licher und ein weiblicher Blüthenzweig und -- bei vorblühenden Arten -- noch ein männlicher oder weiblicher Blätterzweig, am besten jedoch beide, um sicher zu sein, daß die Blüthenzweige zusammengehören, worüber in den meisten Fällen die Blätter entscheiden.
20. Die Feld-Rüster oder Feld-Ulme, Ulmus campestris L.
Wie wir uns von der Buche bis zu den Weiden überzeugen mußten, daß die alte Familie der Kätzchenbäume, Amentaceen, zu einer größeren Abtheilung erhoben und in mehrere eigentliche, schärfer umgrenzte Familien zerfällt werden mußte, so ist es auch mit der ehemaligen Familie der Nesselgewächse, Urticaceen, zu der die Ulmen gehören. Auch sie ist zerfällt worden in 7 Familien, von denen die eine als Ulmengewächse, Ulmeen, die Rüstern wesentlich ausmachen. Schon der urtheilende Blick des Laien sträubt sich die Rüster, Brennnessel, Hopfen, Hanf, Maulbeer- und Feigenbaum, wie es der Fall war, in Einer Familie zu verbinden.
Wir begegnen zufolge der beobachteten Reihenfolge unserer Baum- betrachtung in den Ulmen oder Rüstern zum erstenmale Bäumen mit Zwitterblüthen, während wir es bisher immer nur mit getrenntgeschlechtigen -- entweder ein- oder zweihäusigen zu thun hatten.
Der deutsche Wald birgt mehrere Ulmenarten; wie viel -- darüber ist fast eine noch größere Meinungsverschiedenheit unter den Pflanzen- forschern als wir sie wegen der Birken fanden. Wir haben, ehe wir es versuchen wenigstens drei Arten zu unterscheiden, den allen gemeinsamen Gattungscharakter festzustellen.
Die lange Zeit vor dem Ausbruch der Blätter erscheinenden Blüth- chen (LXXII. 3.) sind zwitterig, an der Stelle der fehlenden gegensätzlich ausgeprägten Kelch- und Kronenblätter findet sich nur eine glockige fünf- (oder vier-) spaltige Blüthenhülle (Perigon), welche verwelkend stehen bleibt; Staubgefäße 5 oder 4 oder zahlreicher bis 12 mit bald abfallenden braunrothen Staubbeuteln auf ziemlich langen haarfeinen Staubfäden; der nur eine platt gedrückte Fruchtknoten (4.) hat 2 bebartete auswärts ge- krümmte Narben und bekommt dadurch eine leierförmige Gestalt. Am Stiele jedes Blüthchens steht ein kleines Deckblättchen (3.). Die Blüthen entspringen aus besonderen größeren, kugeligen Knospen (9.) und stehen
licher und ein weiblicher Blüthenzweig und — bei vorblühenden Arten — noch ein männlicher oder weiblicher Blätterzweig, am beſten jedoch beide, um ſicher zu ſein, daß die Blüthenzweige zuſammengehören, worüber in den meiſten Fällen die Blätter entſcheiden.
20. Die Feld-Rüſter oder Feld-Ulme, Ulmus campestris L.
Wie wir uns von der Buche bis zu den Weiden überzeugen mußten, daß die alte Familie der Kätzchenbäume, Amentaceen, zu einer größeren Abtheilung erhoben und in mehrere eigentliche, ſchärfer umgrenzte Familien zerfällt werden mußte, ſo iſt es auch mit der ehemaligen Familie der Neſſelgewächſe, Urticaceen, zu der die Ulmen gehören. Auch ſie iſt zerfällt worden in 7 Familien, von denen die eine als Ulmengewächſe, Ulmeen, die Rüſtern weſentlich ausmachen. Schon der urtheilende Blick des Laien ſträubt ſich die Rüſter, Brennneſſel, Hopfen, Hanf, Maulbeer- und Feigenbaum, wie es der Fall war, in Einer Familie zu verbinden.
Wir begegnen zufolge der beobachteten Reihenfolge unſerer Baum- betrachtung in den Ulmen oder Rüſtern zum erſtenmale Bäumen mit Zwitterblüthen, während wir es bisher immer nur mit getrenntgeſchlechtigen — entweder ein- oder zweihäuſigen zu thun hatten.
Der deutſche Wald birgt mehrere Ulmenarten; wie viel — darüber iſt faſt eine noch größere Meinungsverſchiedenheit unter den Pflanzen- forſchern als wir ſie wegen der Birken fanden. Wir haben, ehe wir es verſuchen wenigſtens drei Arten zu unterſcheiden, den allen gemeinſamen Gattungscharakter feſtzuſtellen.
Die lange Zeit vor dem Ausbruch der Blätter erſcheinenden Blüth- chen (LXXII. 3.) ſind zwitterig, an der Stelle der fehlenden gegenſätzlich ausgeprägten Kelch- und Kronenblätter findet ſich nur eine glockige fünf- (oder vier-) ſpaltige Blüthenhülle (Perigon), welche verwelkend ſtehen bleibt; Staubgefäße 5 oder 4 oder zahlreicher bis 12 mit bald abfallenden braunrothen Staubbeuteln auf ziemlich langen haarfeinen Staubfäden; der nur eine platt gedrückte Fruchtknoten (4.) hat 2 bebartete auswärts ge- krümmte Narben und bekommt dadurch eine leierförmige Geſtalt. Am Stiele jedes Blüthchens ſteht ein kleines Deckblättchen (3.). Die Blüthen entſpringen aus beſonderen größeren, kugeligen Knospen (9.) und ſtehen
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licher und ein weiblicher Blüthenzweig und — bei vorblühenden Arten —
noch ein männlicher oder weiblicher Blätterzweig, am beſten jedoch beide,
um ſicher zu ſein, daß die Blüthenzweige zuſammengehören, worüber in
den meiſten Fällen die Blätter entſcheiden.
20. Die Feld-Rüſter oder Feld-Ulme, Ulmus campestris L.
Wie wir uns von der Buche bis zu den Weiden überzeugen mußten,
daß die alte Familie der Kätzchenbäume, Amentaceen, zu einer größeren
Abtheilung erhoben und in mehrere eigentliche, ſchärfer umgrenzte Familien
zerfällt werden mußte, ſo iſt es auch mit der ehemaligen Familie der
Neſſelgewächſe, Urticaceen, zu der die Ulmen gehören. Auch ſie
iſt zerfällt worden in 7 Familien, von denen die eine als Ulmengewächſe,
Ulmeen, die Rüſtern weſentlich ausmachen. Schon der urtheilende Blick
des Laien ſträubt ſich die Rüſter, Brennneſſel, Hopfen, Hanf, Maulbeer-
und Feigenbaum, wie es der Fall war, in Einer Familie zu verbinden.
Wir begegnen zufolge der beobachteten Reihenfolge unſerer Baum-
betrachtung in den Ulmen oder Rüſtern zum erſtenmale Bäumen mit
Zwitterblüthen, während wir es bisher immer nur mit getrenntgeſchlechtigen —
entweder ein- oder zweihäuſigen zu thun hatten.
Der deutſche Wald birgt mehrere Ulmenarten; wie viel — darüber
iſt faſt eine noch größere Meinungsverſchiedenheit unter den Pflanzen-
forſchern als wir ſie wegen der Birken fanden. Wir haben, ehe wir es
verſuchen wenigſtens drei Arten zu unterſcheiden, den allen gemeinſamen
Gattungscharakter feſtzuſtellen.
Die lange Zeit vor dem Ausbruch der Blätter erſcheinenden Blüth-
chen (LXXII. 3.) ſind zwitterig, an der Stelle der fehlenden gegenſätzlich
ausgeprägten Kelch- und Kronenblätter findet ſich nur eine glockige fünf-
(oder vier-) ſpaltige Blüthenhülle (Perigon), welche verwelkend ſtehen
bleibt; Staubgefäße 5 oder 4 oder zahlreicher bis 12 mit bald abfallenden
braunrothen Staubbeuteln auf ziemlich langen haarfeinen Staubfäden; der
nur eine platt gedrückte Fruchtknoten (4.) hat 2 bebartete auswärts ge-
krümmte Narben und bekommt dadurch eine leierförmige Geſtalt. Am
Stiele jedes Blüthchens ſteht ein kleines Deckblättchen (3.). Die Blüthen
entſpringen aus beſonderen größeren, kugeligen Knospen (9.) und ſtehen
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/510>, abgerufen am 23.12.2024.
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