Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.und der Graf von Lincoln. ein junges Fräulein ablegte. Aber von jener Zeitan hatte Madame Corbet, drey Monate lang, niemals einige Gelegenheit, mit dem Grafen alleine zu seyn. Die Baronin, die gleichsam einen Augen- Zeugen von ihrer Vereinigung abgegeben, wollte ihrem Galan seine Unbeständigkeit nicht aufrü- cken; massen sie wohl wuste, was für ein hitziges Temperament, eine rachgierige Entreprise auszuführen, er besässe; Sondern sie masste sich ei- ner solchen verstellten Affection zu ihrem Kam- mer-Fräulein an, als ob sie nicht einen Augenblick ohne ihre Gegenwart leben könnte. Madame Corbet wuste alle Affairen ihrer gnädigen Frau, ja das innerste deren Hertzens war ihr bekannt; und der Graf besuchte die Baronin noch so offt, als zuvor, kunnte es aber niemals dahin bringen, einen Augenblick in Gesellschafft ihres Kammer- Fräuleins alleine zu seyn. Nachdem aber die Baronessin verspürte, daß mehr F 3
und der Graf von Lincoln. ein junges Fraͤulein ablegte. Aber von jener Zeitan hatte Madame Corbet, drey Monate lang, niemals einige Gelegenheit, mit dem Grafen alleine zu ſeyn. Die Baronin, die gleichſam einen Augen- Zeugen von ihrer Vereinigung abgegeben, wollte ihrem Galan ſeine Unbeſtaͤndigkeit nicht aufruͤ- cken; maſſen ſie wohl wuſte, was fuͤr ein hitziges Temperament, eine rachgierige Entrepriſe auszufuͤhren, er beſaͤſſe; Sondern ſie maſſte ſich ei- ner ſolchen verſtellten Affection zu ihrem Kam- mer-Fraͤulein an, als ob ſie nicht einen Augenblick ohne ihre Gegenwart leben koͤnnte. Madame Corbet wuſte alle Affairen ihrer gnaͤdigen Frau, ja das innerſte deren Hertzens war ihr bekannt; und der Graf beſuchte die Baronin noch ſo offt, als zuvor, kunnte es aber niemals dahin bringen, einen Augenblick in Geſellſchafft ihres Kammer- Fraͤuleins alleine zu ſeyn. Nachdem aber die Baroneſſin verſpuͤrte, daß mehr F 3
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und der Graf von Lincoln.
ein junges Fraͤulein ablegte. Aber von jener Zeit
an hatte Madame Corbet, drey Monate lang,
niemals einige Gelegenheit, mit dem Grafen alleine
zu ſeyn. Die Baronin, die gleichſam einen Augen-
Zeugen von ihrer Vereinigung abgegeben, wollte
ihrem Galan ſeine Unbeſtaͤndigkeit nicht aufruͤ-
cken; maſſen ſie wohl wuſte, was fuͤr ein hitziges
Temperament, eine rachgierige Entrepriſe
auszufuͤhren, er beſaͤſſe; Sondern ſie maſſte ſich ei-
ner ſolchen verſtellten Affection zu ihrem Kam-
mer-Fraͤulein an, als ob ſie nicht einen Augenblick
ohne ihre Gegenwart leben koͤnnte. Madame
Corbet wuſte alle Affairen ihrer gnaͤdigen Frau,
ja das innerſte deren Hertzens war ihr bekannt;
und der Graf beſuchte die Baronin noch ſo offt,
als zuvor, kunnte es aber niemals dahin bringen,
einen Augenblick in Geſellſchafft ihres Kammer-
Fraͤuleins alleine zu ſeyn.
Nachdem aber die Baroneſſin verſpuͤrte, daß
ihre Eyferſucht ſo ſehr zu, als des Grafen Neigung
gegen ſie abnahm, beſchloſſe ſie bey ſich ſelbſten,
denen Verliebten gleiches mit gleichen zu vergelten,
und auf Mittel und Wege zu dencken, beyde zu
ruiniren, damit ſie ihrer Ehre, welche das eintzige,
ſo ihr ſchaͤtzbar war, keinen Schand-Flecken an-
haͤngen moͤchte; Jedoch binnen kurtzer Zeit wurde
die gnaͤdige Frau von einer Melancholie einge-
nommen, welche ſie ſo veraͤnderte, daß man ſie kaum
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