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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.

Wenn so die embryonale und die postembryonale vererbte
Entwickelung ganz durch active quantitative und qualitative Nah-
rungsauswahl der Zellen bestimmt wird, soll nun für die
Activitätshypertrophie im noch jugendlichen und im erwachsenen
Individuum auf einmal ein ganz anderes, geradezu entgegen-
gesetztes Gesetz gelten? Soll die Ernährung jetzt auf einmal
eine rein passive geworden sein, welche blos abhängig ist von
der jetzt durch Nervenvermittelung von irgend einem Centrum
aus besorgten Regulation der Blutgefässe?

Bei der functionellen Vergrösserung der Organe findet nun
nicht blos einfache Vergrösserung der Elementartheile statt,
sondern auch Vermehrung derselben und Vermehrung der
Capillaren. Hierbei müssten also wiederum, wenn die Ernährung
rein passiv erfolgte, die Capillaren auf einmal anfangen, stärker
zu wachsen, Sprossen zu treiben etc., und da nach dem im
I. Kapitel begründeten Gesetz von der dimensionalen Hyper-
trophie die Organe blos in denjenigen Dimensionen sich ver-
grössern, welche die Verstärkung der Function leisten, also
auch die Capillaren blos nach diesen Richtungen hin sich ent-
wickeln, so müssten wiederum die Bildungsgesetze des Speci-
fischen in den Zellen der Capillarwandung liegen, denn blosse
Vergrösserung der Blutzufuhr zum Organ mit passivem Wachs-
thum der Capillaren und der von ihnen als abhängig an-
genommenen specifischen Theile würde eine gleichmässige Ver-
grösserung nach allen drei Dimensionen zur Folge haben. Wie
aber sollen durch verstärkte Function die Capillaren blos zur
Vermehrung nach zwei Dimensionen mit Ausschluss der dritten
angeregt werden?

Wenn nun das Wachsthum der Organe nur wenig durch
die Blutgefässe bestimmt wird, sondern umgekehrt vorwiegend
die specifischen Theile durch active Auswahl den Nahrungs-
verbrauch bestimmen, so fragt sich, wie unter diesen Verhält-

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.

Wenn so die embryonale und die postembryonale vererbte
Entwickelung ganz durch active quantitative und qualitative Nah-
rungsauswahl der Zellen bestimmt wird, soll nun für die
Activitätshypertrophie im noch jugendlichen und im erwachsenen
Individuum auf einmal ein ganz anderes, geradezu entgegen-
gesetztes Gesetz gelten? Soll die Ernährung jetzt auf einmal
eine rein passive geworden sein, welche blos abhängig ist von
der jetzt durch Nervenvermittelung von irgend einem Centrum
aus besorgten Regulation der Blutgefässe?

Bei der functionellen Vergrösserung der Organe findet nun
nicht blos einfache Vergrösserung der Elementartheile statt,
sondern auch Vermehrung derselben und Vermehrung der
Capillaren. Hierbei müssten also wiederum, wenn die Ernährung
rein passiv erfolgte, die Capillaren auf einmal anfangen, stärker
zu wachsen, Sprossen zu treiben etc., und da nach dem im
I. Kapitel begründeten Gesetz von der dimensionalen Hyper-
trophie die Organe blos in denjenigen Dimensionen sich ver-
grössern, welche die Verstärkung der Function leisten, also
auch die Capillaren blos nach diesen Richtungen hin sich ent-
wickeln, so müssten wiederum die Bildungsgesetze des Speci-
fischen in den Zellen der Capillarwandung liegen, denn blosse
Vergrösserung der Blutzufuhr zum Organ mit passivem Wachs-
thum der Capillaren und der von ihnen als abhängig an-
genommenen specifischen Theile würde eine gleichmässige Ver-
grösserung nach allen drei Dimensionen zur Folge haben. Wie
aber sollen durch verstärkte Function die Capillaren blos zur
Vermehrung nach zwei Dimensionen mit Ausschluss der dritten
angeregt werden?

Wenn nun das Wachsthum der Organe nur wenig durch
die Blutgefässe bestimmt wird, sondern umgekehrt vorwiegend
die specifischen Theile durch active Auswahl den Nahrungs-
verbrauch bestimmen, so fragt sich, wie unter diesen Verhält-

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[149/0163] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. Wenn so die embryonale und die postembryonale vererbte Entwickelung ganz durch active quantitative und qualitative Nah- rungsauswahl der Zellen bestimmt wird, soll nun für die Activitätshypertrophie im noch jugendlichen und im erwachsenen Individuum auf einmal ein ganz anderes, geradezu entgegen- gesetztes Gesetz gelten? Soll die Ernährung jetzt auf einmal eine rein passive geworden sein, welche blos abhängig ist von der jetzt durch Nervenvermittelung von irgend einem Centrum aus besorgten Regulation der Blutgefässe? Bei der functionellen Vergrösserung der Organe findet nun nicht blos einfache Vergrösserung der Elementartheile statt, sondern auch Vermehrung derselben und Vermehrung der Capillaren. Hierbei müssten also wiederum, wenn die Ernährung rein passiv erfolgte, die Capillaren auf einmal anfangen, stärker zu wachsen, Sprossen zu treiben etc., und da nach dem im I. Kapitel begründeten Gesetz von der dimensionalen Hyper- trophie die Organe blos in denjenigen Dimensionen sich ver- grössern, welche die Verstärkung der Function leisten, also auch die Capillaren blos nach diesen Richtungen hin sich ent- wickeln, so müssten wiederum die Bildungsgesetze des Speci- fischen in den Zellen der Capillarwandung liegen, denn blosse Vergrösserung der Blutzufuhr zum Organ mit passivem Wachs- thum der Capillaren und der von ihnen als abhängig an- genommenen specifischen Theile würde eine gleichmässige Ver- grösserung nach allen drei Dimensionen zur Folge haben. Wie aber sollen durch verstärkte Function die Capillaren blos zur Vermehrung nach zwei Dimensionen mit Ausschluss der dritten angeregt werden? Wenn nun das Wachsthum der Organe nur wenig durch die Blutgefässe bestimmt wird, sondern umgekehrt vorwiegend die specifischen Theile durch active Auswahl den Nahrungs- verbrauch bestimmen, so fragt sich, wie unter diesen Verhält-

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/163>, abgerufen am 23.11.2024.