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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
vollziehen, bei den Drüsen. Obgleich nun für letztere Organe
der Stoffumsatz selber das Wesen und der Zweck ihrer Function
ist, somit die Möglichkeit, dass die Zufuhr von Stoffen direct
die Function auslöse, besonders nahe zu liegen scheint, so wies
doch Keuchel nach, dass nach Vergiftung mit Atropin Rei-
zung des Nerv. lingualis trotz erfolgender Hyperämie der Un-
terkieferdrüse keine Vermehrung der Secretion bewirkt. Bei
den blos passiv fungirenden Stützorganen schliesslich kann
selbstverständlich vermehrte Blutzufuhr nicht die Functionirung
veranlassen.

Zweitens wäre es möglich, dass umgekehrt durch die Func-
tion die Vermehrung der Blutzufuhr, die Hyperämie,
hervorgerufen würde
. Diese Möglichkeit scheint den that-
sächlichen Verhältnissen in manchen Fällen zu entsprechen, und
es wird daher im Folgenden noch näher auf dieselbe ein-
gegangen werden. Indessen ist das Verhältniss kein absolut
festes derart, dass ohne Hyperämie hervorzurufen die Function
nicht stattfinden könne, denn nach Vergiftung mit Physostigmin
werden die Blutgefässe bei Reizung des Nerv. lingualis nicht
erweitert, die Secretion jedoch verstärkt; und Luchsinger1)
fand, dass man durch Pilocarpin Schweissabsonderung an der
Hinterpfote hervorrufen kann, auch wenn die Bauchaorta unter-
bunden, also die Circulation aufgehoben ist. Natürlich aber
kann diese Function nicht länger als bis zur Erschöpfung der
Drüsen dauern, da durch Aufhebung der Circulation die Rege-
neration aufgehoben ist. Dieses Verhalten der Unterkieferdrüse
bei Vergiftung des Thieres mit Physostigmin und mit Atropin
veranlasste Heidenhain zur Annahme der oben erwähnten
besonderen "trophischen" Nervenfasern.

Die dritte Möglichkeit war, dass die Function und die
Hyperämie nicht in einem directen Abhängigkeitsverhältniss von

1) Luchsinger, Pflüger's Archiv. Bd. 15. p. 487.

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
vollziehen, bei den Drüsen. Obgleich nun für letztere Organe
der Stoffumsatz selber das Wesen und der Zweck ihrer Function
ist, somit die Möglichkeit, dass die Zufuhr von Stoffen direct
die Function auslöse, besonders nahe zu liegen scheint, so wies
doch Keuchel nach, dass nach Vergiftung mit Atropin Rei-
zung des Nerv. lingualis trotz erfolgender Hyperämie der Un-
terkieferdrüse keine Vermehrung der Secretion bewirkt. Bei
den blos passiv fungirenden Stützorganen schliesslich kann
selbstverständlich vermehrte Blutzufuhr nicht die Functionirung
veranlassen.

Zweitens wäre es möglich, dass umgekehrt durch die Func-
tion die Vermehrung der Blutzufuhr, die Hyperämie,
hervorgerufen würde
. Diese Möglichkeit scheint den that-
sächlichen Verhältnissen in manchen Fällen zu entsprechen, und
es wird daher im Folgenden noch näher auf dieselbe ein-
gegangen werden. Indessen ist das Verhältniss kein absolut
festes derart, dass ohne Hyperämie hervorzurufen die Function
nicht stattfinden könne, denn nach Vergiftung mit Physostigmin
werden die Blutgefässe bei Reizung des Nerv. lingualis nicht
erweitert, die Secretion jedoch verstärkt; und Luchsinger1)
fand, dass man durch Pilocarpin Schweissabsonderung an der
Hinterpfote hervorrufen kann, auch wenn die Bauchaorta unter-
bunden, also die Circulation aufgehoben ist. Natürlich aber
kann diese Function nicht länger als bis zur Erschöpfung der
Drüsen dauern, da durch Aufhebung der Circulation die Rege-
neration aufgehoben ist. Dieses Verhalten der Unterkieferdrüse
bei Vergiftung des Thieres mit Physostigmin und mit Atropin
veranlasste Heidenhain zur Annahme der oben erwähnten
besonderen »trophischen« Nervenfasern.

Die dritte Möglichkeit war, dass die Function und die
Hyperämie nicht in einem directen Abhängigkeitsverhältniss von

1) Luchsinger, Pflüger’s Archiv. Bd. 15. p. 487.
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[140/0154] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. vollziehen, bei den Drüsen. Obgleich nun für letztere Organe der Stoffumsatz selber das Wesen und der Zweck ihrer Function ist, somit die Möglichkeit, dass die Zufuhr von Stoffen direct die Function auslöse, besonders nahe zu liegen scheint, so wies doch Keuchel nach, dass nach Vergiftung mit Atropin Rei- zung des Nerv. lingualis trotz erfolgender Hyperämie der Un- terkieferdrüse keine Vermehrung der Secretion bewirkt. Bei den blos passiv fungirenden Stützorganen schliesslich kann selbstverständlich vermehrte Blutzufuhr nicht die Functionirung veranlassen. Zweitens wäre es möglich, dass umgekehrt durch die Func- tion die Vermehrung der Blutzufuhr, die Hyperämie, hervorgerufen würde. Diese Möglichkeit scheint den that- sächlichen Verhältnissen in manchen Fällen zu entsprechen, und es wird daher im Folgenden noch näher auf dieselbe ein- gegangen werden. Indessen ist das Verhältniss kein absolut festes derart, dass ohne Hyperämie hervorzurufen die Function nicht stattfinden könne, denn nach Vergiftung mit Physostigmin werden die Blutgefässe bei Reizung des Nerv. lingualis nicht erweitert, die Secretion jedoch verstärkt; und Luchsinger 1) fand, dass man durch Pilocarpin Schweissabsonderung an der Hinterpfote hervorrufen kann, auch wenn die Bauchaorta unter- bunden, also die Circulation aufgehoben ist. Natürlich aber kann diese Function nicht länger als bis zur Erschöpfung der Drüsen dauern, da durch Aufhebung der Circulation die Rege- neration aufgehoben ist. Dieses Verhalten der Unterkieferdrüse bei Vergiftung des Thieres mit Physostigmin und mit Atropin veranlasste Heidenhain zur Annahme der oben erwähnten besonderen »trophischen« Nervenfasern. Die dritte Möglichkeit war, dass die Function und die Hyperämie nicht in einem directen Abhängigkeitsverhältniss von 1) Luchsinger, Pflüger’s Archiv. Bd. 15. p. 487.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/154>, abgerufen am 22.11.2024.