Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rubens, Heinrich: Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. Berlin, 1910.

Bild:
<< vorherige Seite


RUBENS:

wir in erster Linie Paul Drude verdanken. Aber auch die Drudesche
Theorie erklärt die Thermokräfte und den Peltiereffekt nicht durch Vor-
gänge in der Grenzfläche, sondern durch Bewegung der Elektronen in den
Leitern selbst. Sie schließt sich in diesem Punkte der Anschauung Kohl-
rauschs an und darf in diesem Sinne als eine Weiterentwicklung der-
selben angesehen werden.


Aber auf keinem Gebiete ist der Name Friedrich Kohlrauschs so
innig mit der Geschichte unserer Wissenschaft verknüpft wie in der Lehre
von der elektrolytischen Leitung. Die Verdienste, welche er sich um
diesen Zweig der physikalischen Forschung erworben hat, sind allein aus-
reichend, um ihm einen Ehrenplatz in der Reihe der ersten Experimen-
tatoren aller Zeiten zu sichern. Es ist erforderlich, hier auf diese Unter-
suchungen etwas näher einzugehen.


Während man über den Widerstand metallischer Leiter seit Ohms
epochemachender Entdeckung in weitgehendem Maße unterrichtet war,
lagen auf dem Gebiete der elektrolytischen Leitung, als sich Kohlrausch
diesem Gegenstande zuerst widmete, außer einigen spärlichen Zahlen von
Beetz und Paalzow keine Angaben vor. Durch Verwendung von Wechsel-
strom an Stelle des bis dahin ausschließlich angewendeten Gleichstroms
gelang es Kohlrausch mit einem Schlage, die größte Schwierigkeit,
welche erfolgreichen Messungen auf diesem Gebiet entgegengestanden
hatte, nämlich die Einwirkung der Polarisation, vollkommen zu beseitigen
und damit ein großes neues Gebiet der Forschung zu erschließen. Er be-
gann diese berühmte Reihe von Experimentaluntersuchungen mit einer
sorgfältigen Prüfung des Ohmschen Gesetzes für Leiter zweiter Klasse.
Es gelang ihm im Jahre 1869 in Gemeinschaft mit W. A. Nippoldt den
Nachweis zu führen, daß bis herab zu elektromotorischen Kräften von
Grove das Ohmsche Gesetz innerhalb der Grenzen der Beobachtungs-
fehler für Elektrolyte Geltung besitzt. Als Beispiel für die Anwendung seiner
neuen Methode, bei welcher ein Sinusinduktor als Stromquelle, ein Weber-
sches Elektrodynamometer als Meßinstrument verwendet wurde, bestimmte
er das Leitvermögen der Schwefelsäure bei verschiedener Konzentration.
Im Jahre 1875 war Kohlrauschs Wechselstrommethode zur Bestimmung
des elektrolytischen Leitvermögens schon so weit verbessert, daß nach des
Autors eigenen Worten "von den drei Größen, deren Messung gefordert
wird, nämlich Prozentgehalt, Temperatur und elektrolytischer Widerstand,


RUBENS:

wir in erster Linie Paul Drude verdanken. Aber auch die Drudesche
Theorie erklärt die Thermokräfte und den Peltiereffekt nicht durch Vor-
gänge in der Grenzfläche, sondern durch Bewegung der Elektronen in den
Leitern selbst. Sie schließt sich in diesem Punkte der Anschauung Kohl-
rauschs an und darf in diesem Sinne als eine Weiterentwicklung der-
selben angesehen werden.


Aber auf keinem Gebiete ist der Name Friedrich Kohlrauschs so
innig mit der Geschichte unserer Wissenschaft verknüpft wie in der Lehre
von der elektrolytischen Leitung. Die Verdienste, welche er sich um
diesen Zweig der physikalischen Forschung erworben hat, sind allein aus-
reichend, um ihm einen Ehrenplatz in der Reihe der ersten Experimen-
tatoren aller Zeiten zu sichern. Es ist erforderlich, hier auf diese Unter-
suchungen etwas näher einzugehen.


Während man über den Widerstand metallischer Leiter seit Ohms
epochemachender Entdeckung in weitgehendem Maße unterrichtet war,
lagen auf dem Gebiete der elektrolytischen Leitung, als sich Kohlrausch
diesem Gegenstande zuerst widmete, außer einigen spärlichen Zahlen von
Beetz und Paalzow keine Angaben vor. Durch Verwendung von Wechsel-
strom an Stelle des bis dahin ausschließlich angewendeten Gleichstroms
gelang es Kohlrausch mit einem Schlage, die größte Schwierigkeit,
welche erfolgreichen Messungen auf diesem Gebiet entgegengestanden
hatte, nämlich die Einwirkung der Polarisation, vollkommen zu beseitigen
und damit ein großes neues Gebiet der Forschung zu erschließen. Er be-
gann diese berühmte Reihe von Experimentaluntersuchungen mit einer
sorgfältigen Prüfung des Ohmschen Gesetzes für Leiter zweiter Klasse.
Es gelang ihm im Jahre 1869 in Gemeinschaft mit W. A. Nippoldt den
Nachweis zu führen, daß bis herab zu elektromotorischen Kräften von
Grove das Ohmsche Gesetz innerhalb der Grenzen der Beobachtungs-
fehler für Elektrolyte Geltung besitzt. Als Beispiel für die Anwendung seiner
neuen Methode, bei welcher ein Sinusinduktor als Stromquelle, ein Weber-
sches Elektrodynamometer als Meßinstrument verwendet wurde, bestimmte
er das Leitvermögen der Schwefelsäure bei verschiedener Konzentration.
Im Jahre 1875 war Kohlrauschs Wechselstrommethode zur Bestimmung
des elektrolytischen Leitvermögens schon so weit verbessert, daß nach des
Autors eigenen Worten »von den drei Größen, deren Messung gefordert
wird, nämlich Prozentgehalt, Temperatur und elektrolytischer Widerstand,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0010" n="10"/><lb/>
<fw type="pageNum" place="top">8</fw><fw type="header" place="top">RUBENS:</fw><lb/>
wir in erster Linie Paul Drude verdanken. Aber auch die Drudesche<lb/>
Theorie erklärt die Thermokräfte und den Peltiereffekt nicht durch Vor-<lb/>
gänge in der Grenzfläche, sondern durch Bewegung der Elektronen in den<lb/>
Leitern selbst. Sie schließt sich in diesem Punkte der Anschauung Kohl-<lb/>
rauschs an und darf in diesem Sinne als eine Weiterentwicklung der-<lb/>
selben angesehen werden.</p>
      <p><lb/>
Aber auf keinem Gebiete ist der Name Friedrich Kohlrauschs so<lb/>
innig mit der Geschichte unserer Wissenschaft verknüpft wie in der Lehre<lb/>
von der elektrolytischen Leitung. Die Verdienste, welche er sich um<lb/>
diesen Zweig der physikalischen Forschung erworben hat, sind allein aus-<lb/>
reichend, um ihm einen Ehrenplatz in der Reihe der ersten Experimen-<lb/>
tatoren aller Zeiten zu sichern. Es ist erforderlich, hier auf diese Unter-<lb/>
suchungen etwas näher einzugehen.</p>
      <p><lb/>
Während man über den Widerstand metallischer Leiter seit Ohms<lb/>
epochemachender Entdeckung in weitgehendem Maße unterrichtet war,<lb/>
lagen auf dem Gebiete der elektrolytischen Leitung, als sich Kohlrausch<lb/>
diesem Gegenstande zuerst widmete, außer einigen spärlichen Zahlen von<lb/>
Beetz und Paalzow keine Angaben vor. Durch Verwendung von Wechsel-<lb/>
strom an Stelle des bis dahin ausschließlich angewendeten Gleichstroms<lb/>
gelang es Kohlrausch mit einem Schlage, die größte Schwierigkeit,<lb/>
welche erfolgreichen Messungen auf diesem Gebiet entgegengestanden<lb/>
hatte, nämlich die Einwirkung der Polarisation, vollkommen zu beseitigen<lb/>
und damit ein großes neues Gebiet der Forschung zu erschließen. Er be-<lb/>
gann diese berühmte Reihe von Experimentaluntersuchungen mit einer<lb/>
sorgfältigen Prüfung des Ohmschen Gesetzes für Leiter zweiter Klasse.<lb/>
Es gelang ihm im Jahre 1869 in Gemeinschaft mit W. A. Nippoldt den<lb/>
Nachweis zu führen, daß bis herab zu elektromotorischen Kräften von<lb/><formula notation="TeX">\nicefrac{1}{429000}</formula> Grove das Ohmsche Gesetz innerhalb der Grenzen der Beobachtungs-<lb/>
fehler für Elektrolyte Geltung besitzt. Als Beispiel für die Anwendung seiner<lb/>
neuen Methode, bei welcher ein Sinusinduktor als Stromquelle, ein Weber-<lb/>
sches Elektrodynamometer als Meßinstrument verwendet wurde, bestimmte<lb/>
er das Leitvermögen der Schwefelsäure bei verschiedener Konzentration.<lb/>
Im Jahre 1875 war Kohlrauschs Wechselstrommethode zur Bestimmung<lb/>
des elektrolytischen Leitvermögens schon so weit verbessert, daß nach des<lb/>
Autors eigenen Worten »von den drei Größen, deren Messung gefordert<lb/>
wird, nämlich Prozentgehalt, Temperatur und elektrolytischer Widerstand,
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0010] 8 RUBENS: wir in erster Linie Paul Drude verdanken. Aber auch die Drudesche Theorie erklärt die Thermokräfte und den Peltiereffekt nicht durch Vor- gänge in der Grenzfläche, sondern durch Bewegung der Elektronen in den Leitern selbst. Sie schließt sich in diesem Punkte der Anschauung Kohl- rauschs an und darf in diesem Sinne als eine Weiterentwicklung der- selben angesehen werden. Aber auf keinem Gebiete ist der Name Friedrich Kohlrauschs so innig mit der Geschichte unserer Wissenschaft verknüpft wie in der Lehre von der elektrolytischen Leitung. Die Verdienste, welche er sich um diesen Zweig der physikalischen Forschung erworben hat, sind allein aus- reichend, um ihm einen Ehrenplatz in der Reihe der ersten Experimen- tatoren aller Zeiten zu sichern. Es ist erforderlich, hier auf diese Unter- suchungen etwas näher einzugehen. Während man über den Widerstand metallischer Leiter seit Ohms epochemachender Entdeckung in weitgehendem Maße unterrichtet war, lagen auf dem Gebiete der elektrolytischen Leitung, als sich Kohlrausch diesem Gegenstande zuerst widmete, außer einigen spärlichen Zahlen von Beetz und Paalzow keine Angaben vor. Durch Verwendung von Wechsel- strom an Stelle des bis dahin ausschließlich angewendeten Gleichstroms gelang es Kohlrausch mit einem Schlage, die größte Schwierigkeit, welche erfolgreichen Messungen auf diesem Gebiet entgegengestanden hatte, nämlich die Einwirkung der Polarisation, vollkommen zu beseitigen und damit ein großes neues Gebiet der Forschung zu erschließen. Er be- gann diese berühmte Reihe von Experimentaluntersuchungen mit einer sorgfältigen Prüfung des Ohmschen Gesetzes für Leiter zweiter Klasse. Es gelang ihm im Jahre 1869 in Gemeinschaft mit W. A. Nippoldt den Nachweis zu führen, daß bis herab zu elektromotorischen Kräften von [FORMEL] Grove das Ohmsche Gesetz innerhalb der Grenzen der Beobachtungs- fehler für Elektrolyte Geltung besitzt. Als Beispiel für die Anwendung seiner neuen Methode, bei welcher ein Sinusinduktor als Stromquelle, ein Weber- sches Elektrodynamometer als Meßinstrument verwendet wurde, bestimmte er das Leitvermögen der Schwefelsäure bei verschiedener Konzentration. Im Jahre 1875 war Kohlrauschs Wechselstrommethode zur Bestimmung des elektrolytischen Leitvermögens schon so weit verbessert, daß nach des Autors eigenen Worten »von den drei Größen, deren Messung gefordert wird, nämlich Prozentgehalt, Temperatur und elektrolytischer Widerstand,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Digitalisate und OCR. (2020-03-03T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, OCR-D: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-03-04T12:13:05Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: ignoriert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage;
  • i/j in Fraktur: wie Vorlage;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: nicht übernommen;
  • langes s (ſ): wie Vorlage;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: wie Vorlage;
  • u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
  • Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: ja;



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rubens_kohlrausch_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rubens_kohlrausch_1910/10
Zitationshilfe: Rubens, Heinrich: Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. Berlin, 1910, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rubens_kohlrausch_1910/10>, abgerufen am 02.05.2024.