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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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das Kind nicht durch anscheinendes Spiel zu neuer
Anstrengung zu überlisten. Auf mein Wort: laß
Dich selbst und die Kleine gehen! Aber damit
sie aus langer Weile nicht in Mißmuth, aus Miß-
muth nicht in Unarten verfalle, die Du strafen
mußt: so verschaffe ihr früh ein Gegenmittel in
der weiblichen Arbeit. Lehre sie jetzt schon stricken
und nähen. Laß sie erst Strumpfbänder, dann
Strümpfe für sich und den kleinen Woldemar
stricken; laß sie für sich und ihn Tücher nähen.
Jch weiß, daß man es mit fünf Jahren kann,
und erinnere mich aus meiner eigenen Kindheit,
wie glücklich ich war, wenn ich ein Strümpfchen
vollendet, oder ein Tuch gesäumt hatte, wovon
ich rühmen durfte, die Mutter habe nicht dabei
geholfen. Beiher magst Du auch darauf achten,
ob sie lieber für sich selbst oder für den Bruder
arbeitet. Es ist dies nicht ganz gleichgültig! Nur
muß man sie für's erste das thun lassen, was sie
am liebsten thut, und ihr ja nicht zu früh die
Lehre einprägen wollen, es sey schöner für Andere
arbeiten, als für sich selbst. Alles hat seine Zeit:
auch das erste Wort über Großmuth und Verges-



das Kind nicht durch anſcheinendes Spiel zu neuer
Anſtrengung zu überliſten. Auf mein Wort: laß
Dich ſelbſt und die Kleine gehen! Aber damit
ſie aus langer Weile nicht in Mißmuth, aus Miß-
muth nicht in Unarten verfalle, die Du ſtrafen
mußt: ſo verſchaffe ihr früh ein Gegenmittel in
der weiblichen Arbeit. Lehre ſie jetzt ſchon ſtricken
und nähen. Laß ſie erſt Strumpfbänder, dann
Strümpfe für ſich und den kleinen Woldemar
ſtricken; laß ſie für ſich und ihn Tücher nähen.
Jch weiß, daß man es mit fünf Jahren kann,
und erinnere mich aus meiner eigenen Kindheit,
wie glücklich ich war, wenn ich ein Strümpfchen
vollendet, oder ein Tuch geſäumt hatte, wovon
ich rühmen durfte, die Mutter habe nicht dabei
geholfen. Beiher magſt Du auch darauf achten,
ob ſie lieber für ſich ſelbſt oder für den Bruder
arbeitet. Es iſt dies nicht ganz gleichgültig! Nur
muß man ſie für’s erſte das thun laſſen, was ſie
am liebſten thut, und ihr ja nicht zu früh die
Lehre einprägen wollen, es ſey ſchöner für Andere
arbeiten, als für ſich ſelbſt. Alles hat ſeine Zeit:
auch das erſte Wort über Großmuth und Vergeſ-

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[86/0100] das Kind nicht durch anſcheinendes Spiel zu neuer Anſtrengung zu überliſten. Auf mein Wort: laß Dich ſelbſt und die Kleine gehen! Aber damit ſie aus langer Weile nicht in Mißmuth, aus Miß- muth nicht in Unarten verfalle, die Du ſtrafen mußt: ſo verſchaffe ihr früh ein Gegenmittel in der weiblichen Arbeit. Lehre ſie jetzt ſchon ſtricken und nähen. Laß ſie erſt Strumpfbänder, dann Strümpfe für ſich und den kleinen Woldemar ſtricken; laß ſie für ſich und ihn Tücher nähen. Jch weiß, daß man es mit fünf Jahren kann, und erinnere mich aus meiner eigenen Kindheit, wie glücklich ich war, wenn ich ein Strümpfchen vollendet, oder ein Tuch geſäumt hatte, wovon ich rühmen durfte, die Mutter habe nicht dabei geholfen. Beiher magſt Du auch darauf achten, ob ſie lieber für ſich ſelbſt oder für den Bruder arbeitet. Es iſt dies nicht ganz gleichgültig! Nur muß man ſie für’s erſte das thun laſſen, was ſie am liebſten thut, und ihr ja nicht zu früh die Lehre einprägen wollen, es ſey ſchöner für Andere arbeiten, als für ſich ſelbſt. Alles hat ſeine Zeit: auch das erſte Wort über Großmuth und Vergeſ-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/100>, abgerufen am 21.11.2024.