Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.schieden geartet, aber beide mit den schönsten An- lagen von der Natur ausgesteuert, der heftige Woldemar, wie die fast allzu zarte Jda. Aber beide Kinder mußt Du ernsthaft zur regelmäßigen Thätigkeit anhalten, und sie dazu eingewöhnen. Der Feuerkopf von Knabe würde außerdem ein schlimmer Bürger werden. Auch der Edelmann und der Edle soll ein guter Bürger seyn, und der Welt sein Contingent ernstlich zahlen. Und da- mit er könne, was er soll, muß er früh dazu vorbereitet werden. Auch wenn in ihm der Welt ein bedeutender Dichter geboren wäre, soll er künf- tig nicht ganz amtlos umherschweifen; denn der Mensch kann nicht in jeder Periode seines Lebens, und in der eigentlichen Dichterperiode nicht allezeit Dichter seyn. Für diese prosaische Zwischenzeit muß er einen Beruf haben. Auch soll der rechte Virtuos in jeder Kunst einen Schatz von Kennt- nissen in sich tragen, die der begeisterten Phan- tasie den Stoff darreichen. Was also auch aus Deinem genialischen Wolde- (12)
ſchieden geartet, aber beide mit den ſchönſten An- lagen von der Natur ausgeſteuert, der heftige Woldemar, wie die faſt allzu zarte Jda. Aber beide Kinder mußt Du ernſthaft zur regelmäßigen Thätigkeit anhalten, und ſie dazu eingewöhnen. Der Feuerkopf von Knabe würde außerdem ein ſchlimmer Bürger werden. Auch der Edelmann und der Edle ſoll ein guter Bürger ſeyn, und der Welt ſein Contingent ernſtlich zahlen. Und da- mit er könne, was er ſoll, muß er früh dazu vorbereitet werden. Auch wenn in ihm der Welt ein bedeutender Dichter geboren wäre, ſoll er künf- tig nicht ganz amtlos umherſchweifen; denn der Menſch kann nicht in jeder Periode ſeines Lebens, und in der eigentlichen Dichterperiode nicht allezeit Dichter ſeyn. Für dieſe proſaiſche Zwiſchenzeit muß er einen Beruf haben. Auch ſoll der rechte Virtuos in jeder Kunſt einen Schatz von Kennt- niſſen in ſich tragen, die der begeiſterten Phan- taſie den Stoff darreichen. Was alſo auch aus Deinem genialiſchen Wolde- (12)
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ſchieden geartet, aber beide mit den ſchönſten An-
lagen von der Natur ausgeſteuert, der heftige
Woldemar, wie die faſt allzu zarte Jda. Aber
beide Kinder mußt Du ernſthaft zur regelmäßigen
Thätigkeit anhalten, und ſie dazu eingewöhnen.
Der Feuerkopf von Knabe würde außerdem ein
ſchlimmer Bürger werden. Auch der Edelmann
und der Edle ſoll ein guter Bürger ſeyn, und der
Welt ſein Contingent ernſtlich zahlen. Und da-
mit er könne, was er ſoll, muß er früh dazu
vorbereitet werden. Auch wenn in ihm der Welt
ein bedeutender Dichter geboren wäre, ſoll er künf-
tig nicht ganz amtlos umherſchweifen; denn der
Menſch kann nicht in jeder Periode ſeines Lebens,
und in der eigentlichen Dichterperiode nicht allezeit
Dichter ſeyn. Für dieſe proſaiſche Zwiſchenzeit
muß er einen Beruf haben. Auch ſoll der rechte
Virtuos in jeder Kunſt einen Schatz von Kennt-
niſſen in ſich tragen, die der begeiſterten Phan-
taſie den Stoff darreichen.
Was alſo auch aus Deinem genialiſchen Wolde-
mar werden, welche Muſe ſich ihn zum Schützling
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