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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
der Wirkung des Muskelzuges erhalten. Auch ist es verständ-
lich, dass derselbe Forscher nach Durchschneidung der Nerven
einer hinteren Extremität einer trächtigen Hündin nach der
Säugungsperiode Osteomalacie (Knochenerweichung) neben Ver-
dünnung blos auf der Seite der Nervendurchschneidung fand.
Denn wenn die normale Bildung der Knochensubstanz an die
Einwirkung des functionellen Reizes auf die Knochen bilden-
den Zellen gebunden ist, so musste bei Kalkmangel das ge-
lähmte Bein zuerst betroffen werden.

Ferner nöthigt die nach Durchschneidung der Drüsennerven
vorkommende, bereits erwähnte Atrophie der Unterkieferdrüse
und des Hodens in keiner Weise zur Annahme besonderer tro-
phischer Nerven, durch welche besondere die Ernährung för-
dernde Reize zugeleitet werden, wenn, was gewiss das Ein-
fachere ist, angenommen wird, dass der functionelle Reiz zugleich
eine die Assimilation stärkende, also trophische Wirkung hat.

Ganz das Gleiche gilt von den entsprechenden Atrophien
der Muskeln nach Durchschneidung ihrer Nerven, oder nach
krankhafter Entartung derselben oder der Ganglienzellen des
Rückenmarks.

Wie sich die vorstehenden Versuche alle durch Inactivitäts-
atrophie infolge mangelnden functionellen Reizes erklären lassen,
ohne Annahme besonderer trophischer Nerven, ebenso ist es
möglich, die Resultate der Durchschneidung des Nervus sym-
pathicus (des Eingeweide- und Gefässnervensystems) rein auf
Gefässstörungen zurückzuführen, theils durch entstehende Ver-
grösserung der Blutzufuhr, welche bei den Stützsubstanzen
(Bindegewebe und Knochen) jugendlicher und erwachsener In-
dividuen und auch bei den Arbeitsorganen, besonders den Mus-
keln und Drüsen noch jugendlicher Personen auch bei nicht
verstärkter Function zur verstärkten Ernährung ausreicht, theils
durch Atrophie infolge entstehender Blutarmuth. Die Ursache

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
der Wirkung des Muskelzuges erhalten. Auch ist es verständ-
lich, dass derselbe Forscher nach Durchschneidung der Nerven
einer hinteren Extremität einer trächtigen Hündin nach der
Säugungsperiode Osteomalacie (Knochenerweichung) neben Ver-
dünnung blos auf der Seite der Nervendurchschneidung fand.
Denn wenn die normale Bildung der Knochensubstanz an die
Einwirkung des functionellen Reizes auf die Knochen bilden-
den Zellen gebunden ist, so musste bei Kalkmangel das ge-
lähmte Bein zuerst betroffen werden.

Ferner nöthigt die nach Durchschneidung der Drüsennerven
vorkommende, bereits erwähnte Atrophie der Unterkieferdrüse
und des Hodens in keiner Weise zur Annahme besonderer tro-
phischer Nerven, durch welche besondere die Ernährung för-
dernde Reize zugeleitet werden, wenn, was gewiss das Ein-
fachere ist, angenommen wird, dass der functionelle Reiz zugleich
eine die Assimilation stärkende, also trophische Wirkung hat.

Ganz das Gleiche gilt von den entsprechenden Atrophien
der Muskeln nach Durchschneidung ihrer Nerven, oder nach
krankhafter Entartung derselben oder der Ganglienzellen des
Rückenmarks.

Wie sich die vorstehenden Versuche alle durch Inactivitäts-
atrophie infolge mangelnden functionellen Reizes erklären lassen,
ohne Annahme besonderer trophischer Nerven, ebenso ist es
möglich, die Resultate der Durchschneidung des Nervus sym-
pathicus (des Eingeweide- und Gefässnervensystems) rein auf
Gefässstörungen zurückzuführen, theils durch entstehende Ver-
grösserung der Blutzufuhr, welche bei den Stützsubstanzen
(Bindegewebe und Knochen) jugendlicher und erwachsener In-
dividuen und auch bei den Arbeitsorganen, besonders den Mus-
keln und Drüsen noch jugendlicher Personen auch bei nicht
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durch Atrophie infolge entstehender Blutarmuth. Die Ursache

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[127/0141] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. der Wirkung des Muskelzuges erhalten. Auch ist es verständ- lich, dass derselbe Forscher nach Durchschneidung der Nerven einer hinteren Extremität einer trächtigen Hündin nach der Säugungsperiode Osteomalacie (Knochenerweichung) neben Ver- dünnung blos auf der Seite der Nervendurchschneidung fand. Denn wenn die normale Bildung der Knochensubstanz an die Einwirkung des functionellen Reizes auf die Knochen bilden- den Zellen gebunden ist, so musste bei Kalkmangel das ge- lähmte Bein zuerst betroffen werden. Ferner nöthigt die nach Durchschneidung der Drüsennerven vorkommende, bereits erwähnte Atrophie der Unterkieferdrüse und des Hodens in keiner Weise zur Annahme besonderer tro- phischer Nerven, durch welche besondere die Ernährung för- dernde Reize zugeleitet werden, wenn, was gewiss das Ein- fachere ist, angenommen wird, dass der functionelle Reiz zugleich eine die Assimilation stärkende, also trophische Wirkung hat. Ganz das Gleiche gilt von den entsprechenden Atrophien der Muskeln nach Durchschneidung ihrer Nerven, oder nach krankhafter Entartung derselben oder der Ganglienzellen des Rückenmarks. Wie sich die vorstehenden Versuche alle durch Inactivitäts- atrophie infolge mangelnden functionellen Reizes erklären lassen, ohne Annahme besonderer trophischer Nerven, ebenso ist es möglich, die Resultate der Durchschneidung des Nervus sym- pathicus (des Eingeweide- und Gefässnervensystems) rein auf Gefässstörungen zurückzuführen, theils durch entstehende Ver- grösserung der Blutzufuhr, welche bei den Stützsubstanzen (Bindegewebe und Knochen) jugendlicher und erwachsener In- dividuen und auch bei den Arbeitsorganen, besonders den Mus- keln und Drüsen noch jugendlicher Personen auch bei nicht verstärkter Function zur verstärkten Ernährung ausreicht, theils durch Atrophie infolge entstehender Blutarmuth. Die Ursache

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/141>, abgerufen am 24.11.2024.