kurzer Zeit nahezu unfähig wird, wieder in einen gedeihlichen Bestand gebracht zu werden, wenn er namentlich hinlängliche Neigung seiner Ab- hänge zeigte, um dem auffallenden Regen und dem Schmelzwasser des Schnees einen schnellen abschwemmenden Ablauf zu gestatten.
Was hier im Vergleich zu dem Gebirgswalde von dem Auenwalde gesagt wurde, gilt natürlich auch von der Waldform, die wir mit dem Namen Bruchwald bezeichneten, und von anderen in der fruchtbaren Ebene, wenn auch nicht gerade im Inundationsgebiete eines Flusses liegenden Waldungen. Die Heide jedoch, namentlich die Sandheide, steht hierbei dem Gebirgswald näher, denn die Wiederaufforstung ist bei der Heide, wenn sie in zu großem Umfang abgetrieben wurde, oft mit unbesiegbaren Schwierigkeiten verbunden.
Es ist darum der am 5. Januar 1860 ausgesprochene Befehl des Kaisers Louis Napoleon, "die kahlen Berge wieder zu bewalden", sehr leicht ausgesprochen aber -- ausgeführt? Die daran geknüpfte zweite Halbschied, "dagegen die Ebenenwaldungen auszuroden", möge ja nicht früher ausgeführt werden, als bis Jenes erfolgt sein wird! Wenn man sich dies vornimmt -- und wir möchten das Schicksal Frankreichs flehendlich darum bitten -- so werden sicher viele Ebenenwaldungen un- ausgerodet bleiben! Der Forstmann soll noch geboren werden, der die kahlen Höhen ganzer Departements, der Provence, der Dauphinee, der Niederalpen wieder bewaldet. Es würde noch schwerer sein, als die blühenden Gemeinden wie Herkulanum wieder aufzugraben, welche zum Theil unter berghohem Schutt begraben wurden, als die Regenströme niederschossen von den während der ersten Revolutionskriege entwaldeten Höhen der Provence, worüber Blanqui, Professor der Staatswissenschaft in Paris, in einer Denkschrift 1843 sagte: "endlich zieht sich der Mensch aus diesen schauerlichen Einöden zurück und ich habe in diesem Jahre nicht ein einziges lebendes Wesen mehr in Ortschaften angetroffen, wo ich vor dreißig Jahren Gastfreundschaft genossen zu haben mich noch recht gut erinnere."
Wenn so furchtbare Strafen auf die gedankenlose Entwaldung ein- treten, die sich durch plötzliches Anschwellen und Ueberfluthen der Gebirgs- flüsse bis in weitentlegene Gegenden erstrecken, ist da die Staatsgewalt nicht mehr als berechtigt, ist sie nicht verpflichtet, das Gebahren des
kurzer Zeit nahezu unfähig wird, wieder in einen gedeihlichen Beſtand gebracht zu werden, wenn er namentlich hinlängliche Neigung ſeiner Ab- hänge zeigte, um dem auffallenden Regen und dem Schmelzwaſſer des Schnees einen ſchnellen abſchwemmenden Ablauf zu geſtatten.
Was hier im Vergleich zu dem Gebirgswalde von dem Auenwalde geſagt wurde, gilt natürlich auch von der Waldform, die wir mit dem Namen Bruchwald bezeichneten, und von anderen in der fruchtbaren Ebene, wenn auch nicht gerade im Inundationsgebiete eines Fluſſes liegenden Waldungen. Die Heide jedoch, namentlich die Sandheide, ſteht hierbei dem Gebirgswald näher, denn die Wiederaufforſtung iſt bei der Heide, wenn ſie in zu großem Umfang abgetrieben wurde, oft mit unbeſiegbaren Schwierigkeiten verbunden.
Es iſt darum der am 5. Januar 1860 ausgeſprochene Befehl des Kaiſers Louis Napoleon, „die kahlen Berge wieder zu bewalden“, ſehr leicht ausgeſprochen aber — ausgeführt? Die daran geknüpfte zweite Halbſchied, „dagegen die Ebenenwaldungen auszuroden“, möge ja nicht früher ausgeführt werden, als bis Jenes erfolgt ſein wird! Wenn man ſich dies vornimmt — und wir möchten das Schickſal Frankreichs flehendlich darum bitten — ſo werden ſicher viele Ebenenwaldungen un- ausgerodet bleiben! Der Forſtmann ſoll noch geboren werden, der die kahlen Höhen ganzer Departements, der Provence, der Dauphinée, der Niederalpen wieder bewaldet. Es würde noch ſchwerer ſein, als die blühenden Gemeinden wie Herkulanum wieder aufzugraben, welche zum Theil unter berghohem Schutt begraben wurden, als die Regenſtröme niederſchoſſen von den während der erſten Revolutionskriege entwaldeten Höhen der Provence, worüber Blanqui, Profeſſor der Staatswiſſenſchaft in Paris, in einer Denkſchrift 1843 ſagte: „endlich zieht ſich der Menſch aus dieſen ſchauerlichen Einöden zurück und ich habe in dieſem Jahre nicht ein einziges lebendes Weſen mehr in Ortſchaften angetroffen, wo ich vor dreißig Jahren Gaſtfreundſchaft genoſſen zu haben mich noch recht gut erinnere.“
Wenn ſo furchtbare Strafen auf die gedankenloſe Entwaldung ein- treten, die ſich durch plötzliches Anſchwellen und Ueberfluthen der Gebirgs- flüſſe bis in weitentlegene Gegenden erſtrecken, iſt da die Staatsgewalt nicht mehr als berechtigt, iſt ſie nicht verpflichtet, das Gebahren des
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kurzer Zeit nahezu unfähig wird, wieder in einen gedeihlichen Beſtand
gebracht zu werden, wenn er namentlich hinlängliche Neigung ſeiner Ab-
hänge zeigte, um dem auffallenden Regen und dem Schmelzwaſſer des
Schnees einen ſchnellen abſchwemmenden Ablauf zu geſtatten.
Was hier im Vergleich zu dem Gebirgswalde von dem Auenwalde
geſagt wurde, gilt natürlich auch von der Waldform, die wir mit dem
Namen Bruchwald bezeichneten, und von anderen in der fruchtbaren Ebene,
wenn auch nicht gerade im Inundationsgebiete eines Fluſſes liegenden
Waldungen. Die Heide jedoch, namentlich die Sandheide, ſteht hierbei
dem Gebirgswald näher, denn die Wiederaufforſtung iſt bei der Heide,
wenn ſie in zu großem Umfang abgetrieben wurde, oft mit unbeſiegbaren
Schwierigkeiten verbunden.
Es iſt darum der am 5. Januar 1860 ausgeſprochene Befehl des
Kaiſers Louis Napoleon, „die kahlen Berge wieder zu bewalden“,
ſehr leicht ausgeſprochen aber — ausgeführt? Die daran geknüpfte zweite
Halbſchied, „dagegen die Ebenenwaldungen auszuroden“, möge
ja nicht früher ausgeführt werden, als bis Jenes erfolgt ſein wird! Wenn
man ſich dies vornimmt — und wir möchten das Schickſal Frankreichs
flehendlich darum bitten — ſo werden ſicher viele Ebenenwaldungen un-
ausgerodet bleiben! Der Forſtmann ſoll noch geboren werden, der die
kahlen Höhen ganzer Departements, der Provence, der Dauphinée, der
Niederalpen wieder bewaldet. Es würde noch ſchwerer ſein, als die
blühenden Gemeinden wie Herkulanum wieder aufzugraben, welche zum
Theil unter berghohem Schutt begraben wurden, als die Regenſtröme
niederſchoſſen von den während der erſten Revolutionskriege entwaldeten
Höhen der Provence, worüber Blanqui, Profeſſor der Staatswiſſenſchaft
in Paris, in einer Denkſchrift 1843 ſagte: „endlich zieht ſich der Menſch
aus dieſen ſchauerlichen Einöden zurück und ich habe in dieſem Jahre
nicht ein einziges lebendes Weſen mehr in Ortſchaften angetroffen, wo
ich vor dreißig Jahren Gaſtfreundſchaft genoſſen zu haben mich noch recht
gut erinnere.“
Wenn ſo furchtbare Strafen auf die gedankenloſe Entwaldung ein-
treten, die ſich durch plötzliches Anſchwellen und Ueberfluthen der Gebirgs-
flüſſe bis in weitentlegene Gegenden erſtrecken, iſt da die Staatsgewalt
nicht mehr als berechtigt, iſt ſie nicht verpflichtet, das Gebahren des
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/628>, abgerufen am 23.12.2024.
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