Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch weiß nicht, ob es der nahe Strom macht,
oder woher sonst es kommt, das westliche Gebirg
scheint oft in Duft und Aether zu schweben, und
ist die Sonne hinunter, so entglühet ein Abend-
roth, welches Herz und Sinn heiligt und ver-
klärt. Die Berge verdichten sich dann zu einer
dunkelblauen Masse, und der Kontrast des Jrr-
dischen mit dem Himmlischen stimmt immer ern-
ster und ernster. Oft saßen wir beim Abend-
tisch, bis hinter uns der Mond aufstieg. Oft ging
ich noch mit den guten Pfarrersleuten tief ins
Feld, wenn ich die Kinder zur Ruhe gebracht.
Daß wir wenig oder keine unserer gewohnten Be-
schäftigungen hier treiben, versteht sich.

Ganz hingegeben der freien großen Natur
hatten wir alles andere dahinter gelassen. Nur
eins ward recht ernsthaft getrieben. Naturge-
schichte, worin der trefliche Pfarrer seine eigene
Töchter täglich zwei Stunden unterrichtet, und
diesen Unterricht recht methodisch mit ihnen treibt.
Während unsers Aufenthaltes gestattete er un-
sern Beiden Theil daran zu nehmen, und war

Jch weiß nicht, ob es der nahe Strom macht,
oder woher ſonſt es kommt, das weſtliche Gebirg
ſcheint oft in Duft und Aether zu ſchweben, und
iſt die Sonne hinunter, ſo entglühet ein Abend-
roth, welches Herz und Sinn heiligt und ver-
klärt. Die Berge verdichten ſich dann zu einer
dunkelblauen Maſſe, und der Kontraſt des Jrr-
diſchen mit dem Himmliſchen ſtimmt immer ern-
ſter und ernſter. Oft ſaßen wir beim Abend-
tiſch, bis hinter uns der Mond aufſtieg. Oft ging
ich noch mit den guten Pfarrersleuten tief ins
Feld, wenn ich die Kinder zur Ruhe gebracht.
Daß wir wenig oder keine unſerer gewohnten Be-
ſchäftigungen hier treiben, verſteht ſich.

Ganz hingegeben der freien großen Natur
hatten wir alles andere dahinter gelaſſen. Nur
eins ward recht ernſthaft getrieben. Naturge-
ſchichte, worin der trefliche Pfarrer ſeine eigene
Töchter täglich zwei Stunden unterrichtet, und
dieſen Unterricht recht methodiſch mit ihnen treibt.
Während unſers Aufenthaltes geſtattete er un-
ſern Beiden Theil daran zu nehmen, und war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0189" n="175"/>
          <p>Jch weiß nicht, ob es der nahe Strom macht,<lb/>
oder woher &#x017F;on&#x017F;t es kommt, das we&#x017F;tliche Gebirg<lb/>
&#x017F;cheint oft in Duft und Aether zu &#x017F;chweben, und<lb/>
i&#x017F;t die Sonne hinunter, &#x017F;o entglühet ein Abend-<lb/>
roth, welches Herz und Sinn heiligt und ver-<lb/>
klärt. Die Berge verdichten &#x017F;ich dann zu einer<lb/>
dunkelblauen Ma&#x017F;&#x017F;e, und der Kontra&#x017F;t des Jrr-<lb/>
di&#x017F;chen mit dem Himmli&#x017F;chen &#x017F;timmt immer ern-<lb/>
&#x017F;ter und ern&#x017F;ter. Oft &#x017F;aßen wir beim Abend-<lb/>
ti&#x017F;ch, bis hinter uns der Mond auf&#x017F;tieg. Oft ging<lb/>
ich noch mit den guten Pfarrersleuten tief ins<lb/>
Feld, wenn ich die Kinder zur Ruhe gebracht.<lb/>
Daß wir wenig oder keine un&#x017F;erer gewohnten Be-<lb/>
&#x017F;chäftigungen hier treiben, ver&#x017F;teht &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Ganz hingegeben der freien großen Natur<lb/>
hatten wir alles andere dahinter gela&#x017F;&#x017F;en. Nur<lb/>
eins ward recht ern&#x017F;thaft getrieben. Naturge-<lb/>
&#x017F;chichte, worin der trefliche Pfarrer &#x017F;eine eigene<lb/>
Töchter täglich zwei Stunden unterrichtet, und<lb/>
die&#x017F;en Unterricht recht methodi&#x017F;ch mit ihnen treibt.<lb/>
Während un&#x017F;ers Aufenthaltes ge&#x017F;tattete er un-<lb/>
&#x017F;ern Beiden Theil daran zu nehmen, und war<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0189] Jch weiß nicht, ob es der nahe Strom macht, oder woher ſonſt es kommt, das weſtliche Gebirg ſcheint oft in Duft und Aether zu ſchweben, und iſt die Sonne hinunter, ſo entglühet ein Abend- roth, welches Herz und Sinn heiligt und ver- klärt. Die Berge verdichten ſich dann zu einer dunkelblauen Maſſe, und der Kontraſt des Jrr- diſchen mit dem Himmliſchen ſtimmt immer ern- ſter und ernſter. Oft ſaßen wir beim Abend- tiſch, bis hinter uns der Mond aufſtieg. Oft ging ich noch mit den guten Pfarrersleuten tief ins Feld, wenn ich die Kinder zur Ruhe gebracht. Daß wir wenig oder keine unſerer gewohnten Be- ſchäftigungen hier treiben, verſteht ſich. Ganz hingegeben der freien großen Natur hatten wir alles andere dahinter gelaſſen. Nur eins ward recht ernſthaft getrieben. Naturge- ſchichte, worin der trefliche Pfarrer ſeine eigene Töchter täglich zwei Stunden unterrichtet, und dieſen Unterricht recht methodiſch mit ihnen treibt. Während unſers Aufenthaltes geſtattete er un- ſern Beiden Theil daran zu nehmen, und war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/189
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/189>, abgerufen am 23.11.2024.