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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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V. Ueber das Wesen des Organischen.
der Erdgeschichte seinen Anfang genommen habe; nur muss
man nicht, wie immer geschieht, ihn gleich durchaus fertig mit
geordneter Contractilität und dem Verbrauche entsprechender
Assimilationsregulation verlangen.

Man muss vielmehr das Leben zunächst einfach als blossen
Assimilationsprocess wie das Feuer begonnen zu haben denken.
Allmählich bildeten sich dann unter dem Auftreten und Ver-
schwinden zahlloser Varietäten, unter fortwährender Steigerung
der dauerfähigen Eigenschaften, quantitative und qualitative
Selbstregulationen in der Assimilation und im Verbrauch aus.
Dem folgte die Entstehung von Reactionsqualitäten, als deren
schon ausserordentlich hohe Stufe nach Einer Richtung hin, in
vielleicht Millionen Jahre umfassenden Zeiträumen, nach und
nach die Reflexbewegung gezüchtet wurde in der niederen
Form, wie sie uns die Monere zeigt. Die weitere Ausbildung
von Reactionen, wie fest geordnete Bewegung, specifische Sinnes-
empfindung, folgte gewiss viel später und sie liegen unserer
Vorstellung schon so viel höher, dass Niemand sie von der
niedersten Stufe des Lebens verlangt. Aber die viel schwerere
Erwerbung der ihnen zu Grunde liegenden Eigenschaften soll
durchaus auf einmal als Spiel eines Zufalls erfolgt sein.

Was dazu gehört, ein Scheinfüsschen (Pseudopodium) zu
bilden und zu bewegen, wie viel Millionen Molekel beim Aus-
strecken in Ringform sich ordnen und sich einander nähern
müssen, um nachher dasselbe beim Wiedereinziehen des Füss-
chens in Längsrichtung zu thun, und was dazu gehört, diese
Fähigkeiten zu erwerben, pflegt man nicht zu erwägen.

Auf die Reflexbewegung folgte wohl die Ausbildung fester,
vererbbarer Richtungen, sowohl in Bewegungen als in Gestal-
tungen, und damit das grosse Princip der Gestaltungen aus
chemischen, dem Stoffwechsel unterliegenden Processen, das
Grundprincip der Morphologie. Dieses erscheint mir um nichts

V. Ueber das Wesen des Organischen.
der Erdgeschichte seinen Anfang genommen habe; nur muss
man nicht, wie immer geschieht, ihn gleich durchaus fertig mit
geordneter Contractilität und dem Verbrauche entsprechender
Assimilationsregulation verlangen.

Man muss vielmehr das Leben zunächst einfach als blossen
Assimilationsprocess wie das Feuer begonnen zu haben denken.
Allmählich bildeten sich dann unter dem Auftreten und Ver-
schwinden zahlloser Varietäten, unter fortwährender Steigerung
der dauerfähigen Eigenschaften, quantitative und qualitative
Selbstregulationen in der Assimilation und im Verbrauch aus.
Dem folgte die Entstehung von Reactionsqualitäten, als deren
schon ausserordentlich hohe Stufe nach Einer Richtung hin, in
vielleicht Millionen Jahre umfassenden Zeiträumen, nach und
nach die Reflexbewegung gezüchtet wurde in der niederen
Form, wie sie uns die Monere zeigt. Die weitere Ausbildung
von Reactionen, wie fest geordnete Bewegung, specifische Sinnes-
empfindung, folgte gewiss viel später und sie liegen unserer
Vorstellung schon so viel höher, dass Niemand sie von der
niedersten Stufe des Lebens verlangt. Aber die viel schwerere
Erwerbung der ihnen zu Grunde liegenden Eigenschaften soll
durchaus auf einmal als Spiel eines Zufalls erfolgt sein.

Was dazu gehört, ein Scheinfüsschen (Pseudopodium) zu
bilden und zu bewegen, wie viel Millionen Molekel beim Aus-
strecken in Ringform sich ordnen und sich einander nähern
müssen, um nachher dasselbe beim Wiedereinziehen des Füss-
chens in Längsrichtung zu thun, und was dazu gehört, diese
Fähigkeiten zu erwerben, pflegt man nicht zu erwägen.

Auf die Reflexbewegung folgte wohl die Ausbildung fester,
vererbbarer Richtungen, sowohl in Bewegungen als in Gestal-
tungen, und damit das grosse Princip der Gestaltungen aus
chemischen, dem Stoffwechsel unterliegenden Processen, das
Grundprincip der Morphologie. Dieses erscheint mir um nichts

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[231/0245] V. Ueber das Wesen des Organischen. der Erdgeschichte seinen Anfang genommen habe; nur muss man nicht, wie immer geschieht, ihn gleich durchaus fertig mit geordneter Contractilität und dem Verbrauche entsprechender Assimilationsregulation verlangen. Man muss vielmehr das Leben zunächst einfach als blossen Assimilationsprocess wie das Feuer begonnen zu haben denken. Allmählich bildeten sich dann unter dem Auftreten und Ver- schwinden zahlloser Varietäten, unter fortwährender Steigerung der dauerfähigen Eigenschaften, quantitative und qualitative Selbstregulationen in der Assimilation und im Verbrauch aus. Dem folgte die Entstehung von Reactionsqualitäten, als deren schon ausserordentlich hohe Stufe nach Einer Richtung hin, in vielleicht Millionen Jahre umfassenden Zeiträumen, nach und nach die Reflexbewegung gezüchtet wurde in der niederen Form, wie sie uns die Monere zeigt. Die weitere Ausbildung von Reactionen, wie fest geordnete Bewegung, specifische Sinnes- empfindung, folgte gewiss viel später und sie liegen unserer Vorstellung schon so viel höher, dass Niemand sie von der niedersten Stufe des Lebens verlangt. Aber die viel schwerere Erwerbung der ihnen zu Grunde liegenden Eigenschaften soll durchaus auf einmal als Spiel eines Zufalls erfolgt sein. Was dazu gehört, ein Scheinfüsschen (Pseudopodium) zu bilden und zu bewegen, wie viel Millionen Molekel beim Aus- strecken in Ringform sich ordnen und sich einander nähern müssen, um nachher dasselbe beim Wiedereinziehen des Füss- chens in Längsrichtung zu thun, und was dazu gehört, diese Fähigkeiten zu erwerben, pflegt man nicht zu erwägen. Auf die Reflexbewegung folgte wohl die Ausbildung fester, vererbbarer Richtungen, sowohl in Bewegungen als in Gestal- tungen, und damit das grosse Princip der Gestaltungen aus chemischen, dem Stoffwechsel unterliegenden Processen, das Grundprincip der Morphologie. Dieses erscheint mir um nichts

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/245>, abgerufen am 23.11.2024.