Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Madame Needham,
rung zu versorgen, wohin sie ein extraordinaires
Verlangen trug, der Hoffnung, daselbst in einigen
Dienst zu kommen, oder sich des Vortheils ihrer
Schönheit zu bedienen, und etwa einen Handels-
Mann ins Garn der ehlichen Verstrickung zu lo-
cken. Mit diesem Vorsatz nun begab sie sich nach
London, und war kaum da angelanget, als sie
befande, daß ihr Geld alles verzehret, und sie in ei-
nem höchst-miserablen und verlassenen Zustande
sey; Zu ihrem Glück begab sichs, daß sie ein Logis
in Wapping, einem sehr berüchtigten und no-
tori
schen Bordel, bekam, wo sie sich mit solcher
Einfalt und scheinheiliger Unschuld anzustellen, und
eine so säuberliche Historie von ihrem Unglücke zu
erzehlen wuste, daß, ungeachtet kein Wort davon
der Wahrheit gemäß war, die Kupplerin, ihre
Wirthin, doch alles glaubte, und unter dem Prae-
text
des Mitleidens über ihren gegewärtigen Man-
gel, welches aber mehr aus Hoffnung, einen guten
Marckt mit ihr zu halten, geschahe, ihr überaus gü-
tig und hülff-begierig beysprang. Jhre Schön-
heit wurde in kurtzem berühmt, deren sie sich so wohl
zu Nutze zu machen, und ihr Talent in dieser bö-
sen Lebens Art so fürtresflich anzulegen wuste, daß
sie durch Gemeinmachung ihrer längst verlohrnen
Jungferschafft mit sieben oder acht reichen Schiff-
Herren, welche alle darauf geschwohren hätten, sie
wäre noch würcklich eine reine Jungfer, und deß-

wegen

Madame Needham,
rung zu verſorgen, wohin ſie ein extraordinaires
Verlangen trug, der Hoffnung, daſelbſt in einigen
Dienſt zu kommen, oder ſich des Vortheils ihrer
Schoͤnheit zu bedienen, und etwa einen Handels-
Mann ins Garn der ehlichen Verſtrickung zu lo-
cken. Mit dieſem Vorſatz nun begab ſie ſich nach
London, und war kaum da angelanget, als ſie
befande, daß ihr Geld alles verzehret, und ſie in ei-
nem hoͤchſt-miſerablen und verlaſſenen Zuſtande
ſey; Zu ihrem Gluͤck begab ſichs, daß ſie ein Logis
in Wapping, einem ſehr beruͤchtigten und no-
tori
ſchen Bordel, bekam, wo ſie ſich mit ſolcher
Einfalt und ſcheinheiliger Unſchuld anzuſtellen, und
eine ſo ſaͤuberliche Hiſtorie von ihrem Ungluͤcke zu
erzehlen wuſte, daß, ungeachtet kein Wort davon
der Wahrheit gemaͤß war, die Kupplerin, ihre
Wirthin, doch alles glaubte, und unter dem Præ-
text
des Mitleidens uͤber ihren gegewaͤrtigen Man-
gel, welches aber mehr aus Hoffnung, einen guten
Marckt mit ihr zu halten, geſchahe, ihr uͤberaus guͤ-
tig und huͤlff-begierig beyſprang. Jhre Schoͤn-
heit wurde in kurtzem beruͤhmt, deren ſie ſich ſo wohl
zu Nutze zu machen, und ihr Talent in dieſer boͤ-
ſen Lebens Art ſo fuͤrtreſflich anzulegen wuſte, daß
ſie durch Gemeinmachung ihrer laͤngſt verlohrnen
Jungferſchafft mit ſieben oder acht reichen Schiff-
Herren, welche alle darauf geſchwohren haͤtten, ſie
waͤre noch wuͤrcklich eine reine Jungfer, und deß-

wegen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0236" n="216"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Madame Needham,</hi></hi></fw><lb/>
rung zu ver&#x017F;orgen, wohin &#x017F;ie ein <hi rendition="#aq">extraordinair</hi>es<lb/>
Verlangen trug, der Hoffnung, da&#x017F;elb&#x017F;t in einigen<lb/>
Dien&#x017F;t zu kommen, oder &#x017F;ich des Vortheils ihrer<lb/>
Scho&#x0364;nheit zu bedienen, und etwa einen Handels-<lb/>
Mann ins Garn der ehlichen Ver&#x017F;trickung zu lo-<lb/>
cken. Mit die&#x017F;em Vor&#x017F;atz nun begab &#x017F;ie &#x017F;ich nach<lb/><hi rendition="#aq">London,</hi> und war kaum da angelanget, als &#x017F;ie<lb/>
befande, daß ihr Geld alles verzehret, und &#x017F;ie in ei-<lb/>
nem ho&#x0364;ch&#x017F;t-<hi rendition="#aq">mi&#x017F;erabl</hi>en und verla&#x017F;&#x017F;enen Zu&#x017F;tande<lb/>
&#x017F;ey; Zu ihrem Glu&#x0364;ck begab &#x017F;ichs, daß &#x017F;ie ein <hi rendition="#aq">Logis</hi><lb/>
in <hi rendition="#aq">Wapping,</hi> einem &#x017F;ehr beru&#x0364;chtigten und <hi rendition="#aq">no-<lb/>
tori</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Bordel,</hi> bekam, wo &#x017F;ie &#x017F;ich mit &#x017F;olcher<lb/>
Einfalt und &#x017F;cheinheiliger Un&#x017F;chuld anzu&#x017F;tellen, und<lb/>
eine &#x017F;o &#x017F;a&#x0364;uberliche Hi&#x017F;torie von ihrem Unglu&#x0364;cke zu<lb/>
erzehlen wu&#x017F;te, daß, ungeachtet kein Wort davon<lb/>
der Wahrheit gema&#x0364;ß war, die Kupplerin, ihre<lb/>
Wirthin, doch alles glaubte, und unter dem <hi rendition="#aq">Præ-<lb/>
text</hi> des Mitleidens u&#x0364;ber ihren gegewa&#x0364;rtigen Man-<lb/>
gel, welches aber mehr aus Hoffnung, einen guten<lb/>
Marckt mit ihr zu halten, ge&#x017F;chahe, ihr u&#x0364;beraus gu&#x0364;-<lb/>
tig und hu&#x0364;lff-begierig bey&#x017F;prang. Jhre Scho&#x0364;n-<lb/>
heit wurde in kurtzem beru&#x0364;hmt, deren &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o wohl<lb/>
zu Nutze zu machen, und ihr <hi rendition="#aq">Talent</hi> in die&#x017F;er bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en Lebens Art &#x017F;o fu&#x0364;rtre&#x017F;flich anzulegen wu&#x017F;te, daß<lb/>
&#x017F;ie durch Gemeinmachung ihrer la&#x0364;ng&#x017F;t verlohrnen<lb/>
Jungfer&#x017F;chafft mit &#x017F;ieben oder acht reichen Schiff-<lb/>
Herren, welche alle darauf ge&#x017F;chwohren ha&#x0364;tten, &#x017F;ie<lb/>
wa&#x0364;re noch wu&#x0364;rcklich eine reine Jungfer, und deß-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wegen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0236] Madame Needham, rung zu verſorgen, wohin ſie ein extraordinaires Verlangen trug, der Hoffnung, daſelbſt in einigen Dienſt zu kommen, oder ſich des Vortheils ihrer Schoͤnheit zu bedienen, und etwa einen Handels- Mann ins Garn der ehlichen Verſtrickung zu lo- cken. Mit dieſem Vorſatz nun begab ſie ſich nach London, und war kaum da angelanget, als ſie befande, daß ihr Geld alles verzehret, und ſie in ei- nem hoͤchſt-miſerablen und verlaſſenen Zuſtande ſey; Zu ihrem Gluͤck begab ſichs, daß ſie ein Logis in Wapping, einem ſehr beruͤchtigten und no- toriſchen Bordel, bekam, wo ſie ſich mit ſolcher Einfalt und ſcheinheiliger Unſchuld anzuſtellen, und eine ſo ſaͤuberliche Hiſtorie von ihrem Ungluͤcke zu erzehlen wuſte, daß, ungeachtet kein Wort davon der Wahrheit gemaͤß war, die Kupplerin, ihre Wirthin, doch alles glaubte, und unter dem Præ- text des Mitleidens uͤber ihren gegewaͤrtigen Man- gel, welches aber mehr aus Hoffnung, einen guten Marckt mit ihr zu halten, geſchahe, ihr uͤberaus guͤ- tig und huͤlff-begierig beyſprang. Jhre Schoͤn- heit wurde in kurtzem beruͤhmt, deren ſie ſich ſo wohl zu Nutze zu machen, und ihr Talent in dieſer boͤ- ſen Lebens Art ſo fuͤrtreſflich anzulegen wuſte, daß ſie durch Gemeinmachung ihrer laͤngſt verlohrnen Jungferſchafft mit ſieben oder acht reichen Schiff- Herren, welche alle darauf geſchwohren haͤtten, ſie waͤre noch wuͤrcklich eine reine Jungfer, und deß- wegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/236
Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/236>, abgerufen am 20.05.2024.