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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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ist, welche die geheimnißreiche Stätte des Baumlebens vor dem Herein-
brechen störender Gewalten beschützt.

Wer an den Jammer des Streurechens nicht recht glauben will, der
gehe nur in einen unter dem Streuservitut seufzenden Wald. Nicht selten
wird er unmittelbar an einen solchen einen Staatswald, vielleicht nur
durch einen schmalen Holzweg und die mit der Krone versehenen Grenz-
steine von jenem geschieden, angrenzend finden. Vielleicht trifft es
sich sogar, daß diesseit und jenseit des Grenzwegs derselbe Fichtenhoch-
wald steht. Dann blicke er unter sich und über sich. Auf dem Boden
des streugerechten Waldes sieht er auf der kahlen Erde, nur mit küm-
merlichen Moospflänzchen und einem lockern Nadelfall nothdürftig bedeckt,
die entblößten Wurzeln hervortreten; und als Folge davon sehe er dann die
lockern durchsichtigen Wipfel, während die streugeschützten Bäume auf der
andern Seite ein dichtes schattendes reichbenadeltes Schirmdach bilden.

Die Bedeutung der Waldstreu ist jedoch nicht allein eine schützende,
feuchterhaltende, sondern selbstverständlich auch eine bodenverbessernde,
düngende, indem die zerfallenden Pflanzentheile den Boden mit Dammerde
bereichern. Wie wesentlich dieser Dienst ist, bestätigt sich sogar in Fällen,
die man dazu für kaum geeignet halten sollte. Im fürstlich reußischen
Gröbaer Wald in der preußischen Niederlausitz hat man seit einigen Jahren
schlechtwüchsige Kiefernorte dadurch zu einem bessern Gedeihen gebracht,
daß man auf die vorzugsweise aus magerem Haidekraut und dem kümmer-
lichen Nadelfall bestehende Bodendecke einen Fuß hoch Sand auffährt,
welcher die Zersetzung der Pflanzentheile befördert und den Boden dadurch
bereichert.

Indem wir nun dem aus dem Steinreiche stammenden unteren
Theile des Waldbodens noch einige Aufmerksamkeit zu widmen haben, so
ist natürlich auch in dieser Richtung die Bodenbeschaffenheit eine sehr
verschiedene und es spielt schon die Gesteinsart,*) durch deren Verwitterung
der Boden entstanden ist, eine einflußreiche Rolle dabei.

*) Gesteinsart und Steinart muß man wohl unterscheiden. Unter einer Ge-
steinsart, auch Felsart oder Gebirgsart genannt, verstehen wir solche Steinmassen,
welche einen wesentlichen Antheil an der Zusammensetzung der festen Erdrinde nehmen,
so daß ihr Begriff nicht sowohl durch die mineralogische Beschaffenheit, sondern durch
ihre massenhafte Verbreitung bedingt ist. Granit, Porphyr, Basalt, Thonschiefer, Kalk-
stein sind Gesteinsarten. Steinarten dagegen sind durch ihre chemische Zusammensetzung

iſt, welche die geheimnißreiche Stätte des Baumlebens vor dem Herein-
brechen ſtörender Gewalten beſchützt.

Wer an den Jammer des Streurechens nicht recht glauben will, der
gehe nur in einen unter dem Streuſervitut ſeufzenden Wald. Nicht ſelten
wird er unmittelbar an einen ſolchen einen Staatswald, vielleicht nur
durch einen ſchmalen Holzweg und die mit der Krone verſehenen Grenz-
ſteine von jenem geſchieden, angrenzend finden. Vielleicht trifft es
ſich ſogar, daß dieſſeit und jenſeit des Grenzwegs derſelbe Fichtenhoch-
wald ſteht. Dann blicke er unter ſich und über ſich. Auf dem Boden
des ſtreugerechten Waldes ſieht er auf der kahlen Erde, nur mit küm-
merlichen Moospflänzchen und einem lockern Nadelfall nothdürftig bedeckt,
die entblößten Wurzeln hervortreten; und als Folge davon ſehe er dann die
lockern durchſichtigen Wipfel, während die ſtreugeſchützten Bäume auf der
andern Seite ein dichtes ſchattendes reichbenadeltes Schirmdach bilden.

Die Bedeutung der Waldſtreu iſt jedoch nicht allein eine ſchützende,
feuchterhaltende, ſondern ſelbſtverſtändlich auch eine bodenverbeſſernde,
düngende, indem die zerfallenden Pflanzentheile den Boden mit Dammerde
bereichern. Wie weſentlich dieſer Dienſt iſt, beſtätigt ſich ſogar in Fällen,
die man dazu für kaum geeignet halten ſollte. Im fürſtlich reußiſchen
Gröbaer Wald in der preußiſchen Niederlauſitz hat man ſeit einigen Jahren
ſchlechtwüchſige Kiefernorte dadurch zu einem beſſern Gedeihen gebracht,
daß man auf die vorzugsweiſe aus magerem Haidekraut und dem kümmer-
lichen Nadelfall beſtehende Bodendecke einen Fuß hoch Sand auffährt,
welcher die Zerſetzung der Pflanzentheile befördert und den Boden dadurch
bereichert.

Indem wir nun dem aus dem Steinreiche ſtammenden unteren
Theile des Waldbodens noch einige Aufmerkſamkeit zu widmen haben, ſo
iſt natürlich auch in dieſer Richtung die Bodenbeſchaffenheit eine ſehr
verſchiedene und es ſpielt ſchon die Geſteinsart,*) durch deren Verwitterung
der Boden entſtanden iſt, eine einflußreiche Rolle dabei.

*) Geſteinsart und Steinart muß man wohl unterſcheiden. Unter einer Ge-
ſteinsart, auch Felsart oder Gebirgsart genannt, verſtehen wir ſolche Steinmaſſen,
welche einen weſentlichen Antheil an der Zuſammenſetzung der feſten Erdrinde nehmen,
ſo daß ihr Begriff nicht ſowohl durch die mineralogiſche Beſchaffenheit, ſondern durch
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[43/0067] iſt, welche die geheimnißreiche Stätte des Baumlebens vor dem Herein- brechen ſtörender Gewalten beſchützt. Wer an den Jammer des Streurechens nicht recht glauben will, der gehe nur in einen unter dem Streuſervitut ſeufzenden Wald. Nicht ſelten wird er unmittelbar an einen ſolchen einen Staatswald, vielleicht nur durch einen ſchmalen Holzweg und die mit der Krone verſehenen Grenz- ſteine von jenem geſchieden, angrenzend finden. Vielleicht trifft es ſich ſogar, daß dieſſeit und jenſeit des Grenzwegs derſelbe Fichtenhoch- wald ſteht. Dann blicke er unter ſich und über ſich. Auf dem Boden des ſtreugerechten Waldes ſieht er auf der kahlen Erde, nur mit küm- merlichen Moospflänzchen und einem lockern Nadelfall nothdürftig bedeckt, die entblößten Wurzeln hervortreten; und als Folge davon ſehe er dann die lockern durchſichtigen Wipfel, während die ſtreugeſchützten Bäume auf der andern Seite ein dichtes ſchattendes reichbenadeltes Schirmdach bilden. Die Bedeutung der Waldſtreu iſt jedoch nicht allein eine ſchützende, feuchterhaltende, ſondern ſelbſtverſtändlich auch eine bodenverbeſſernde, düngende, indem die zerfallenden Pflanzentheile den Boden mit Dammerde bereichern. Wie weſentlich dieſer Dienſt iſt, beſtätigt ſich ſogar in Fällen, die man dazu für kaum geeignet halten ſollte. Im fürſtlich reußiſchen Gröbaer Wald in der preußiſchen Niederlauſitz hat man ſeit einigen Jahren ſchlechtwüchſige Kiefernorte dadurch zu einem beſſern Gedeihen gebracht, daß man auf die vorzugsweiſe aus magerem Haidekraut und dem kümmer- lichen Nadelfall beſtehende Bodendecke einen Fuß hoch Sand auffährt, welcher die Zerſetzung der Pflanzentheile befördert und den Boden dadurch bereichert. Indem wir nun dem aus dem Steinreiche ſtammenden unteren Theile des Waldbodens noch einige Aufmerkſamkeit zu widmen haben, ſo iſt natürlich auch in dieſer Richtung die Bodenbeſchaffenheit eine ſehr verſchiedene und es ſpielt ſchon die Geſteinsart, *) durch deren Verwitterung der Boden entſtanden iſt, eine einflußreiche Rolle dabei. *) Geſteinsart und Steinart muß man wohl unterſcheiden. Unter einer Ge- ſteinsart, auch Felsart oder Gebirgsart genannt, verſtehen wir ſolche Steinmaſſen, welche einen weſentlichen Antheil an der Zuſammenſetzung der feſten Erdrinde nehmen, ſo daß ihr Begriff nicht ſowohl durch die mineralogiſche Beſchaffenheit, ſondern durch ihre maſſenhafte Verbreitung bedingt iſt. Granit, Porphyr, Baſalt, Thonſchiefer, Kalk- ſtein ſind Geſteinsarten. Steinarten dagegen ſind durch ihre chemiſche Zuſammenſetzung

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/67>, abgerufen am 22.12.2024.