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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
Netzhaut uns vorstellen können. Ihre Natur ist schon so diffe-
rent, dass sie ebenso wie auch der Sehnerv selber nicht durch
Licht direct erregbar sind; ein Verhalten, welches auch bei
den anderen Sinnesorganen insofern wiederkehrt, als die Erreg-
barkeit der leitenden Theile für den specifischen Reiz entweder
ganz fehlt oder eine vielmal geringere ist als die des Endorganes.
An dem Umstand, dass nicht in allen Sinnesorganen der Reiz
mehrere Ganglienzellen zu durchlaufen hat, wird ebensowohl
oder noch mehr die Auslese im Kampfe der Ganzen als der
Theile betheiligt gewesen sein, wie ja stets beide Kampfesarten
beim Eintritt einer Neuerung gleichzeitig in züchtende Thätig-
keit treten müssen, sodass jede einzelne immer blos Eine Com-
ponente des Geschehens darstellt.

Ebenso wie die von aussen einwirkenden Reize sich be-
stimmte Reactionssubstanzen im Kampfe der Theile züchteten,
von welchen der Kampf der Individuen blos die dem Ganzen
nützlichen auslas, in der gleichen Weise werden auch die vom
Organismus producirten lebendigen Kraftformen und Reize
sich Reactionssubstanzen züchten, von welchen wiederum blos
die nützlichsten durch Auslese der Ganzen erhalten wurden:
die glatten und die quergestreiften Muskeln, die Drüsenzellen
und die Bindesubstanzen.

Auf die chemischen Reize, welche der Organismus produ-
cirt, wollen wir noch besonders mit einem Worte hinweisen.
Wie Pilocarpin auf die Schweissdrüsen direct Absonderung ver-
anlassend wirkt, auch nach Nervendurchschneidung, ebenso
können wohl chemische Bestandtheile des Blutes die Thätigkeit
der Niere, vielleicht auch des Hoden und der Leber anregen.
Für letzteres Organ wäre dabei der Regulationsmechanismus
der Thätigkeit sehr einfach, wenn die durch das Pfortaderblut
zugeführten Verdauungsbestandtheile die Erregung bewirkten.
Vielleicht ist auch die Vergrösserung der Milchdrüse während

IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
Netzhaut uns vorstellen können. Ihre Natur ist schon so diffe-
rent, dass sie ebenso wie auch der Sehnerv selber nicht durch
Licht direct erregbar sind; ein Verhalten, welches auch bei
den anderen Sinnesorganen insofern wiederkehrt, als die Erreg-
barkeit der leitenden Theile für den specifischen Reiz entweder
ganz fehlt oder eine vielmal geringere ist als die des Endorganes.
An dem Umstand, dass nicht in allen Sinnesorganen der Reiz
mehrere Ganglienzellen zu durchlaufen hat, wird ebensowohl
oder noch mehr die Auslese im Kampfe der Ganzen als der
Theile betheiligt gewesen sein, wie ja stets beide Kampfesarten
beim Eintritt einer Neuerung gleichzeitig in züchtende Thätig-
keit treten müssen, sodass jede einzelne immer blos Eine Com-
ponente des Geschehens darstellt.

Ebenso wie die von aussen einwirkenden Reize sich be-
stimmte Reactionssubstanzen im Kampfe der Theile züchteten,
von welchen der Kampf der Individuen blos die dem Ganzen
nützlichen auslas, in der gleichen Weise werden auch die vom
Organismus producirten lebendigen Kraftformen und Reize
sich Reactionssubstanzen züchten, von welchen wiederum blos
die nützlichsten durch Auslese der Ganzen erhalten wurden:
die glatten und die quergestreiften Muskeln, die Drüsenzellen
und die Bindesubstanzen.

Auf die chemischen Reize, welche der Organismus produ-
cirt, wollen wir noch besonders mit einem Worte hinweisen.
Wie Pilocarpin auf die Schweissdrüsen direct Absonderung ver-
anlassend wirkt, auch nach Nervendurchschneidung, ebenso
können wohl chemische Bestandtheile des Blutes die Thätigkeit
der Niere, vielleicht auch des Hoden und der Leber anregen.
Für letzteres Organ wäre dabei der Regulationsmechanismus
der Thätigkeit sehr einfach, wenn die durch das Pfortaderblut
zugeführten Verdauungsbestandtheile die Erregung bewirkten.
Vielleicht ist auch die Vergrösserung der Milchdrüse während

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[175/0189] IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize. Netzhaut uns vorstellen können. Ihre Natur ist schon so diffe- rent, dass sie ebenso wie auch der Sehnerv selber nicht durch Licht direct erregbar sind; ein Verhalten, welches auch bei den anderen Sinnesorganen insofern wiederkehrt, als die Erreg- barkeit der leitenden Theile für den specifischen Reiz entweder ganz fehlt oder eine vielmal geringere ist als die des Endorganes. An dem Umstand, dass nicht in allen Sinnesorganen der Reiz mehrere Ganglienzellen zu durchlaufen hat, wird ebensowohl oder noch mehr die Auslese im Kampfe der Ganzen als der Theile betheiligt gewesen sein, wie ja stets beide Kampfesarten beim Eintritt einer Neuerung gleichzeitig in züchtende Thätig- keit treten müssen, sodass jede einzelne immer blos Eine Com- ponente des Geschehens darstellt. Ebenso wie die von aussen einwirkenden Reize sich be- stimmte Reactionssubstanzen im Kampfe der Theile züchteten, von welchen der Kampf der Individuen blos die dem Ganzen nützlichen auslas, in der gleichen Weise werden auch die vom Organismus producirten lebendigen Kraftformen und Reize sich Reactionssubstanzen züchten, von welchen wiederum blos die nützlichsten durch Auslese der Ganzen erhalten wurden: die glatten und die quergestreiften Muskeln, die Drüsenzellen und die Bindesubstanzen. Auf die chemischen Reize, welche der Organismus produ- cirt, wollen wir noch besonders mit einem Worte hinweisen. Wie Pilocarpin auf die Schweissdrüsen direct Absonderung ver- anlassend wirkt, auch nach Nervendurchschneidung, ebenso können wohl chemische Bestandtheile des Blutes die Thätigkeit der Niere, vielleicht auch des Hoden und der Leber anregen. Für letzteres Organ wäre dabei der Regulationsmechanismus der Thätigkeit sehr einfach, wenn die durch das Pfortaderblut zugeführten Verdauungsbestandtheile die Erregung bewirkten. Vielleicht ist auch die Vergrösserung der Milchdrüse während

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/189>, abgerufen am 19.05.2024.