Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Hänfling setzte sich ihr auf die Schulter;
aber sie achtete nicht auf ihn. Er flog ihr auf
die Hand, sie bewegte die Hand unsanft und sag-
te: geh Hänschen, ich mag dich nicht. "Was
hat dir Hänschen gethan?" O nichts, aber ich
mag nicht mit ihm spielen. "Was hast du, Kind,
du bist ja gar nicht vergnügt?" Es jammerte
mich, des armen kleinen Herzens, das bei seiner
ersten schönen Anstrengung so unbefriedigt blei-
ben sollte. Willst du mir nicht anvertrauen, Jd-
chen, was dir fehlt? -- O der arme Paul hat ja
doch nur auf vier Tage zu essen: was soll er nun
Mittwoch, Donnerstag und Freitag anfangen?
"Weißt du denn gar keinen Rath, Kind? Frag'
den Bruder Woldemar, wenn der heute Mittag
kommt." "Hat der auch Geld"? Ja wohl, von
heut an hat er auch Geld. Sie erheiterte sich
wieder.

Mathilde hatte während des Gesprächs mit
Jda an ihrer Kommode gekramt und geschwiegen.
Was willst du mit deinem Gelde machen? fragt'
ich sie. Jch weiß noch nicht, Tante, war ihre
Antwort. Jch ließ sie. Was das in dem Kinde

Der Hänfling ſetzte ſich ihr auf die Schulter;
aber ſie achtete nicht auf ihn. Er flog ihr auf
die Hand, ſie bewegte die Hand unſanft und ſag-
te: geh Hänschen, ich mag dich nicht. „Was
hat dir Hänschen gethan?‟ O nichts, aber ich
mag nicht mit ihm ſpielen. „Was haſt du, Kind,
du biſt ja gar nicht vergnügt?‟ Es jammerte
mich, des armen kleinen Herzens, das bei ſeiner
erſten ſchönen Anſtrengung ſo unbefriedigt blei-
ben ſollte. Willſt du mir nicht anvertrauen, Jd-
chen, was dir fehlt? — O der arme Paul hat ja
doch nur auf vier Tage zu eſſen: was ſoll er nun
Mittwoch, Donnerſtag und Freitag anfangen?
„Weißt du denn gar keinen Rath, Kind? Frag’
den Bruder Woldemar, wenn der heute Mittag
kommt.‟ „Hat der auch Geld‟? Ja wohl, von
heut an hat er auch Geld. Sie erheiterte ſich
wieder.

Mathilde hatte während des Geſprächs mit
Jda an ihrer Kommode gekramt und geſchwiegen.
Was willſt du mit deinem Gelde machen? fragt’
ich ſie. Jch weiß noch nicht, Tante, war ihre
Antwort. Jch ließ ſie. Was das in dem Kinde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0163" n="149"/>
          <p>Der Hänfling &#x017F;etzte &#x017F;ich ihr auf die Schulter;<lb/>
aber &#x017F;ie achtete nicht auf ihn. Er flog ihr auf<lb/>
die Hand, &#x017F;ie bewegte die Hand un&#x017F;anft und &#x017F;ag-<lb/>
te: geh Hänschen, ich mag dich nicht. &#x201E;Was<lb/>
hat dir Hänschen gethan?&#x201F; O nichts, aber ich<lb/>
mag nicht mit ihm &#x017F;pielen. &#x201E;Was ha&#x017F;t du, Kind,<lb/>
du bi&#x017F;t ja gar nicht vergnügt?&#x201F; Es jammerte<lb/>
mich, des armen kleinen Herzens, das bei &#x017F;einer<lb/>
er&#x017F;ten &#x017F;chönen An&#x017F;trengung &#x017F;o unbefriedigt blei-<lb/>
ben &#x017F;ollte. Will&#x017F;t du mir nicht anvertrauen, Jd-<lb/>
chen, was dir fehlt? &#x2014; O der arme Paul hat ja<lb/>
doch nur auf vier Tage zu e&#x017F;&#x017F;en: was &#x017F;oll er nun<lb/>
Mittwoch, Donner&#x017F;tag und Freitag anfangen?<lb/>
&#x201E;Weißt du denn gar keinen Rath, Kind? Frag&#x2019;<lb/>
den Bruder Woldemar, wenn der heute Mittag<lb/>
kommt.&#x201F; &#x201E;Hat der auch Geld&#x201F;? Ja wohl, von<lb/>
heut an hat er auch Geld. Sie erheiterte &#x017F;ich<lb/>
wieder.</p><lb/>
          <p>Mathilde hatte während des Ge&#x017F;prächs mit<lb/>
Jda an ihrer Kommode gekramt und ge&#x017F;chwiegen.<lb/>
Was will&#x017F;t du mit deinem Gelde machen? fragt&#x2019;<lb/>
ich &#x017F;ie. Jch weiß noch nicht, Tante, war ihre<lb/>
Antwort. Jch ließ &#x017F;ie. Was das in dem Kinde<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0163] Der Hänfling ſetzte ſich ihr auf die Schulter; aber ſie achtete nicht auf ihn. Er flog ihr auf die Hand, ſie bewegte die Hand unſanft und ſag- te: geh Hänschen, ich mag dich nicht. „Was hat dir Hänschen gethan?‟ O nichts, aber ich mag nicht mit ihm ſpielen. „Was haſt du, Kind, du biſt ja gar nicht vergnügt?‟ Es jammerte mich, des armen kleinen Herzens, das bei ſeiner erſten ſchönen Anſtrengung ſo unbefriedigt blei- ben ſollte. Willſt du mir nicht anvertrauen, Jd- chen, was dir fehlt? — O der arme Paul hat ja doch nur auf vier Tage zu eſſen: was ſoll er nun Mittwoch, Donnerſtag und Freitag anfangen? „Weißt du denn gar keinen Rath, Kind? Frag’ den Bruder Woldemar, wenn der heute Mittag kommt.‟ „Hat der auch Geld‟? Ja wohl, von heut an hat er auch Geld. Sie erheiterte ſich wieder. Mathilde hatte während des Geſprächs mit Jda an ihrer Kommode gekramt und geſchwiegen. Was willſt du mit deinem Gelde machen? fragt’ ich ſie. Jch weiß noch nicht, Tante, war ihre Antwort. Jch ließ ſie. Was das in dem Kinde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/163
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/163>, abgerufen am 19.05.2024.