gewöhnliche Schau-Spiele und Ergötzlichkeiten in der Stadt viel zu schlecht und verächtlich vorka- men. Je grösser sie wurde, desto mehr verbesserte sie alle Stücke der Auferziehung, und spielete, we- gen ihres trefflichen Verstandes und guten Natu- rels, bald über alle übrige ihres Geschlechts die Meisterin. Dieses, nebst ihrer annehmlichen Miene und trefflichen Gestalt, zoge die Auger al- ler Menschen nach sich, und so bald sie solche das erste mal erblickten, wurden sie von ihrem char- manten Wesen bezaubert, und ein so beliebtes Bildniß in ihre Seelen eingepräget.
Es hatten unterschiedliche grosse Herren ihre Hertzen auf sie gerichtet, und giengen bey sich zu Rath, sie zu einer Maitresse zu erlangen. Als dieses ihr Vater innen wurde, vermeynte er es Zeit zu seyn, sie der Gefahr zu entreissen, und ehe sie ei- nem ieden zum Raube werden möchte, aufs Land zu einer von seinen Schwesten, so zu Northam- pton wohnte, zu senden. Hier verharrete sie in die zwölff Monathe lang, welche Zeit vor zulänglich erachtet wurde, das Feuer derer Liebhaber ausküh- len zu lassen, und diejenigen, so ihr nachstelleten, mit Manier abzuweisen; und also ward sie zu ihres Vaters Behausung wiederum zurücke beruffen. Alleine Liebe und Neid bedürffen ein wachsames Auge; Sie war nicht so bald in der Stadt ange- langet, als der Lord Hastings, Königs Edward
des
Johanna Shore,
gewoͤhnliche Schau-Spiele und Ergoͤtzlichkeiten in der Stadt viel zu ſchlecht und veraͤchtlich vorka- men. Je groͤſſer ſie wurde, deſto mehr verbeſſerte ſie alle Stuͤcke der Auferziehung, und ſpielete, we- gen ihres trefflichen Verſtandes und guten Natu- rels, bald uͤber alle uͤbrige ihres Geſchlechts die Meiſterin. Dieſes, nebſt ihrer annehmlichen Miene und trefflichen Geſtalt, zoge die Auger al- ler Menſchen nach ſich, und ſo bald ſie ſolche das erſte mal erblickten, wurden ſie von ihrem char- manten Weſen bezaubert, und ein ſo beliebtes Bildniß in ihre Seelen eingepraͤget.
Es hatten unterſchiedliche groſſe Herren ihre Hertzen auf ſie gerichtet, und giengen bey ſich zu Rath, ſie zu einer Maitreſſe zu erlangen. Als dieſes ihr Vater innen wurde, vermeynte er es Zeit zu ſeyn, ſie der Gefahr zu entreiſſen, und ehe ſie ei- nem ieden zum Raube werden moͤchte, aufs Land zu einer von ſeinen Schweſten, ſo zu Northam- pton wohnte, zu ſenden. Hier verharrete ſie in die zwoͤlff Monathe lang, welche Zeit vor zulaͤnglich erachtet wurde, das Feuer derer Liebhaber auskuͤh- len zu laſſen, und diejenigen, ſo ihr nachſtelleten, mit Manier abzuweiſen; und alſo ward ſie zu ihres Vaters Behauſung wiederum zuruͤcke beruffen. Alleine Liebe und Neid beduͤrffen ein wachſames Auge; Sie war nicht ſo bald in der Stadt ange- langet, als der Lord Haſtings, Koͤnigs Edward
des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0056"n="36"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">Johanna Shore,</hi></hi></fw><lb/>
gewoͤhnliche Schau-Spiele und Ergoͤtzlichkeiten<lb/>
in der Stadt viel zu ſchlecht und veraͤchtlich vorka-<lb/>
men. Je groͤſſer ſie wurde, deſto mehr verbeſſerte<lb/>ſie alle Stuͤcke der Auferziehung, und ſpielete, we-<lb/>
gen ihres trefflichen Verſtandes und guten <hirendition="#aq">Natu-<lb/>
rels,</hi> bald uͤber alle uͤbrige ihres Geſchlechts die<lb/>
Meiſterin. Dieſes, nebſt ihrer annehmlichen<lb/><hirendition="#aq">Miene</hi> und trefflichen Geſtalt, zoge die Auger al-<lb/>
ler Menſchen nach ſich, und ſo bald ſie ſolche das<lb/>
erſte mal erblickten, wurden ſie von ihrem <hirendition="#aq">char-<lb/>
man</hi>ten Weſen bezaubert, und ein ſo beliebtes<lb/>
Bildniß in ihre Seelen eingepraͤget.</p><lb/><p>Es hatten unterſchiedliche groſſe Herren ihre<lb/>
Hertzen auf ſie gerichtet, und giengen bey ſich zu<lb/>
Rath, ſie zu einer <hirendition="#aq">Maitreſſe</hi> zu erlangen. Als<lb/>
dieſes ihr Vater innen wurde, vermeynte er es Zeit<lb/>
zu ſeyn, ſie der Gefahr zu entreiſſen, und ehe ſie ei-<lb/>
nem ieden zum Raube werden moͤchte, aufs Land<lb/>
zu einer von ſeinen Schweſten, ſo zu <hirendition="#aq">Northam-<lb/>
pton</hi> wohnte, zu ſenden. Hier verharrete ſie in<lb/>
die zwoͤlff Monathe lang, welche Zeit vor zulaͤnglich<lb/>
erachtet wurde, das Feuer derer Liebhaber auskuͤh-<lb/>
len zu laſſen, und diejenigen, ſo ihr nachſtelleten, mit<lb/><hirendition="#aq">Manier</hi> abzuweiſen; und alſo ward ſie zu ihres<lb/>
Vaters Behauſung wiederum zuruͤcke beruffen.<lb/>
Alleine Liebe und Neid beduͤrffen ein wachſames<lb/>
Auge; Sie war nicht ſo bald in der Stadt ange-<lb/>
langet, als der <hirendition="#aq">Lord Haſtings,</hi> Koͤnigs <hirendition="#aq">Edward</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">des</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[36/0056]
Johanna Shore,
gewoͤhnliche Schau-Spiele und Ergoͤtzlichkeiten
in der Stadt viel zu ſchlecht und veraͤchtlich vorka-
men. Je groͤſſer ſie wurde, deſto mehr verbeſſerte
ſie alle Stuͤcke der Auferziehung, und ſpielete, we-
gen ihres trefflichen Verſtandes und guten Natu-
rels, bald uͤber alle uͤbrige ihres Geſchlechts die
Meiſterin. Dieſes, nebſt ihrer annehmlichen
Miene und trefflichen Geſtalt, zoge die Auger al-
ler Menſchen nach ſich, und ſo bald ſie ſolche das
erſte mal erblickten, wurden ſie von ihrem char-
manten Weſen bezaubert, und ein ſo beliebtes
Bildniß in ihre Seelen eingepraͤget.
Es hatten unterſchiedliche groſſe Herren ihre
Hertzen auf ſie gerichtet, und giengen bey ſich zu
Rath, ſie zu einer Maitreſſe zu erlangen. Als
dieſes ihr Vater innen wurde, vermeynte er es Zeit
zu ſeyn, ſie der Gefahr zu entreiſſen, und ehe ſie ei-
nem ieden zum Raube werden moͤchte, aufs Land
zu einer von ſeinen Schweſten, ſo zu Northam-
pton wohnte, zu ſenden. Hier verharrete ſie in
die zwoͤlff Monathe lang, welche Zeit vor zulaͤnglich
erachtet wurde, das Feuer derer Liebhaber auskuͤh-
len zu laſſen, und diejenigen, ſo ihr nachſtelleten, mit
Manier abzuweiſen; und alſo ward ſie zu ihres
Vaters Behauſung wiederum zuruͤcke beruffen.
Alleine Liebe und Neid beduͤrffen ein wachſames
Auge; Sie war nicht ſo bald in der Stadt ange-
langet, als der Lord Haſtings, Koͤnigs Edward
des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers sind fingiert. Die Angaben basieren auf dem Katalogeintrag der Bayerische Staatsbibliothek München sowie Weller (Druckorte), Bd. 1, S. 70. - Bibliogr. Nachweis: BLC to 1975, Bd. 186, S. 449.
Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/56>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.