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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
functioneller Anpassung von Helmholtz, in welchem wir
beim Sehen mit die beiden Bilder vertauschenden Brillen uns
so rasch anpassen in Tausend oder Millionen Ganglienzellen
und ihren Ausläufern, dass wir schon nach Uebung von einigen
Minuten und nach Abnahme der Brille gegen unseren Willen
noch nach dieser eben gelernten Weise greifen. Soll diese
tausendfältige Veränderung von Nervenverbindungen passiv
durch Hyperämie entstehen, welche in diese tausendfältigen
Bahnen geleitet würde? Oder wenn man einwendet, dass hier-
bei blos der Verbrauch von schon in den Zellen aufgespeicherten
Vorräthen stattfinde, so brauchen wir nur ein anderes Beispiel
anhaltenderer Uebung, etwa des Klavierspiels zu gedenken, in
welchem alle Vorräthe erschöpft werden. Wenn dagegen nicht
so vollkommen auf diese einzelnen Bahnen beschränkte Hyper-
ämie bei rein passiver Ernährung der Gewebe möglich wäre,
so würde die Mitausbildung der gleichzeitig hyperämischen
Nachbartheile jede Erwerbung besonderer Kunstfertigkeiten un-
möglich machen.

Auch aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass die
Aufnahme der Nahrung activ geschieht, gemäss der Anregung
durch den functionellen Reiz, und dass die Blutgefässregulation,
auch diejenige durch Vermittlung von Gefässnerven, wo sie
überhaupt stattfindet, nämlich wohl blos, wenn grössere Zell-
gruppen zugleich mehr Nahrung aufnehmen, im allgemeinen
abhängig sein wird von den specifischen Theilen der Organe,
sei es in directer oder indirecter Weise.

Ueber die Art, wie diese Regulation stattfindet, will ich
den Physiologen durch das Aussprechen von Vermuthungen nicht
vorgreifen; indessen sind relativ einfache Modi denkbar. Für
die morphologische, dauernde Bildungen liefernde Gefäss-
regulation, welche allein in mein Gebiet gehört, hoffe ich nach

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
functioneller Anpassung von Helmholtz, in welchem wir
beim Sehen mit die beiden Bilder vertauschenden Brillen uns
so rasch anpassen in Tausend oder Millionen Ganglienzellen
und ihren Ausläufern, dass wir schon nach Uebung von einigen
Minuten und nach Abnahme der Brille gegen unseren Willen
noch nach dieser eben gelernten Weise greifen. Soll diese
tausendfältige Veränderung von Nervenverbindungen passiv
durch Hyperämie entstehen, welche in diese tausendfältigen
Bahnen geleitet würde? Oder wenn man einwendet, dass hier-
bei blos der Verbrauch von schon in den Zellen aufgespeicherten
Vorräthen stattfinde, so brauchen wir nur ein anderes Beispiel
anhaltenderer Uebung, etwa des Klavierspiels zu gedenken, in
welchem alle Vorräthe erschöpft werden. Wenn dagegen nicht
so vollkommen auf diese einzelnen Bahnen beschränkte Hyper-
ämie bei rein passiver Ernährung der Gewebe möglich wäre,
so würde die Mitausbildung der gleichzeitig hyperämischen
Nachbartheile jede Erwerbung besonderer Kunstfertigkeiten un-
möglich machen.

Auch aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass die
Aufnahme der Nahrung activ geschieht, gemäss der Anregung
durch den functionellen Reiz, und dass die Blutgefässregulation,
auch diejenige durch Vermittlung von Gefässnerven, wo sie
überhaupt stattfindet, nämlich wohl blos, wenn grössere Zell-
gruppen zugleich mehr Nahrung aufnehmen, im allgemeinen
abhängig sein wird von den specifischen Theilen der Organe,
sei es in directer oder indirecter Weise.

Ueber die Art, wie diese Regulation stattfindet, will ich
den Physiologen durch das Aussprechen von Vermuthungen nicht
vorgreifen; indessen sind relativ einfache Modi denkbar. Für
die morphologische, dauernde Bildungen liefernde Gefäss-
regulation, welche allein in mein Gebiet gehört, hoffe ich nach

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[157/0171] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. functioneller Anpassung von Helmholtz, in welchem wir beim Sehen mit die beiden Bilder vertauschenden Brillen uns so rasch anpassen in Tausend oder Millionen Ganglienzellen und ihren Ausläufern, dass wir schon nach Uebung von einigen Minuten und nach Abnahme der Brille gegen unseren Willen noch nach dieser eben gelernten Weise greifen. Soll diese tausendfältige Veränderung von Nervenverbindungen passiv durch Hyperämie entstehen, welche in diese tausendfältigen Bahnen geleitet würde? Oder wenn man einwendet, dass hier- bei blos der Verbrauch von schon in den Zellen aufgespeicherten Vorräthen stattfinde, so brauchen wir nur ein anderes Beispiel anhaltenderer Uebung, etwa des Klavierspiels zu gedenken, in welchem alle Vorräthe erschöpft werden. Wenn dagegen nicht so vollkommen auf diese einzelnen Bahnen beschränkte Hyper- ämie bei rein passiver Ernährung der Gewebe möglich wäre, so würde die Mitausbildung der gleichzeitig hyperämischen Nachbartheile jede Erwerbung besonderer Kunstfertigkeiten un- möglich machen. Auch aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass die Aufnahme der Nahrung activ geschieht, gemäss der Anregung durch den functionellen Reiz, und dass die Blutgefässregulation, auch diejenige durch Vermittlung von Gefässnerven, wo sie überhaupt stattfindet, nämlich wohl blos, wenn grössere Zell- gruppen zugleich mehr Nahrung aufnehmen, im allgemeinen abhängig sein wird von den specifischen Theilen der Organe, sei es in directer oder indirecter Weise. Ueber die Art, wie diese Regulation stattfindet, will ich den Physiologen durch das Aussprechen von Vermuthungen nicht vorgreifen; indessen sind relativ einfache Modi denkbar. Für die morphologische, dauernde Bildungen liefernde Gefäss- regulation, welche allein in mein Gebiet gehört, hoffe ich nach

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/171>, abgerufen am 24.11.2024.