Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
die Zwecke des Organismus sein Schicksal eng mit jenem
anderer Apparate verknüpft halten. Mit der Auflösung der
Erregungseinheit schwindet auch die nutritive Einheit. Die
alsdann sich ausbildenden Processe sind nicht sofort Atrophie,
sondern vielmehr Allotrophie. Die Ernährungsprocesse in Ner-
ven, Muskeln und Drüsen, die von ihren Centren getrennt
werden, hören nicht auf, sondern werden nur in Bahnen gelenkt,
die den Zwecken des Gesammtorganismus nicht mehr unterthan
sind, gerade so wie in functioneller Beziehung ein derartiger
Muskel, der gelähmt ist, für die normale, den Zwecken des
Organismus dienende Bewegung, im Uebrigen aber sowohl
spontan sich bewegt (Lähmungsoscillationen), als auch für die
künstlichen Reize (Electricität), wenn auch in veränderter Weise,
erregbar bleibt."

Pag. 211 spricht er dann die Meinung aus, "dass die Central-
nervensubstanz ebenso von den peripheren Organen, mit denen
sie eine Erregungseinheit bildet, in ihrer Ernährung beeinflusst
wird" und dass er "die centrale Nervensubstanz nicht einseitig,
gleichsam als nutritive Vorsehung der peripherischen Gebilde"
ansehe.

Aber er giebt zu, dass die peripheren Theile leichter leiden
als die centralen, weil "periphere Nerven, Muskeln oder Drüsen
nur die Glieder einer einzigen Erregungseinheit bilden." "Sobald
diese Einheit zerstört ist, muss auch die normale Ernährung,
die auf die Unversehrtheit dieser Einheit angewiesen ist, leiden.
Die centrale Substanz hingegen ist offenbar, wie aus vielen
Beobachtungen hervorgeht, Mitglied verschiedener functioneller
und nutritiver Einheiten; wenn so z. B. der Zusammenhang
eines motorischen Nerven mit dem Rückenmark getrennt wird,
so sehen wir den peripheren Stumpf des Nerven mit sammt
dem Muskel der Allotrophie verfallen; der centrale Stumpf und
das Rückenmark bleiben durch lange Zeit intact, wohl aus

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
die Zwecke des Organismus sein Schicksal eng mit jenem
anderer Apparate verknüpft halten. Mit der Auflösung der
Erregungseinheit schwindet auch die nutritive Einheit. Die
alsdann sich ausbildenden Processe sind nicht sofort Atrophie,
sondern vielmehr Allotrophie. Die Ernährungsprocesse in Ner-
ven, Muskeln und Drüsen, die von ihren Centren getrennt
werden, hören nicht auf, sondern werden nur in Bahnen gelenkt,
die den Zwecken des Gesammtorganismus nicht mehr unterthan
sind, gerade so wie in functioneller Beziehung ein derartiger
Muskel, der gelähmt ist, für die normale, den Zwecken des
Organismus dienende Bewegung, im Uebrigen aber sowohl
spontan sich bewegt (Lähmungsoscillationen), als auch für die
künstlichen Reize (Electricität), wenn auch in veränderter Weise,
erregbar bleibt.«

Pag. 211 spricht er dann die Meinung aus, »dass die Central-
nervensubstanz ebenso von den peripheren Organen, mit denen
sie eine Erregungseinheit bildet, in ihrer Ernährung beeinflusst
wird« und dass er »die centrale Nervensubstanz nicht einseitig,
gleichsam als nutritive Vorsehung der peripherischen Gebilde«
ansehe.

Aber er giebt zu, dass die peripheren Theile leichter leiden
als die centralen, weil »periphere Nerven, Muskeln oder Drüsen
nur die Glieder einer einzigen Erregungseinheit bilden.« »Sobald
diese Einheit zerstört ist, muss auch die normale Ernährung,
die auf die Unversehrtheit dieser Einheit angewiesen ist, leiden.
Die centrale Substanz hingegen ist offenbar, wie aus vielen
Beobachtungen hervorgeht, Mitglied verschiedener functioneller
und nutritiver Einheiten; wenn so z. B. der Zusammenhang
eines motorischen Nerven mit dem Rückenmark getrennt wird,
so sehen wir den peripheren Stumpf des Nerven mit sammt
dem Muskel der Allotrophie verfallen; der centrale Stumpf und
das Rückenmark bleiben durch lange Zeit intact, wohl aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="132"/><fw place="top" type="header">III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.</fw><lb/>
die Zwecke des Organismus sein Schicksal eng mit jenem<lb/>
anderer Apparate verknüpft halten. Mit der Auflösung der<lb/>
Erregungseinheit schwindet auch die nutritive Einheit. Die<lb/>
alsdann sich ausbildenden Processe sind nicht sofort Atrophie,<lb/>
sondern vielmehr Allotrophie. Die Ernährungsprocesse in Ner-<lb/>
ven, Muskeln und Drüsen, die von ihren Centren getrennt<lb/>
werden, hören nicht auf, sondern werden nur in Bahnen gelenkt,<lb/>
die den Zwecken des Gesammtorganismus nicht mehr unterthan<lb/>
sind, gerade so wie in functioneller Beziehung ein derartiger<lb/>
Muskel, der gelähmt ist, für die normale, den Zwecken des<lb/>
Organismus dienende Bewegung, im Uebrigen aber sowohl<lb/>
spontan sich bewegt (Lähmungsoscillationen), als auch für die<lb/>
künstlichen Reize (Electricität), wenn auch in veränderter Weise,<lb/>
erregbar bleibt.«</p><lb/>
        <p>Pag. 211 spricht er dann die Meinung aus, »dass die Central-<lb/>
nervensubstanz ebenso von den peripheren Organen, mit denen<lb/>
sie eine Erregungseinheit bildet, in ihrer Ernährung beeinflusst<lb/>
wird« und dass er »die centrale Nervensubstanz nicht einseitig,<lb/>
gleichsam als nutritive Vorsehung der peripherischen Gebilde«<lb/>
ansehe.</p><lb/>
        <p>Aber er giebt zu, dass die peripheren Theile leichter leiden<lb/>
als die centralen, weil »periphere Nerven, Muskeln oder Drüsen<lb/>
nur die Glieder einer einzigen Erregungseinheit bilden.« »Sobald<lb/>
diese Einheit zerstört ist, muss auch die normale Ernährung,<lb/>
die auf die Unversehrtheit dieser Einheit angewiesen ist, leiden.<lb/>
Die centrale Substanz hingegen ist offenbar, wie aus vielen<lb/>
Beobachtungen hervorgeht, Mitglied verschiedener functioneller<lb/>
und nutritiver Einheiten; wenn so z. B. der Zusammenhang<lb/>
eines motorischen Nerven mit dem Rückenmark getrennt wird,<lb/>
so sehen wir den peripheren Stumpf des Nerven mit sammt<lb/>
dem Muskel der Allotrophie verfallen; der centrale Stumpf und<lb/>
das Rückenmark bleiben durch lange Zeit intact, wohl aus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0146] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. die Zwecke des Organismus sein Schicksal eng mit jenem anderer Apparate verknüpft halten. Mit der Auflösung der Erregungseinheit schwindet auch die nutritive Einheit. Die alsdann sich ausbildenden Processe sind nicht sofort Atrophie, sondern vielmehr Allotrophie. Die Ernährungsprocesse in Ner- ven, Muskeln und Drüsen, die von ihren Centren getrennt werden, hören nicht auf, sondern werden nur in Bahnen gelenkt, die den Zwecken des Gesammtorganismus nicht mehr unterthan sind, gerade so wie in functioneller Beziehung ein derartiger Muskel, der gelähmt ist, für die normale, den Zwecken des Organismus dienende Bewegung, im Uebrigen aber sowohl spontan sich bewegt (Lähmungsoscillationen), als auch für die künstlichen Reize (Electricität), wenn auch in veränderter Weise, erregbar bleibt.« Pag. 211 spricht er dann die Meinung aus, »dass die Central- nervensubstanz ebenso von den peripheren Organen, mit denen sie eine Erregungseinheit bildet, in ihrer Ernährung beeinflusst wird« und dass er »die centrale Nervensubstanz nicht einseitig, gleichsam als nutritive Vorsehung der peripherischen Gebilde« ansehe. Aber er giebt zu, dass die peripheren Theile leichter leiden als die centralen, weil »periphere Nerven, Muskeln oder Drüsen nur die Glieder einer einzigen Erregungseinheit bilden.« »Sobald diese Einheit zerstört ist, muss auch die normale Ernährung, die auf die Unversehrtheit dieser Einheit angewiesen ist, leiden. Die centrale Substanz hingegen ist offenbar, wie aus vielen Beobachtungen hervorgeht, Mitglied verschiedener functioneller und nutritiver Einheiten; wenn so z. B. der Zusammenhang eines motorischen Nerven mit dem Rückenmark getrennt wird, so sehen wir den peripheren Stumpf des Nerven mit sammt dem Muskel der Allotrophie verfallen; der centrale Stumpf und das Rückenmark bleiben durch lange Zeit intact, wohl aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/146
Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/146>, abgerufen am 21.11.2024.