiſche
Staatsregierung angeordnet hat, daß auf den Staatsrevieren einzelne beſonders ſchöne
Bäume erhalten werden. Unter dieſen ſind nach dem Jahrbuche der Tharandter
Akademie auch ſieben Tannen, von denen eine auf ein Alter von 450—500 Jahren
geſchätzt wird.
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[333/0365] bedeutend heimgeſucht werden, obgleich von letzteren nicht wenige Arten und unter dieſen auch einige Borkenkäfer auf ihnen Wohnung und Nahrung finden. Deshalb gelangt die Tanne unter günſtigen Umſtänden auch zu einem noch höheren Alter als dem bei der Fichte angegebenen und auf manchen Revieren findet man einzelne alte Tannen von ſehr hohem Alter, welche man über- hält und ihrer abenteuerlichen Schönheit wegen gewiſſermaßen als Wahr- zeichen des Reviers betrachtet und bewahrt *). Schon von frühem Alter an reinigt ſich die Tanne bis hoch hinauf von den Aeſten, welche glatt am Stamme abbrechen, ſo daß die Wunden vollſtändig überwachſen und ſo die Tanne mehr als ein anderes Nadelholz ein reines, aſtfreies Holz liefert. Daher zeigen freiſtehende Tannen ge- wöhnlich einen aſtloſen Schaft, wie z. B. auf Olbernhauer Reviere im Königreich Sachſen eine Tanne ſteht mit einem 90 bis 95 Fuß hoch aſt- freiem Schafte. Was die Bedeutung und forſtliche Behandlung der Tanne betrifft, ſo iſt die erſtere trotz mancher Vorzüge ihres Holzes dennoch ge- ringer als die der Fichte und in der Behandlung iſt inſofern ein Unter- ſchied, daß die Tanne noch weniger als die Fichte in reinen Beſtänden erzogen wird, ſondern immer in der Vermiſchung mit „Schutzholz“, welches ſpäter, wenn die Tanne zu ihrem vollkommenen Wuchſe gekommen iſt, herausgehauen und ſo zuletzt doch ein reiner Tannenbeſtand hergeſtellt wird. Die Tanne zu erziehen gilt aus demſelben Grunde wie bei der Buche als die ſchwierigſte Aufgabe des Waldbaues, weil aus dem ſchon oben angegebenen Grunde die Saatpflänzchen mehr als die anderer Bäume durch Trockne und Sonnenbrand leiden. Man muß daher die aufge- gangenen jungen Tannen zum Schutz dagegen mit Laub, Nadeln und Moos umſtreuen. Die Verpflanzung in Saatkämpen erzogener Tannen- pflanzen gilt für ſchwierig und muß mit beſonderer Sorgfalt bewerkſtelligt *) Es verdient dankbare Anerkennung und muß allen öffentlichen und privaten Waldbeſitzern zur Nachahnung empfohlen werden, daß ſeit 1847 die königlich ſächſiſche Staatsregierung angeordnet hat, daß auf den Staatsrevieren einzelne beſonders ſchöne Bäume erhalten werden. Unter dieſen ſind nach dem Jahrbuche der Tharandter Akademie auch ſieben Tannen, von denen eine auf ein Alter von 450—500 Jahren geſchätzt wird.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/365>, abgerufen am 17.06.2024.