stellenweise bis zu den ersten Aesten reißt die aus sehr zahlreichen dünnen Blätterlagen bestehende weiße Rindenhaut (S. 110.) auf und aus den Rissen entwickeln sich mächtige Korkwucherungen. In dieser knochenharten dicken Rindenmasse findet sich alsdann in der äußeren Hälfte eine räthselhafte Wechsellagerung von vielfach verbogenen und zerrissenen weißen Rindenhautschichten und braunrothem Zellgewebe, in welchem senf- korngroße fettartig halbdurchscheinende dicht aneinandergedrängte elfenbein- harte Knollen liegen, deren Zellen äußerst dickwandig sind, so daß sie gar keinen inneren Zellenraum mehr haben. Der Birkenstamm fällt nach oben zu, außer wenn er in dichtem Schluß steht, meist sehr stark ab (ist abholzig) und kommt selten senkrecht, sondern meist etwas schräg aus der Wurzel hervor. Die Aeste zeigen an ihrer Einfügungsstelle die bei der Weißerle beschriebenen bartähnlichen dunkeln Runzellinien. Die Verzweigung geht aus den stärkeren Aesten sehr schnell in eine sehr feine Theilung über wobei der Gegensatz zwischen Lang- und Kurztrieben fast immer sehr grell hervortritt. (S. 63. IV. 8.)
Die Krone der Birken zeigt bekanntlich sehr große Verschiedenheit. Junge Birken haben eine lockere eirund-pyramidale, in einen spitzen Wipfel ausgehende Krone mit aufwärts gerichteten schlanken Aesten, während an alten Bäumen die Krone sich allmälig vollständig abwölbt und durch starke Langtriebbildung den bekannten Thränenweiden-Charakter annimmt. Dabei hat die Krone alter Birken unter allen unsern Laubhölzern die wenigsten starken Aeste und giebt daher von 60jährigen Bäumen auch nur 3--4 Proc. über 3 Zoll starkes Astholz. Das thränenweidenartige An- sehen nehmen Birken, die im dichten Schluß stehen und die dann auch eine sehr kleine Krone haben nicht an, während man anderseits auch frei- stehende alte Birken ohne diesen Charakter findet. Ob alle alte Birken, wo dieser Charakter fehlt, Ruchbirken sind, wie es allerdings meist der Fall ist, und alle hinlänglich frei erwachsende gemeine Birken im Alter Hängebirken (B. alba v. pendula) werden, ist wohl noch unentschieden.
Die weiße Rinde und die so charakteristische Kronengestalt giebt der Birke einen großen landschaftlichen Werth und hat sie zu einem Lieblings- baum Aller gemacht. Obgleich sie nie sehr groß wird, so macht sie sich dennoch in der Landschaft immer sehr geltend und ist daher für die Land- schaftsgärtnerei von größter Bedeutung.
ſtellenweiſe bis zu den erſten Aeſten reißt die aus ſehr zahlreichen dünnen Blätterlagen beſtehende weiße Rindenhaut (S. 110.) auf und aus den Riſſen entwickeln ſich mächtige Korkwucherungen. In dieſer knochenharten dicken Rindenmaſſe findet ſich alsdann in der äußeren Hälfte eine räthſelhafte Wechſellagerung von vielfach verbogenen und zerriſſenen weißen Rindenhautſchichten und braunrothem Zellgewebe, in welchem ſenf- korngroße fettartig halbdurchſcheinende dicht aneinandergedrängte elfenbein- harte Knollen liegen, deren Zellen äußerſt dickwandig ſind, ſo daß ſie gar keinen inneren Zellenraum mehr haben. Der Birkenſtamm fällt nach oben zu, außer wenn er in dichtem Schluß ſteht, meiſt ſehr ſtark ab (iſt abholzig) und kommt ſelten ſenkrecht, ſondern meiſt etwas ſchräg aus der Wurzel hervor. Die Aeſte zeigen an ihrer Einfügungsſtelle die bei der Weißerle beſchriebenen bartähnlichen dunkeln Runzellinien. Die Verzweigung geht aus den ſtärkeren Aeſten ſehr ſchnell in eine ſehr feine Theilung über wobei der Gegenſatz zwiſchen Lang- und Kurztrieben faſt immer ſehr grell hervortritt. (S. 63. IV. 8.)
Die Krone der Birken zeigt bekanntlich ſehr große Verſchiedenheit. Junge Birken haben eine lockere eirund-pyramidale, in einen ſpitzen Wipfel ausgehende Krone mit aufwärts gerichteten ſchlanken Aeſten, während an alten Bäumen die Krone ſich allmälig vollſtändig abwölbt und durch ſtarke Langtriebbildung den bekannten Thränenweiden-Charakter annimmt. Dabei hat die Krone alter Birken unter allen unſern Laubhölzern die wenigſten ſtarken Aeſte und giebt daher von 60jährigen Bäumen auch nur 3—4 Proc. über 3 Zoll ſtarkes Aſtholz. Das thränenweidenartige An- ſehen nehmen Birken, die im dichten Schluß ſtehen und die dann auch eine ſehr kleine Krone haben nicht an, während man anderſeits auch frei- ſtehende alte Birken ohne dieſen Charakter findet. Ob alle alte Birken, wo dieſer Charakter fehlt, Ruchbirken ſind, wie es allerdings meiſt der Fall iſt, und alle hinlänglich frei erwachſende gemeine Birken im Alter Hängebirken (B. alba v. pendula) werden, iſt wohl noch unentſchieden.
Die weiße Rinde und die ſo charakteriſtiſche Kronengeſtalt giebt der Birke einen großen landſchaftlichen Werth und hat ſie zu einem Lieblings- baum Aller gemacht. Obgleich ſie nie ſehr groß wird, ſo macht ſie ſich dennoch in der Landſchaft immer ſehr geltend und iſt daher für die Land- ſchaftsgärtnerei von größter Bedeutung.
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ſtellenweiſe bis zu den erſten Aeſten reißt die aus ſehr zahlreichen dünnen
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Riſſen entwickeln ſich mächtige Korkwucherungen. In dieſer knochenharten
dicken Rindenmaſſe findet ſich alsdann in der äußeren Hälfte eine
räthſelhafte Wechſellagerung von vielfach verbogenen und zerriſſenen
weißen Rindenhautſchichten und braunrothem Zellgewebe, in welchem ſenf-
korngroße fettartig halbdurchſcheinende dicht aneinandergedrängte elfenbein-
harte Knollen liegen, deren Zellen äußerſt dickwandig ſind, ſo daß ſie gar
keinen inneren Zellenraum mehr haben. Der Birkenſtamm fällt nach oben
zu, außer wenn er in dichtem Schluß ſteht, meiſt ſehr ſtark ab (iſt abholzig)
und kommt ſelten ſenkrecht, ſondern meiſt etwas ſchräg aus der Wurzel
hervor. Die Aeſte zeigen an ihrer Einfügungsſtelle die bei der Weißerle
beſchriebenen bartähnlichen dunkeln Runzellinien. Die Verzweigung geht
aus den ſtärkeren Aeſten ſehr ſchnell in eine ſehr feine Theilung über
wobei der Gegenſatz zwiſchen Lang- und Kurztrieben faſt immer ſehr grell
hervortritt. (S. 63. IV. 8.)
Die Krone der Birken zeigt bekanntlich ſehr große Verſchiedenheit.
Junge Birken haben eine lockere eirund-pyramidale, in einen ſpitzen
Wipfel ausgehende Krone mit aufwärts gerichteten ſchlanken Aeſten, während
an alten Bäumen die Krone ſich allmälig vollſtändig abwölbt und durch
ſtarke Langtriebbildung den bekannten Thränenweiden-Charakter annimmt.
Dabei hat die Krone alter Birken unter allen unſern Laubhölzern die
wenigſten ſtarken Aeſte und giebt daher von 60jährigen Bäumen auch nur
3—4 Proc. über 3 Zoll ſtarkes Aſtholz. Das thränenweidenartige An-
ſehen nehmen Birken, die im dichten Schluß ſtehen und die dann auch
eine ſehr kleine Krone haben nicht an, während man anderſeits auch frei-
ſtehende alte Birken ohne dieſen Charakter findet. Ob alle alte Birken,
wo dieſer Charakter fehlt, Ruchbirken ſind, wie es allerdings meiſt der
Fall iſt, und alle hinlänglich frei erwachſende gemeine Birken im Alter
Hängebirken (B. alba v. pendula) werden, iſt wohl noch unentſchieden.
Die weiße Rinde und die ſo charakteriſtiſche Kronengeſtalt giebt der
Birke einen großen landſchaftlichen Werth und hat ſie zu einem Lieblings-
baum Aller gemacht. Obgleich ſie nie ſehr groß wird, ſo macht ſie ſich
dennoch in der Landſchaft immer ſehr geltend und iſt daher für die Land-
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/474>, abgerufen am 12.01.2025.
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