Luft den ohnehin sehr trockenen Kiefernboden mehr erreichen und noch mehr austrocknen, als in einem in dichterem Wipfelschluß stehenden Fichtenorte.
Für unsern Schönheitssinn ist natürlich die Laubstreu weniger an- genehm als die Pflanzenstreu (denn ich muß nun hier den Namen Streu für Decke geläufig machen, weil wir bald sehen werden, daß die Bedeckung des Waldbodens -- Pflanzen oder Laub und Nadeln -- als "Streu" ein unglückseliger Zankapfel für Land- und Forstwirthe ist). Nichtsdesto- weniger hat namentlich in einem Buchenhochwalde die gleichmäßige falbe Laubdecke des Bodens für den geläuterten Geschmack ihre Vorzüge. Sie bildet zwischen den weitläufigstehenden alten, ein hohes Laubdach wölbenden Bäumen mit den weißgrauen säulenartigen Stämmen ein sauberes Parkett, in welchem das von unsern Füßen aufgewühlte raschelnde Laub unsere Schritte weit hinhallen läßt, wie in einem erhabenen Münster.
Erfreuender freilich im wahren Sinne und anregender ist die Boden- decke, wenn sie aus lebenden Pflanzen gebildet wird, die dann wie ein Zwergengeschlecht unter dem Schutze der Baumriesen sich vertrauensvoll aneinanderschmiegen. Es giebt eine Menge Pflanzen, welche beinahe aus- schließend oder wenigstens vorwaltend sich unter dieser Waldprotektion be- haglich fühlen und viele von ihnen tragen als wissenschaftliche Artnamen die Bezeichnung vom Walde, z. B. das Waldvergißmeinnicht, Myosotis silvatica, der Waldziest, Stachys silvatica, das Waldlabkraut, Galium silvaticum und viele andere.
Der Wald in seinen verschiedenen Ausprägungen als Gebirgswald oder Ebenenwald, Auenwald, Haide, Nadel- oder Laubwald, Hochwald, Nieder- oder Mittelwald bietet in seiner Pflanzendecke eine wahre Stufen- leiter des Ganges der Pflanzenschöpfung dar. Die beiden untersten Pflanzenklassen, die Pilze und Flechten, sind, wenigstens die letztern, in der Hauptsache Waldbewohner und von den ersteren sind wenigstens die Hutpilze am liebsten im Walde heimisch. Jedoch tragen die Pilze zur Zusammensetzung der Pflanzendecke des Waldbodens nicht wesentlich bei; dazu sind sie zu ungesellig und zu sehr blos augenblickliche Emporkömm- linge, wie ihnen gerade an einzelnen Punkten das Schicksal günstig ist.
Die Flechten aber und fast immer im Verein mit ihnen die Moose, betheiligen sich um die Wette, den Boden des Waldes mit ihren niedlichen Heerschaaren zu bekleiden. Wenn man dem in der Pflanzenkunde nicht
Luft den ohnehin ſehr trockenen Kiefernboden mehr erreichen und noch mehr austrocknen, als in einem in dichterem Wipfelſchluß ſtehenden Fichtenorte.
Für unſern Schönheitsſinn iſt natürlich die Laubſtreu weniger an- genehm als die Pflanzenſtreu (denn ich muß nun hier den Namen Streu für Decke geläufig machen, weil wir bald ſehen werden, daß die Bedeckung des Waldbodens — Pflanzen oder Laub und Nadeln — als „Streu“ ein unglückſeliger Zankapfel für Land- und Forſtwirthe iſt). Nichtsdeſto- weniger hat namentlich in einem Buchenhochwalde die gleichmäßige falbe Laubdecke des Bodens für den geläuterten Geſchmack ihre Vorzüge. Sie bildet zwiſchen den weitläufigſtehenden alten, ein hohes Laubdach wölbenden Bäumen mit den weißgrauen ſäulenartigen Stämmen ein ſauberes Parkett, in welchem das von unſern Füßen aufgewühlte raſchelnde Laub unſere Schritte weit hinhallen läßt, wie in einem erhabenen Münſter.
Erfreuender freilich im wahren Sinne und anregender iſt die Boden- decke, wenn ſie aus lebenden Pflanzen gebildet wird, die dann wie ein Zwergengeſchlecht unter dem Schutze der Baumrieſen ſich vertrauensvoll aneinanderſchmiegen. Es giebt eine Menge Pflanzen, welche beinahe aus- ſchließend oder wenigſtens vorwaltend ſich unter dieſer Waldprotektion be- haglich fühlen und viele von ihnen tragen als wiſſenſchaftliche Artnamen die Bezeichnung vom Walde, z. B. das Waldvergißmeinnicht, Myosotis silvatica, der Waldzieſt, Stachys silvatica, das Waldlabkraut, Galium silvaticum und viele andere.
Der Wald in ſeinen verſchiedenen Ausprägungen als Gebirgswald oder Ebenenwald, Auenwald, Haide, Nadel- oder Laubwald, Hochwald, Nieder- oder Mittelwald bietet in ſeiner Pflanzendecke eine wahre Stufen- leiter des Ganges der Pflanzenſchöpfung dar. Die beiden unterſten Pflanzenklaſſen, die Pilze und Flechten, ſind, wenigſtens die letztern, in der Hauptſache Waldbewohner und von den erſteren ſind wenigſtens die Hutpilze am liebſten im Walde heimiſch. Jedoch tragen die Pilze zur Zuſammenſetzung der Pflanzendecke des Waldbodens nicht weſentlich bei; dazu ſind ſie zu ungeſellig und zu ſehr blos augenblickliche Emporkömm- linge, wie ihnen gerade an einzelnen Punkten das Schickſal günſtig iſt.
Die Flechten aber und faſt immer im Verein mit ihnen die Mooſe, betheiligen ſich um die Wette, den Boden des Waldes mit ihren niedlichen Heerſchaaren zu bekleiden. Wenn man dem in der Pflanzenkunde nicht
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Luft den ohnehin ſehr trockenen Kiefernboden mehr erreichen und noch mehr
austrocknen, als in einem in dichterem Wipfelſchluß ſtehenden Fichtenorte.
Für unſern Schönheitsſinn iſt natürlich die Laubſtreu weniger an-
genehm als die Pflanzenſtreu (denn ich muß nun hier den Namen Streu
für Decke geläufig machen, weil wir bald ſehen werden, daß die Bedeckung
des Waldbodens — Pflanzen oder Laub und Nadeln — als „Streu“
ein unglückſeliger Zankapfel für Land- und Forſtwirthe iſt). Nichtsdeſto-
weniger hat namentlich in einem Buchenhochwalde die gleichmäßige falbe
Laubdecke des Bodens für den geläuterten Geſchmack ihre Vorzüge. Sie
bildet zwiſchen den weitläufigſtehenden alten, ein hohes Laubdach wölbenden
Bäumen mit den weißgrauen ſäulenartigen Stämmen ein ſauberes Parkett,
in welchem das von unſern Füßen aufgewühlte raſchelnde Laub unſere
Schritte weit hinhallen läßt, wie in einem erhabenen Münſter.
Erfreuender freilich im wahren Sinne und anregender iſt die Boden-
decke, wenn ſie aus lebenden Pflanzen gebildet wird, die dann wie ein
Zwergengeſchlecht unter dem Schutze der Baumrieſen ſich vertrauensvoll
aneinanderſchmiegen. Es giebt eine Menge Pflanzen, welche beinahe aus-
ſchließend oder wenigſtens vorwaltend ſich unter dieſer Waldprotektion be-
haglich fühlen und viele von ihnen tragen als wiſſenſchaftliche Artnamen
die Bezeichnung vom Walde, z. B. das Waldvergißmeinnicht, Myosotis
silvatica, der Waldzieſt, Stachys silvatica, das Waldlabkraut, Galium
silvaticum und viele andere.
Der Wald in ſeinen verſchiedenen Ausprägungen als Gebirgswald
oder Ebenenwald, Auenwald, Haide, Nadel- oder Laubwald, Hochwald,
Nieder- oder Mittelwald bietet in ſeiner Pflanzendecke eine wahre Stufen-
leiter des Ganges der Pflanzenſchöpfung dar. Die beiden unterſten
Pflanzenklaſſen, die Pilze und Flechten, ſind, wenigſtens die letztern, in
der Hauptſache Waldbewohner und von den erſteren ſind wenigſtens die
Hutpilze am liebſten im Walde heimiſch. Jedoch tragen die Pilze zur
Zuſammenſetzung der Pflanzendecke des Waldbodens nicht weſentlich bei;
dazu ſind ſie zu ungeſellig und zu ſehr blos augenblickliche Emporkömm-
linge, wie ihnen gerade an einzelnen Punkten das Schickſal günſtig iſt.
Die Flechten aber und faſt immer im Verein mit ihnen die Mooſe,
betheiligen ſich um die Wette, den Boden des Waldes mit ihren niedlichen
Heerſchaaren zu bekleiden. Wenn man dem in der Pflanzenkunde nicht
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/55>, abgerufen am 22.12.2024.
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